Es war unverkennbar, dass sich die Natur sichtlich erholt hatte, seitdem der Mensch auf dieser Welt weniger sein Unwesen trieb. Viel weniger Verschmutzung, viel weniger CO2 Ausstoß. Weniger pupsende Kühe, die ihre alles verschlingenden Mäuler nährten und weniger Schiffe, die unserer Ozeane verpesteten oder sie leerfischten, bis kein Lebewesen mehr übrig war.

Kaum war der Virus ausgebrochen, hatten Menschen rund um den Globus damit begonnen, sich nur noch zu Hause aufzuhalten und waren immer mehr sanktioniert worden. Schlussendlich hatten sie damit ihre heilige Wirtschaft und deren Wachstum zerstört, welche sie schon seit geraumer Zeit verehrten wie wahre Götter.

Für all den Schaden, den sie angerichtet hatten, geschah ihnen das nur recht. Zumindest in meinen Augen, was meine Anhänger genau so zu sehen schienen. Ob wir wohl die Mehrheit erreichen würden? Mit noch ein wenig Werbung und Anstrengung meinerseits war dies sicher nicht so utopisch, wie es unsere Gegner gerne darstellten. Zur Notwürde ich Abgeordnete dafür bezahlen, für die richtige Lösung abzustimmen.

Auch nach dieser anstrengenden Nacht des Wahlkampfes hatten wir wieder nur Erfolge zu verzeichnen. Selbst neue Mitglieder hatten wir angeworben. Besser hätte es nicht laufen können. Ich beschloss, so schnell wie möglich den Heimweg anzutreten, um mich für kommende Nacht auszuruhen. Die Nacht der alles verändernden Entscheidung.

Doch auch als ich es mir in meinem Sarg bequem gemacht hatte, konnte ich einfach nicht zur Ruhe finden. Irgendetwas in mir drang mich so lebhaft dazu, noch eine letzte Runde um den nahegelegenen Häuserblock zu ziehen, bevor die ersten Strahlen der Sonne die Erdoberfläche erreicht hätten und mich hätten gefährden können. Ein letztes Mal wollte ich das Leiden der Bösewichte aus erster Hand bewundern.

Daher band ich mir einen dicken Schal um, der meine Zähne verdecken sollte. Ein weiter Mantel versteckte meine blasse Haut und sogar an eine Kopfbedeckung mit weit ausladender Krempe hatte ich gedacht, um mein Gesicht und damit meine Augen so weit wie möglich vor dem Sichtfeld anderer fernzuhalten.

Zu meinem Glück war zu einer solchen Uhrzeit noch kaum eine Menschenseele auf den Beinen und angesichts der Epidemie war es noch unwahrscheinlicher, dass sich jemand draußen aufhalten würde. Ein willkommener Zufall.

Getrost schritt ich auf die Straße, hinein in die Dunkelheit, die mich beinahe verschluckte, wie es die unsensiblen Menschen ausdrücken würden. Ich würde es eher als eine mir wohlgesonnen Hülle betrachten, in der ich mich vor meiner Außenwelt geschützt fortbewegen konnte. Das Schwarz nahm mich zart in sich auf und kleidete mich wie ein angenehmer Mantel.

Auch für meine sensible, blasse Haut, die das grelle Licht der Sonne sofort verbrennen würde, war es so das Beste. Die Temperaturen waren während der Nacht gesunken, da sich keine schützende Wolkendecke gebildet hatte, die die Wärme hätte zurückhalten können und daher war mein Schal auch nichts Verwunderliches. Schließlich konnte niemand ahnen, dass ich darunter elfenbeinweiße, spitze Zähen versteckte.

Schritt für Schritt spazierte ich dieStraße entlang. Nur eine Straßenlaterne flackerte trostlos und fürchtete wegender mangelnden Stromversorgung auch noch abgeschaltet zu werden. Umso besser für mich, die auch ohne jegliches Licht in der Lage war, meine Umgebung klar zu erkennen. Ein weiteres Handikap dieser billigen Menschenrasse.

Bald hatte ich das Ende meiner Straße erreicht. Zu meiner Rechten konnte ich bereits das letzte Krankenhaus ausmachen, welches dem Virus trotzte, obwohl es zum Untergang verdammt war. Lichterloh strahlte es aus allen Fenstern.

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