Elanor

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Es war das Getrampel von Hufen, welches laut zwischen den Bäumen von Düsterwald hallte. Hätte man es nicht besser gewusst, hätte man gedacht, eine Herde von Hirschen war auf ihrem Weg, eine neue Futterstelle zu suchen.
Doch war es ein einziger, gewaltiger Hirsch, welcher durch den Düsterwald preschte.
Thranduil hatte nicht auf seine Wachen gewartet.
So schnell sein getreuer Hirsch auch nur konnte, durchritten sie den Düsterwald in Richtung Nordwest.
Ein einzelner Ast schlug Thranduil ins Gesicht und verpasste ihm eine dünne, Schnittwunde auf der rechten Wange.
Er spürte das brennen der Wunde und wie das warme Blut sich in ihr sammelte.
Thranduil konnte sich nicht mehr erinnern, wann er das letzte Mal so schnell geritten war, das der Wind seinen langen silbernen Umhang voll und ganz nach hinten aufstellte und schlagend wehen ließ.
"Noro lim, Elrohir!" rief Thranduil in den Wind hinein und sein Hirsch begann noch schneller zu laufen, auch wenn das schon fast unmöglich schien.
Wie ein abgeschossener Pfeil preschten Thranduil und sein Hirsch durch den Wald, auf die Handelsstraße hinauf und von dort weiter zum Waldrand.
Sein sonst so ruhiges Herz, schlug ihm bis zum Hals, hämmerte laut gegen seine Brust.
Er umklammerte die Zügel fest und mit einem Sprung, sprang Elrohir durch die Böschung hinaus auf den Hügel, welcher sich vor dem Menschendorf erhob.
"Baw(Nein)" hauchte Thranduil, bei dem Anblick, welcher sich ihm dort bot und riss die Zügel zurück.
Die Holzhäuser, welche Kreisförmig um den Marktplatz aufgestellt waren, standen in Flammen, andere rauchten nur noch vor sich hin. Er roch den Qualm und versickerndes Blut der Menschen.
"Elanor." bekam der König heiser heraus, trieb seinen Hirschen an und preschte mit diesem den Hügel hinunter. Die Orks konnte er weder sehen, noch hören.
Sein Blick flog über das verbrannte land.
Gerissene Schafe lagen tot am Boden und Leichen auf dem Marktplatz.
Der Hirsch wirbelte Staub und kleine Steine auf, ehe er auf der Mitte des Marktplatzes neben dem Dorfbrunnen zum Stehen kam.
Thranduil klopfte ihm einem schnell lobend den Hals, ehe er sich aus dem Sattel Schwang und sich umsah.
Er horchte.
Er konnte nichts hören, nur den sanft gehen den Wind.
"Elanor!" rief er ihren Namen laut.
Wie fremd sich ihr Name anfühlte, als er ihn aussprach.
"Elanor!" rief er sie nochmal und begann suchend durch die Reste des Dorfes zu laufen.
In Gedanken rief er ihren Namen noch viel öfter.
Jeden weiblichen Körper, egal welche Haarfarbe, drehte er auf den Rücken. In der Hoffnung, sie würde es nicht sein.
Nahe dem rauchenden Haus, vor dessen Tür er Elanor vor 18 Jahren abgelegt hatte, fand er schließlich ihre Mutter.
Sie lebte noch.
"Wo ist sie?" fragte Thranduil, als er in die Knie ging und sie in seine Arme drehte.
Sie gab pfeifende Atemgeräusche von sich. Blut lief ihr aus dem Mundwinkel.
Jeden Moment würde sie sterben.
"Elanor, wo ist sie?" wollte Thranduil erneut wissen.
Mit einem Husten spuckte sie etwas Blut aus und rang nach Atem.
Mit seinem Umhang wischte Thranduil ihr das Blut von den Lippen und hob sie etwas weiter an.
"Das Mädchen, Eure Tochter, wo ist sie?" hauchte Thranduil.
Rasselnd rang die sterbende Mutter nach Atem und drehte den Kopf in Richtung Norden.
Thranduil folgte ihrem Blick und blickte dann wieder auf sie runter.
"Zum Fluss. Ist sie zum Fluss?" wollte er wissen.
Noch einmal atmete sie tief durch und blinzelte dann einmal, ehe sie seine Hand weg schob.
"Geht." bekam sie mit letzter Kraft heraus.
Sanft legte Thranduil sie auf dem Boden ab und pfiff einmal zwischen den Zähnen durch.
Er konnte das Näherkommen von Hufen hören.

Das Wasser spritzte laut unter den Hufen von Elrohir, während Thranduil im seichten Wasser des Flusses, an diesem Entlang ritt.
Mit den Augen überflog Thranduil den Fluss. Er konnte sie weder sehen noch hören. Der Fluss rauschte zu laut. Hätte sie noch einen Herzschlag, Thranduil hätte ihn nicht gehört.
"Elanor!" rief Thranduil laut und brachte seinen Hirschen zum Stehen.
Sein Blick flog auf und ab.
Treibhölzer, erstes Herbstlaub, all das konnte er sehen. Doch keine Frau mit schwarzem Haar.
Er war sicher schon zwei Meilen Flussabwärts geritten.
Doch konnte er sie noch immer nicht sehen.
"Elanor!?" rief er sie ein letztes Mal, ehe er zurück aus dem Stand in seinen Sattel sank.
Wieder schmerzte sein Kopf, wie von zu viel Wein.
Er konnte nicht zurück reiten und seine Wachen für eine Suche abziehen, welche vielleicht keinen Sinn hatte.
Die Sonne hatte ihren Zenit schon weiter überschritten.
Müde rieb er sich die Augen und schreckte hoch, als es ihm kalt den Rücken runter schoss.
Es ließ ihn einen Moment vor Schreck erstarren. Stellte ihm die Arm und Nackenhaare auf.
Ein hallendes, klingendes und sanftes Kinderlachen drang ihm an die Ohren. Wie ein Echo.
Ein Lachen wie er es nur ein einziges Mal in seinem ganzen Leben auf dieser Erde gehört hatte.
Das erste Lachen eines Kindes.
Elanors erstes Lachen.
Schnell Blickte er Flussabwärts, aus welcher Richtung es gekommen war.
Ein Leichter Stoß mit den Hacken in die Seiten seinen Hirsch reichten und er ritt schnellen Schrittes weiter das Flussufer entlang.

Es war fast eine ganze Meile weiter, bis Thranduil ruckartig seien Hirschen zum Stehen brachte und auf die andere Seite des Flusses blickte. Halb im Wasser, halb an das Ufer angespült, lag eine junge Frau, mit langem schwarzem Haar. Die Stirn blutig geschlagen.
Mit einem Tritt schwang sich Thranduil aus dem Sattel, legte seinen Umhang ab und begann in das kalte Wasser zu warten.
Das Wasser reichte Thranduil bis knapp zu den Schultern und er war fast zwei Meter groß.
Das Wasser war am Grund es Flusses so kalt, das es ihm die Wade des rechten Beines verkrampfte.
Auf der anderen Seite des Flusses, trat Thranduil erst gar nicht ganz aus dem Wasser heraus, er griff Elanor nur schnell unter einem Arm, zog sie hoch, umfasste ihren Rücken und mit dem anderen Arm ihre Beine und wartete mit ihr zusammen zurück durch das Wasser.
Auf der anderen Seite des Ufers angekommen, hob Thranduil sie mit Kraft aus dem Wasser und legte sie auf dem trockenen Ufer ab.
"Elanor?" fragte er und strich ihr das nasse, schwarze Haar aus dem Gesicht.
Er konnte ihren Herzschlag hören, jedoch war er für ihr alter viel zu schwach.
Mit den Zähnen zog sich Thranduil den Handschuh an der rechten Hand aus, und legte ihr diese auf die Brust.
Er schloss einen Moment die Augen um sie nach einem kurzen Moment gleich wieder auf zu reißen.
"Wasser." keuchte er, riss sie an den Schultern hoch, lehnte sie über seinen Arm nach vorne und gab ihr einen heftigen Schlag auf den Rücken.
Mit diesem Schlag setzte Thranduil einen kurzen Moment einen Würgereiz in Elanor frei.
Mit einem lauten rasselnden Husten, riss Elanor die Augen auf spuckte das Wasser aus ihren Lugen auf den Boden und krallte sich dabei an Thranduils Unterarm fest.
"Ist schon gut." murmelte Thranduil und strich ihr das Haar zurück.

Das erinnerte ihn als Legolas als Kind ebenfalls mal in den Fluss vor dem Palast gefallen war.
Eben war er noch an der Hand von Thranduil gewesen, dann hatte der König nur noch den erschrockenen Schrei seines Sohnes gehört.
Thranduil selbst und drei Wachen hatten fast eine Meile gebraucht, um den kleinen Prinzen damals auf dem Wasser zu ziehen.
Legolas hatte Wochen gebraucht bis er sich damals von diesem Schreck erholt hatte.
Weiß wie ein Maiglöckchen war Legolas damals gewesen, als Thranduil und eine Wache ihn aus dem Fluss gezogen hatten.
Und auch Legolas war Thranduil damals auf diese Weise im Arm gelegen und hatte Wasser gespuckt.
Das war einer der seltenen Momente gewesen, in denen sein Sohn sich fest an Thranduil geklammert hatte, den Kopf in seiner Schulter vergraben und sich von ihm zurück ins Schloss hatte bringen lassen.
Einer der wenigen Momente in denen Thranduil ihn wahrhaftig im Arm gehalten hatte.


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⏰ Letzte Aktualisierung: Apr 05, 2020 ⏰

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Rehkitz (Thranduil FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt