»Professor!«, rief jemand aus der Schülerschaftsmenge heraus, immer und immer wieder. Zwar sah ich die Schülerin nicht an, mein Rücken war ihr zugekehrt, dennoch konnte ich förmlich spüren, wie sie mit ihrem ausgestreckten Arm herumwedelte, nach meiner Aufmerksamkeit ächzend. Ich missachtete sie, metzelte mit der Kreide die Tafel nieder. Im Klassenzimmer ertönten der Kontakt zwischen Kreide und Tafel, Kuli und Papier, nebenbei die störrische Schülerin.
Kopfschmerzen bahnten sich ihren Weg durch meinen Schädel, verursachten ein stechendes, unangenehmes Pochen, das mich mit meinen Fingerspitzen meine Schläfen massieren ließ. In der Magengrube bildete sich ein grober Schmerz, einem direkten Fußtritt gleich.
»Professor!«
Ich bemerkte eine klebrige Substanz an meiner Haut haften, ich hatte Kreidekrümel während der Massage an der Stirn verschmiert. »Scheiße«, flüsterte ich derart leise, sodass es nur für mich hörbar war. In der sich langsam, aber sicher anstauenden Wut versuchte ich, das staubartige Pulver aus dem Gesicht zu reiben, verschlimmerte alles bloß. Das ekelerregend klebrige Zeug, es verbreitete sich mir nichts, dir nichts von der Stirn bis zur Wange, bald hatte ich es auch auf der Nasenspitze, der öde, fade Kreidegeruch schmerzte in den Nasenhöhlen.
»Professor!«
»Wenn ich dich das noch einmal sagen höre, lasse ich dich vier A4 Seiten auf Spanisch schreiben.«
»Aber wir haben Französisch.«
»Und deswegen wäre das eine angemessene Strafe. Und jetzt... cierra el pico!«
»Aber Sie haben Blut am Hintern!«Ein spitzbübisches Kichern ertönte aus der letzten Reihe, zeitgleich fasste ich an meinen Rücken und fuhr mit der Handfläche tiefer, bis ich etwas Kaltes, Feuchtes verspürte. Perplex sah ich mir die fahlen Blutflecken an meinen Fingerkuppen an, die sich mit der Kreide vermischt hatten und ein abgetöntes, hässliches Rosa ergaben.
»Das ist ein ganz großer Fleck. Sticht einem sofort ins Auge.«
»Aha.«Halbherzig wischte ich den lachsfarbenen Schmutz an meinem ohnehin unreinen Rock ab, fuhr das Schreiben fort.
»Professor?«
»Was willst du noch?«
»Sie haben vergessen, die Hausaufgaben zu kontrollieren.«Ihre Mitschüler stöhnten chorisch auf, sie ergaben ein Orchester der Verachtung.
»Ich möchte, dass du weißt, dass ich dich hasse«, gab ich zurück und fuhr mit der klebrigen Hand erneut über meine Stirn, die Schmerzen wurden schlimmer.
Jemand lachte, die Schülerin dagegen verblieb still. Als mir schwindelig wurde, setzte ich mich auf meinen Stuhl, mich in der Übelkeit und dem Schwindel räkelnd, in meinem Kopf brummte und drehte sich alles.
»Wisst ihr«, fing ich an, zu erzählen, während ich den Verschluss meiner Wasserflasche öffnete. »Ich war ein ziemlich glücklicher Mensch, bevor ich Lehrerin wurde. Ich will bloß, dass ihr euch das durch den Kopf gehen lasst. Ich war einmal glücklich.«
Ich nahm einen winzigen Schluck, so schlaff, dass das Wasser beinahe aus meinem Mund floss. Zwei nichtige Tropfen nieselten auf den Tisch, verfehlten knapp das Klassenbuch, auf welchem ich mich mit einem Arm angelehnt hatte. Ich rieb mir die pulsierende Schläfe, im Uhrzeigersinn, es brachte nichts.
»Machen wir diese Stunde eigentlich noch was?«
»Bitte lass mich in Ruhe.«Ich vergrub mein Gesicht in meinen verhakten Armen, schloss die Augen, mein hellroter Lippenstift verschmierte sich an den Ärmeln meines Pullovers. Der enge Kragen kratzte am Hals. Die Müdigkeit, die Lustlosigkeit, sie überkam mich wie eine gigantische Welle und vergrub mich urplötzlich unter ihrer Masse.
•●•
Gefühlt im selben Moment, nur den Hauch einer Sekunde später, warf Ville mir einen Haufen an Zetteln vor die Nase, auf den Tisch, so grob. Ich setzte mich auf, wie eben erst aus dem Bett gekrochen, und streckte mich ausgiebig.
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Körperkontakt
RomanceNach dem Motto »Gemeinsam Einsam« Französischlehrerin Erna entwickelt Gefühle für Jani, welchen sie spontan in der U-Bahn trifft. Die beiden fühlen sich in ihrer Einsamkeit verbunden und gehen eine Affäre der anderen Art ein. Enthält eine Menge an...