Das finstere Violett des Himmels verfärbte sich Stück für Stück in ein behagliches, pittoreskes Hellblau, ein kühler Wind blies mir die Haare von den Schultern. In den versteinerten Morgenstunden wagte es sich kaum eine Seele, sich blicken zu lassen, es war gemütlich ruhig.
Jani hatte mit seinem Wagen vor meiner Wohnanlage angehalten, der Sitz bebte ruckartig nach dem brüsken Bremsen. Ich schnallte mich ab, blickte nochmals zu Jani, der lächelnd vor dem Lenkrad saß. Unsere Blicke trafen sich.
»Nur das Allerwichtigste«, wiederholte er leicht herb. »Und beeil dich.«
Noch von der Verwirrung übermannt, lief ich hastig in meine Wohnung. Der Anblick meiner Einrichtung, sonst so vertraut, kam mir aus dem Nichts fremd vor, unbekannt, noch nie zuvor gesehen. Sonderlich schien ich nicht an ihr zu hängen. An ihr haftete noch der modrige Geruch meiner einsamen Stunden, der Freudlosigkeit an meinem Leben.
Nur in meinem Schlafzimmer roch ich ihn, in der Matratze zeichneten sich seine Spuren. Unter dem Bett holte ich die uralte, abgenutzte Sporttasche hervor, früher noch für die Reisen durch Frankreich genutzt. Meine ehemalige Liebe für das Existieren versteckte sich tief unter den Falten und Kratern des spröden Leders, langsam, aber sicher traten sie wieder zum Vorschein.
Ich krallte mir in der Eile eine Hand voll an Unterwäsche, die lange nicht mehr getragenen Tangas, die vor Ewigkeiten und nie benutzten Spitzen-BHs, das schwarze Negligé, noch nie präsentiert, die noch in der frischen, jungfräulichen Packung schlummernden Strapsen. Fettbetonende Kleider, halszerkratzende Rollkragenpullover, knieumgarnende Röcke, läusebefallene Haarbürste, vergilbter Reisepass.
In dem Raum herrschten Chaos und Finsternis Hand in Hand, einem unangenehmen Gestank beigesetzt. Kleidung lag wild verstreut an jeder noch so undenkbaren Ecke, wie die Mäuse krochen die einstige Einöde und Eintönigkeit zurück in jene Löcher, in die sie gehörten.
Meine Finger erzitterten der Aufregung wegen, als ich die Haustür abschloss. Jedes erneute Knacken brachte mich dem Glücksgefühl näher. Ein kontrollierendes Drücken gegen die Tür, rasende Schritte die Treppen hinab. Die Tasche rutschte stetig meinen Arm hinunter, die Absätze meiner Schuhe bohrten sich unter dem Druck schmerzhaft an meine Fersen.
Ich stieg in den Wagen, schmiss die Tasche auf den Rücksitz. Der Hieb, mit dem ich die Autotür zuhaute, versicherte mir meinen Sieg im Kampf gegen die Monotonie, jetzt konnte sie mir nichts mehr anhaben.
Nun sollte es so schnell aus dieser Gegend gehen, wie nur möglich. Schnell genug, um nicht erneut von dem Gräuel erwischt zu werden. Rasant in Richtung Traumutopie, in den spontanen Kurzurlaub.
•●•
Aus den dunklen Morgenstunden wurde der helllichte, in Sonnenstrahlen förmlich ertrinkende Mittag. Der Himmel schien lichterloh und das pralle Blau stach einem nahezu ins Auge, wie mit einer stumpfen Nadelspitze.
Jegliche noch von den vergangenen Tagen zurückgebliebenen Regenpfützen waren ausgetrocknet, das düstere Winter-Frühlings Streitwetter hatte sich verzogen, das frohe Klima kam hervor.
In dieser wohltuenden Mixtur aus Frühlingsbeginn und Urlaub und Freude, schien ich zu ersticken. So glücklich, so skandalös, atemberaubend glücklich, es fühlte sich verboten an. Als hätte ich all das nicht verdient.
Auf der strahlendgrauen Autobahn, umgeben von Autos in allen möglichen Farben, begann die spontane Reise von Wien nach München, unserem Ziel.
Jani saß neben mir, auf dem Fahrersitz. Selbstsicher hatte er das Lenkrand umfasst, was in mir den Drang erweckte, sie zu berühren. Diese so trotzig anziehenden Arme, in ihnen steckte alles an maskuliner Dominanz, das ich in den vergangenen neun Jahren gesucht hatte. Hart im Anpacken, sachte beim Anfassen.
DU LIEST GERADE
Körperkontakt
Storie d'amoreNach dem Motto »Gemeinsam Einsam« Französischlehrerin Erna entwickelt Gefühle für Jani, welchen sie spontan in der U-Bahn trifft. Die beiden fühlen sich in ihrer Einsamkeit verbunden und gehen eine Affäre der anderen Art ein. Enthält eine Menge an...