3 • heute geht es mir gut, aber weiß der teufel, was morgen ist

446 12 1
                                    

»Sie lächeln ja«, stellte eine der Schülerinnen fest, sie schaute mich verwundert an.
»Tu ich.«
»Warum?«
»Ich habe mir vorgestellt, jemand würde hier endlich einmal amoklaufen.«

Die Schüler, die meisten bis eben noch mit dem Blick auf das Telefon gerichtet, beäugten mich verstört.

»Was dieser Schule schon immer gefehlt hat, war ein Amokläufer. Jemand, der hier endlich einmal für Aufregung sorgt.«
»Fühlen Sie sich jetzt irgendwie cool, oder so?«, hinterfragte das Mädchen mich, die Mundwinkel hingen träge nach unten.

Ein Standardbild der Menschen in diesem Gebäude. Diese Schule umgab eine derart schauerliche Aura, sie machte ein simples Lächeln im Normalfall schier unmöglich.

Ich ließ meine Arme schlaff herunterbaumeln, lehnte mich im Stuhl nach hinten. Der Unterricht, er kam mir wie eine quälende Ewigkeit vor. Als sei ich verdammt, ihn nie wieder zu verlassen, als würde er nie wieder enden. Mit diesen Menschen, diesen unerträglichen Schülern. Ihre unmotivierten, fast schon versteinerten Blicke. Ihre lasche Art, die müden Augen, es machte mich krank.

•●•

»Ich habe keine Lust mehr«, gestand ich der Kollegin, rieb mir erschöpft die Schläfen.
Ich war müde, antriebslos. Geräusche nahm ich nicht mehr wahr, alles verschwamm zu einem einzigen, störenden Laut, der in den Ohren schmerzte. Die Augen standen weit offen, ich sah dennoch nichts. Ich vernahm die Zeit bloß halbherzig, meine Mitmenschen ignorierte ich, kamen sie auf mich zu. Meine Portion an Nerven war für diesen Tag aufgebraucht.

Ich fokussierte mich bloß auf Ville, die sich damit beschäftigte, Arbeiten zu korrigieren. War sie fertig, haute sie das Papier zur Seite, mit einer Grobheit, wie man sie nur von Erwachsenen kannte.
Noch wartete ich auf eine Antwort, sie schmatzte bloß während des Schreibens.

»Ich habe ein Date, weißt du das?«

Ein weiteres Blatt Papier wurde auf den Zettelhaufen geschmissen, ihre Lieblosigkeit verängstigte mich beinahe.

»Vielleicht reden wir nur, vielleicht ficken wir nur, mal sehen. Bin da aufgeschlossen.«

Und da war es, sie schmiss den Stift kalt zur Seite und lehnte sich nach hinten, ihr Kreuz knackte. Sie nahm sich die Lesebrille ab und schaute mich an.

»Sag nichts. Ich freue mich einfach. Ein falsches Wort und dieses einmalige Gefühl könnte vergehen.«

Sie hob sich keiner Schuld bewusst die Hände in die Höhe.

»Er hat mir seine Adresse gegeben. Da fahre ich gleich hin. Wie findest du, sehe ich aus?«
»Ich will nichts Falsches sagen.«
»Eine gute Antwort, eine brave Antwort. Nun, wir sehen uns dann am Montag wieder.«

Ich erhob mich und lächelte so breit, wie man es nur an einem Freitagnachmittag konnte.

•●•

Ich klimperte mit den Fingern an der Lederhalterung meiner Handtasche, nervös, unentschlossen, dennoch irgendwie geil. Ich wartete auf ihn, sehnsüchtig, ungeduldig, bis endlich das lang erwartete Öffnen der Tür ertönte.

Ihn wiederzusehen, war als ginge auf einmal die Sonne auf. Auf Nimmerwiedersehen, Finsternis!

Seine Haare standen wild in verschiedene Richtungen, liebenswert unordentlich. Er fuhr über eine der hervorstehenden Strähnen, schob sie schüchtern nach hinten. Ich lächelte.

»Komm rein«, murmelte er, sichtlich überfordert.
»Jani, stimmt's?«, fragte ich zur Sicherheit nach.

Seinen Namen auszusprechen hatte etwas Wohltuendes an sich, es löste in mir ein rasendes Herzflimmern aus. Jani.

KörperkontaktWo Geschichten leben. Entdecke jetzt