2.

24 4 5
                                    

Wie benebelt starre ich ihn an und fühle mich als hätte ich einen großen Stein in meinem Magen, der mir mein atmen und stehen erschwert.

Er blickt mich lächelnd an und lehnt seinen Kopf schräg an.

„Ich bin hier um Steinplatten zu bestellen." , schießen mir die Worte wie aus einer Pistole heraus. Ich halte mir sofort meine Hand vor den Mund, als ich meine vertraute Stimme und doch zur gleichen Zeit so unbekannte Stimme höre.

Sowohl er als auch ich blicken verwundert drein. Er, weil er höchstwahrscheinlich nicht damit gerechnet hat, dass jemand beim Bestellen von Steinplatten seine Worte verschwendet, und ich, weil ich für gewöhnlich nicht einfach unnötig rede und alles überdenke.

Es war unkontrolliertes sprechen, so wie ich es vor Jahren als kleines Mädchen hatte. Meine Zunge hat die Worte einfach geformt ohne mich um Erlaubnis zu fragen und das macht mir Angst.

Es war schwer mir das als Kind abzugewöhnen. Ich darf nicht wieder in alte Muster verfallen. 

Am liebsten würde ich jetzt den Boden unter mir auseinander ziehen, reinschlüpfen und mich bis in meinem Tod verstecken. Seinen Blick deutend denkt er sich jetzt bestimmt, dass ich nicht richtig ticke.

„Welche Steinplatten willst du denn?", fragt er mich nach einer gefühlten Ewigkeit.

Seine Stimme klingt rau und kratzig und verleiht mir eine leichte Gänsehaut auf meinen Armen. Wahrscheinlich hat er seit ein paar Tagen oder Wochen nicht mehr geredet. Das kann man nie so ganz genau sagen.

Meine Augen weiten sich. Bei ihm war es definitiv gewolltes sprechen, denn er hatte eine Weile die Chance gehabt darüber nachzudenken.

Ich will ihm wieder antworten. Es macht Spaß zu reden und ich habe es viel zu lange nicht mehr getan.

Meine Eltern reden jeden Tag. Entweder führen sie gemeinsam Gespräche oder reden zu ihren Kindern, die dann mit Stift und Papier oder mit einem Nicken antworten müssen. Aber ich weiß, dass sie nur das Beste für uns wollen. Also tue ich das, was sie uns beigebracht haben. Nicht reden.

Ich atme tief ein und folge meinem Verstand und wiederstehe dem Drang meine Stimme zu benutzen. Ich hole mein Handy heraus und zeige ihm das Bild, welches mein Vater mir geschickt hat.

Meine Laune ist beim Tiefpunkt angelangt. Ich wollte so gerne mit ihm reden und hatte dieses unglaubliche Verlangen danach seine Stimme wieder zu hören.

Er nickt und tippt schnell auf der Tastatur herum. Auch wenn sein Outfit nicht als Arbeitskleidung durchgeht, sieht man sofort, dass er genau hier hingehört und weiß, was und wie er zu arbeiten hat.

Er berührt den Bildschirm mit seiner Hand und bewegt ihn ganz leicht in meine Richtung. Abrupt hört er allerdings auf und winkt mich zu sich.

Ich bin mir ganz sicher, dass er den Bildschirm hätte auch einfach zu mir drehen können aber ich tue was er mir sagt und gehe um die Theke zu ihm herum.

Als ich neben ihm stehen bleibe, steigt mir sein Geruch in die Nase. Er riecht nach gesägtem Holz und Benzin aber auch frischer Zitrone. Ich glaube, dass die Zitrone höchstwahrscheinlich vom Waschpulver kommt, weil kein Junge ein Zitronenparfüm auftragen- geschweige denn kaufen würde.

Auf dem Bildschirm sind mehrere Bilder von Steinplatten offen und er greift nach einem Schild, welches er mir vor mein Gesicht hält.

Welche?

Ich fange automatisch an zu grinsen, weil ich es amüsant finde, dass er extra Schilder für seine alltäglichen Fragen hat. Aber wenn man genauer dadrüber nachdenkt ist es viel professioneller als nur ein fragendes Gesicht aufzusetzen.

Überdenke deine WorteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt