Kapitel 1

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Der Flur ist befüllt mit Schülern. Alle, aber wirklich alle sehen mich an. Abschätzend, hasserfüllt, ausdruckslos. Schon seit Jahren geht das so. „Na! Hast du dir denn die Klamotten von der Mülltonne?", „Du bist dick. Du solltest mal weniger essen!", „Iiihh du stinkst!"

Wie jeden Tag schmerzt es mich diese Wörter zu hören, jedoch versuche ich so gut wie möglich nicht auf sie zu hören. Am besten geht das mit Kopfhören in den Ohren und den Blick auf den Fußboden gerichtet. So gehe ich nun an den abschätzenden Gesichtern meiner großartigen Mitschüler vorbei zu meinem Spind. Währe da nur nicht Mark mit seiner Clique, die vor meinem Ziel steht. Sie sind die Badboys der Schule und machen mich am meisten fertig.

„Na wen haben wir denn da? Die hässliche Streberin." Immer noch gilt mein Blick zum Boden. „Kann ich bitte da hin?", fragt eine zaghafte Stimme leise. Meine Stimme.

„Aber klar doch".

Sie weichen aus. Das gab es noch nie. Normalerweise beleidigen sie mich oder schlimmer noch sie fügen mir physischen Schmerz zu. Ich überlege ob es eine gute Idee sei den einen Schritt zu gehen und den Spind zu öffnen, doch da ist er schon offen.

Platsch!!!!

Eine kalte Flüssigkeit schwappt über mich. Die Schüler um uns lachen. Die bekam ich aber nicht mehr mit denn ich schlage die Spindtür zu und laufe in Richtung der Toiletten. Lehne mich mit beiden Händen an das Waschbecken. Zu ersten Mal an diesem Tag blicke ich in den Spiegel. Zu Hause hatte ich keine Lust dazu.

Ein 17-jähriges Mädchen mit grünen Augen und dunkelbraune Haare, voll mit Kaffee überdeckt.

Einen Moment lang beobachte ich mich.

Schrecklich denke ich mir. Ich sehe schrecklich aus. Schnell wasche ich mir die braune Flüssigkeit aus dem Gesicht und so gut wie möglich aus den Haaren. Mein schwarzer Pullover hat zum Glück nur einzelne Tropfen des Getränks abbekommen.

Somit spaziere ich wieder auf den Gang, um in die Klasse zu kommen. Ich war noch rechtzeitig dran. Erst als ich mich setzte erklang die Schulklingel.

Der Lehrer war noch nicht da. Wie immer eigentlich. Während alle sehnsüchtig auf Mr. Palm warten packe ich meine Sachen aus und fange an dem Bild weiter zu zeichnen, welches ich fast fertig habe. Es fehlen nur noch einige kleine Details. Mein Zeichenstift schwingt wie von selbst über das Blatt.

Nach etwa 5 Minuten wird die Tür geöffnet. Ich schaue kurz auf, sehe ein Mädchen etwa in meinem Alter. Die Zeichnung interessiert mich mehr, also gleitet mein Blick wieder hinab und automatisch höre ich nicht was Mr. Palm sagt.

Plötzlich lässt sich jemand recht neben mir auf den Stuhl fallen.

Ich erschrecke so stark aus meiner Zeichenwelt, dass ich den Stift fallen lasse und sie vor Schreck anblicke. „Sorry", meint das Mädchen. So schüchtern wie ich nun mal bin widme ich mich der Zeichnung, ohne etwas zu sagen.

Ein Mädchen mit langem Haar sitzt an einem Baum gelehnt. Auf ihrem Schoß ruht ein Kopf eines Wolfes. Doch jetzt ragt über dem Kopf ein dicker Strich, welcher entstanden ist, als ich den Stift vor Schreck fallen ließ.

Frustriert über das nun zerstörte Bild fahre ich mir durch die Haare. Schließe den Block und höre dem Unterricht zu.

Broken GirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt