1. Gray und Henry

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Grayson Theodore Wilborough III. hätte nie gedacht einmal hier zu stehen, hinter dem Barthresen seines eigenen Restaurants, wo er seinen Angestellten dabei zusehen konnte, wie sie ihren Job erledigten. Das Haus war voller Gäste und vor der Tür standen nochmal zwei duzend Leute die darauf warteten dass ein Tisch für sie frei wurde.

Im Sekundentakt stürzten seine Kellner in die Küche und eilten kurz darauf, mit den Armen voller warmer, leckerer und perfekt arrangierter Gerichte, wieder heraus um diese zu den Kunden zu bringen, die diese bestellt hatten.

Genauso regelmäßig suchte ihn jemand seines Personals auf, um ihm auszurichten dass die Kunden ihm ein Lob übermitteln wollten. Alles lief am Schnürchen und das Etablissement lief besser als er sich je hatte zu träumen wagen.

Aber statt glücklich zu sein, wie jeder andere erfolgreiche Gastronom wenn sein Geschäft schwarze Zahlen schrieb, tobte in ihm ein Sturm von verschiedenen Gefühlen. Darunter natürlich auch Freude, schließlich war sein Traum, von einem erfolgreichen Lokal, nun doch noch in Erfüllung gegangen. Gray verspürte aber auch Anspannung, weil er so einigen Leuten etwas beweisen musste, Unsicherheit, weil er nicht wusste wie lange er seinen anfänglichen Erfolg aufrecht erhalten konnte und Erschöpfung, weil er nun schon Stunden lang auf den Beinen war um sicher zu gehen dass nirgendwo Arbeit liegen blieb. All das war gepaart mit einem unwohlen Gefühl in seiner Magengrube, was daher ruhte, dass er wusste dass sein Vater irgendwo im Restaurant Spione positioniert haben musste.

Man konnte also behaupten, dass Gray im Moment mehr als nur einen Kampf in seinem Inneren ausfechtete. Nach Außen war er allerdings ruhig. Lediglich seine Augenbrauen hatte er in Argwohn zusammengezogen.

Der Großteil seiner Mitarbeiter dachte sich nichts weiter dabei, ihren neuen Chef so zu sehen. Sie wussten um seine gesellschaftliche Stellung und auch um die seines Vaters, außerdem hatte er jetzt ein Restaurant zu führen, ein gewisses Maß an geschäftlicher Kälte konnte also von ihm erwartet werden.

Nur einer in diesem Laden, wenn nicht sogar auf der ganzen Welt, wusste es besser. Henry, Grays ältester Freund. Er war Kellner in seinem Restaurant und beobachtete ihn schon seitdem er heute Morgen das Lokal aufgesperrt hatte. Was Henry dabei bemerkt hatte war, dass Gray nicht er selbst war. Er hatte kein einziges mal gelacht und klammerte sich schon seit Stunden an einem Klemmbrett fest, auf dem er einen präzisen Zeitplan für den Eröffnungstag entworfen hatte.

So angespannt hatte Henry Gray noch nie gesehen, aber der Kellner wartete bis kurz vor Ladenschluss, als nur noch wenige Gäste im Lokal waren und aßen, bis der er ihn darauf ansprach.

Gray war zu diesem Zeitpunkt in der Küche und beobachtete mit Adleraugen, die Arbeitsschritte seiner Köche und des Putzpersonals beim Aufräumen der Kochstellen.

Als Henry ihn fand, war der Restaurantbesitzer gerade dabei einer der Reinigungskräfte Angst einzujagen. "Setz' deine Ellbogen ein!", rief er, während die nervös wirkende Frau mit aller Kraft eines der Grillgitter schrubbte und er hinter ihr stand und über ihre Schulter alles beobachtete.

"Wenn das Gitter nicht aussieht wie neu wenn ich es später kontrolliere, dann ...", drängte er weiter, wurde aber dann unterbrochen durch Henry, der ihm eine Hand auf die Schulter legte und seinen Satz für ihn beendete: "wird er dich ganz lieb bitten das nächste mal besser darauf zu achten. Das wolltest du doch sagen, oder Gray?"

Gray drehte sich grummelnd zu seinem besten Freund und schien dabei einen Moment lang zu überlegen ob er nicht doch einen größeren Aufstand machen sollte, entschied sich aber dagegen.

"Mach einfach deine Arbeit", knurrte er der Reinigungskraft zu und verließ dann die Küche in Richtung Essbereich, wo die Tische sich allmählich leerten.

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