Whispering Waves

|01| Vitamin Sea

Unruhig sitze ich auf dem Bürostuhl und wippe mit meinem Fuß auf und ab, während mich der Geruch von neuen Möbeln einhüllt. Es fühlt sich immer noch nicht ganz real an, hier in meiner eigenen kleinen Tauchschule zu sitzen. Ich betrachte die leeren Stühle, die gleich zum aller ersten Mal besetzt werden würden. Mein Blick fliegt wie automatisch auf meine Armbanduhr – noch 20 Minuten bis zum Beginn meiner ersten Tauchstunde und ich bin kurz vorm Durchdrehen.

„Na, nervös?" Hayden schiebt sich durch die Tür herein und schüttelt den Kopf, als sie mich zusammengerollt am Tisch sitzen sieht. Meinen Gemütszustand als nervös zu beschreiben, ist eine glatte Untertreibung. Ich stehe kurz davor nach draußen zu rennen, ins Wasser zu hüpfen und mich in einer kleinen Unterwasserhöhle zu verstecken. Paradoxerweise kitzelt mir gleichzeitig die Vorfreude unter den Fingerspitzen. Manchmal verstehe ich mich selbst nicht.

Meine beste Freundin kommt auf mich zugeschlendert und nimmt auf dem Tisch vor mir Platz. „Du rockst das, okay? Du tauchst seit du deine Körperbewegungen unter Kontrolle hast. Wenn jemand Ahnung hat, dann du. Außerdem sieht der Laden hier Bombe aus." Sie lässt ihren Blick über die Wände wandern, die von schäumenden Wellen und einer atemberaubenden Unterwasserwelt geziert sind. Ich habe die letzten Tage durchgehend daran gearbeitet und unserer Inneneinrichtung nicht selten einen kleinen blauen Klecks verpasst, weil ich zu faul war jedes Mal die Hände zu waschen, wenn ich die Tauchschule verlassen habe. Ich bin darauf nicht unbedingt stolz gewesen, als ich damit beschäftig war, alles wieder zu sauber zu machen. Hayden hatte derweil diverse Poster und Plakate designet, die nun sowohl die Tauchschule, als auch die Küstenpromenade säumen. Wir haben wirklich gute Arbeit geleistet.

„Das ist aber nicht nur mein Verdienst, ohne deine Plakate würde es nur halb so gut aussehen." Ich lächelte sie dankbar an.

„Das habe ich doch gern gemacht. Wirklich. Außerdem kann ich neben meinem Studium nicht genug praktische Erfahrung sammeln. Ich sollte vielmehr dir danken, dass du mich gefragt hast." Ich beginne zu grinsen. Für einen Profi wäre ich viel zu arm. Außerdem kann ich mir keine besseren Poster vorstellen. Hayden hat wirklich einen fantastischen Job gemacht und ist mit ihrem Fotografie-Studium ja sogar fast ein Profi.

Sie ist es auch gewesen, die die grandiose Idee hatte, die Vorderseite des Gebäudes als Glasfront zu gestalten und somit einen idyllischen Blick auf den Ozean zu garantieren. Der Name der Schule, inklusive Ausleihe und kleinem Café stammt jedoch von mir – Vitamin Sea. Ich bin immer noch ein wenig stolz auf meinen kreativen Einfall.

Besagte Glasfront ermöglicht es mir nun auch, die ersten Personen vor dem Eingang zu erkennen. Sofort erhöht mein Herz sein Tempo und ich beobachte sie aufgeregt. „Soll ich schon raus gehen und mich ein bisschen mit ihnen unterhalten oder kommt das komisch?" Ich bin schon halb von meinem Stuhl aufgestanden, als Hayden antwortet: „Ja mach das. Zeig dich von deiner Schokoladenseite."

„Ich habe nur Schokoladenseiten", rufe ich ihr über die Schulter zu, als ich durch die Tür nach draußen verschwinde. Ein Mann und eine Frau, ich schätze sie auf Mitte 30, unterbrechen ihre Unterhaltung, als sie mich auf sie zugehen sehen. „Haben Sie für heute den Tauchkurs gebucht?" Ich lächele mein schönstes Lächeln.

„Oh ja. Das haben wir. Sind Sie die Assistentin?"

Mein Lächeln verliert an Strahlkraft. „Nein. Ich... ehm... Ich bin die Leiterin."

Die Augen der Braunhaarigen weiten sich erschrocken. „Entschuldigung. Das tut mir wirklich leid. Ich dachte nur... Naja, Sie sehen etwas jung aus, um Tauchkurse zu geben." Die Frau lächelt entschuldigend, während sich mein Herz dreht und windet. Man mag es mir vielleicht nicht ansehen, aber ich tauche jeden Tag seit ich vier Jahre alt bin und kann meinen Atem bis zu acht Minuten anhalten.