Kapitel 3

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Sonnenlicht küsste den jungen Mann wach und er öffnete widerwillig seine Augen. Lange hatte er mit Marie und Gisela auf seinem Bett gesessen, geredet und gelacht, aber nun war es still. Nicht einmal Vögel zwitscherten vor seinen Fenstern, dies wunderte ihn zwar, aber er machte sich nicht weiter einen Kopf drum. Es sträubte ihn sich aufzurichten, sich in seinen Morgenmantel zu pellen und sich hinter seinen Schreibtisch zu setzten. Langsam sickerten die Erinnerungen zurück in seinen Verstand. Er war sauer. Nicht auf eine Person, auf alle! An erster Stelle stand Gott, der ihn ausgesucht hatte in dieser Tragödie mitzuspielen, an zweiter Stelle befand sich gleichauf mit dem Tod, der Kaiser und zuletzt seine Mutter, die ihn gestern mehr oder minder verwirrt hatte. Rudolf hatte seinen Geschwistern nicht von der Gefühlvollen Unterhaltung erzählt, genauso wenig wie vom Tod persönlich. Vor ihm erschien eine Person, er sah nicht auf, die langsam auf und ab schritt. Der Prinz beachtete ihn nicht weiter, versuchte eher noch einen ungehaltenen Leserbrief zu verfassen.

„Ich finde wir zwei sollten rausgehen." Rudolf warf seinen Kopf ruckartig nach oben, so schnell dass einer seiner Wirbel knackte und er kurz Schwindel empfand. „Was tust du?", zischte er entrüstet. Der Tod stand, in Gestalt der schönen Frau aus dem Ballsaal, vor ihm. Seine Augen glimmten in der Morgensonne, genauso wie sein Haar. Jedoch war Rudolf mehr als nur verwirrt über seine Abneigung gegenüber dem weiblichen Körper seines längsten Freundes. „So gehe ich nicht mit dir vor die Tür.", stellte er also klar. „Aber wenn ich für den Rest der Welt unsichtbar bin stört es dich nicht?", fragte der Mann, der er nun wieder war. „Nett von dir.",fügte er noch hinzu. Er setzte sich auf den Rand des Schreibtisches, mit dem Rücken zum Prinzen und verschränkte die Arme vor der Brust. „So hecheln sie dir zumindest nicht alle hinterher Tod. Wenn sie dich so sehen könnten wären sie wahrscheinlich alle verzaubert. Als Frau bekommst du zumindest noch den Neid der Damen ab."

Rudolf faltete seinen Brief einmal und schob ihn in einen unscheinbaren Umschlag, vorsichtig tropfte er Wachs auf das Papier und drückte ein Fremdes Siegel auf das aushärtende Kerzenwachs. „War das Eifersucht die aus dir sprach?" Der Tod hatte sich zu ihm umgedreht, jedoch konnte man keine richtige Neugier erkennen, jedoch wusste Rudolf, das sie da sein musste. Der Prinz wog seine Antworten ab und entschied sich für die Wahrheit. „Ja, war es." Zufrieden nickte der Blonde und im nächsten Moment rutschte eine hübsche, blonde, Dame von seinem Schreibtisch. „Lass uns ihnen etwas zum reden geben." Sie hielt ihm den ausgestreckten Arm hin und lächelte voller Vorfreude.
Rudolf schüttelte entgeistert sein Haupt. „Wieso hat mir mein Schicksal dich aufgezwungen?" Der Brünette erhob sich, warf seinen Morgenmantel auf den Schreibtisch und knöpfte sein Hemd auf. „Machst du das immer so wenn Damenbesuch in deinen Gemächern steht? Sich einfach ausziehen?", fragte der Tod sarkastisch und erntete einen bedächtigen Blick. „Tust du?", fragte er doch überrascht. „Ich bin mir sicher, dass du das wüsstest. DU weißt doch sonst auch alles." „Du darfst nicht vergessen, dass ich kein abartiger Gaffer bin. Ich bin ein stiller Beobachter." So entging ihm auch nicht wie Rudolf amüsiert den Kopf schüttelte und sich auf sein Bett setzte um seine Hose auszuziehen. „Es ist das selbe." „Stört das wen?" Ein süffisantes Lächeln legte sich auf die vollen Lippen der zierlichen Frauengestalt. Es folgte keine Antwort.

Rudolf trat in seiner blauen Robe an sie heran und hielt ihr seinen Arm hin. „Ich kann nicht glauben, dass wir das tun.", brummte er leise und zog den Tod fest an sich. „Keine Spiele. Verstanden?" „Ich liebe es wenn du herrisch bist." Die sonst so kalten Augen funkelten, wie sie es in den letzten Monaten öfters getan hatten.


Rudolf führte die junge Dame in den Garten, vorbei an einigen Maiden und sie mussten sich sogar einmal verstecken, da der Gang in den der Prinz den Tod führte war nicht für aller Welt gedacht. Der blonde war dennoch schon des öfteren hier unten gewesen da er Rudolf hindurch gefolgt war. Nun schlenderten sie einen Kiesweg entlang, immer näher zum kleinen Wäldchen hin, der sich hinter dem Schloss befand. „Wie oft du dich dort versteckt hast und dich erst wieder gezeigt hattest wenn deine Mutter dich rufen ließ.", erzählte die blonde Frau und kicherte. Der Prinz rümpfte die Nase und sah zu ihr runter. „Du bist mir zu wieder. Diese...", er wurde unterbrochen. Gisela trat aus einem Busch heraus, in dem sie sich wohl versteckt hatte und sich nun Blätter vom Kleid klopfte.

Die Prinzessin räusperte sich. „Rudolf.", sagte sie. „Es wundert mich nicht, dass die Damen reiß aus nehmen." Der Tod änderte seine Position und harkte sich bei Rudolfs Schwester ein, die der hübschen Blondine ihren Arm angeboten hatte. „Du verstehst mich falsch. IHR versteht mich falsch." Der Thronfolger hielt dem Tod seine Hand hin. „Lass uns weiter gehen." „Was für eine schöne Idee mit deiner Schwester an meiner Seite weiter zu schreiten.", gab die hübsche Frau zu und verdrehte damit Rudolf die Worte im Mund. „Wer seid ihr, dass ihr euch traut mit dem Regentensohn so zu sprechen?", wollte die Älteste erfahren. „Telsa eure Hoheit." Rudolf biss auf seine Unterlippe und fing einen amüsierten Blick vom Tod ein, ehe dieser sich mit Gisela zum laufen ab wand und der Prinz den Damen hinterher schritt. Er verschränkte seine Arme hinter seinem Rücken und versuchte seine Miene zu bewahren. „Telsa? Welch ein seltener Name." „Es ist eine Kurzform von Elisabeth.", brummte Rudolf hinter ihnen, welcher anfing seine Entscheidung zu bereuen. „Euer Haar ist wunderschön. Ganz die Mutter.", schmeichelte der Tod der Prinzessin welche komischerweise entzückt schien. Hätte Rudolf sie mit ihrer Mutter verglichen, würde sie ihn durch den Wald jagen und dies mit Flinte und Korn.

„Ihr seid ganz bezaubernd Telsa. Lasst euch von meinem Bruder nicht ärgern. Steht ihr euch sehr nah?", frug Gisela neugierig. „Wir teilen alles.", antwortete der Tod. „Ha? Auch das Bett?", flüsterte sie dann zurück. Der Tod zeigte keine Schamröte, er lächelte sogar noch und warf einen kurzen, schüchtern aussehenden Blick, zu dem Kaisersohn.
„Wie aufregend!", rief die Prinzessin aus und wurde im nächsten Moment von ihren Kinder angerempelt. Gisela stützte sich auf den Tod und sie hatten Glück, dass die zierliche Blonde viel stärker war als sie aussah, sonst wäre die schwangere Frau gestürzt. „Herr GOTT!",rief sie aus und versuchte eines ihrer Kinder zu erwischen, aber diese rannten schnell und schreiend weg. „ Elisabeth! Georg! Wartet bis ich euch erwische!" Rudolf harkte sich bei seiner Schwester unter und stütze sie. „Gisela. Man soll den Namen Gottes nicht missbrauchen." Der Tod lachte laut auf, hielt sich dann aber eine Hand vor den Mund. „Entschuldigt. Du steckst voller Überraschungen Liebster.", sagte sie. „Es tut mir leid Telsa. So etwas sollte niemand aus dem Munde einer Prinzessin hören.", entschuldigte sich die brünette und strich über ihren Bauch. „Ich sollte nun etwas ruhen. Die Reise steckt in jedem Zipfel meines Körpers.", erklärte die junge Frau und ließ sich von den beiden zurück in ihre Gemächer bringen.



„Wo ist ihr Mann?", frug der Tod später und erschrecke Rudolf ungemein.
Vorhin, als sie Gisela allein gelassen hatten und zurück in die Gemächer des Prinzen gelaufen waren, war der Tod verschwunden. Nun saß er mit einem frechen Lächeln auf einer Fensterbank und blitze ihn mit Freude an. „Irgendwann bleibt mein armes Herz stehen und du wirst es nicht kommen sehen!", merkte der Mann aufbrausend an und faste sich an die Brust. „Ha." Ein Lustloses Lachen. „Ich werde wissen wenn es soweit ist. Ich werde nämlich nicht von deiner Seite weichen mein Kind. Und nun sag; Wo ist ihr Mann?", fragte der Blonde nun mit mehr Nachdruck.
„Er hat seine Ländereien, seine Mitarbeiter, seine Arbeit. Er kann nicht einfach so fahren." „Der Mann einer Prinzessin von Österreich-Ungarn kann nicht zu der Geburtstagsfeier des Thronfolgers kommen? Erzähl mir keine Lügen." Er richtete sich auf, sichtlich erbost. „Herr Gott. Ich weiß es nicht Tod. Mir ist es auch egal." Rudolf sah einmal erzürnt von seinen Papieren auf und dann sofort wieder zurück.

Eine weitere Stunde verging, der Tod war zwischendurch zwei mal verschwunden und wieder aufgetaucht, dass erste mal war er wieder auf der Fensterbank zu finden gewesen, aber das zweite mal hatte er sich auf den Rand des Schreibtisches gesetzt.
„Wieso interessiert es dich?", fragte ihn Rudolf, er lehnte sich zurück, da an Konzentration nicht zudenken war. „Weil es nur zu schade wäre wenn er bei der Geburt seines Sohnes nicht dabei sein würde." Der blonde sah auf seine, vor sich, ausgestreckte Hand und betrachtete seine Fingerspitzen wie sie sich langsam und geschmeidig zu seiner Faust zusammen zogen. „Qutasch.", lachte der Prinz nüchtern und rang dann nach Luft. „ Das würdest du nicht tun!", schrie er, sprang auf und ließ seine Handflächen auf den Tisch schnellen. Ein kurzer Schmerz durchzog seine Handfläche. Wut stand in seinem Gesicht geschrieben. Hass und ekel drückte gegen seine Brust.

Der Tod zuckte mit seinen Schultern, rutschte von der Tischkante und schritt auf die Tür zu. „Wir sollten uns beeilen, sonst verpassen wir das Schauspiel. " Ein lächeln umspielte seine Lippen, als er sich zu Rudolf umdrehte und ihn mit einer einladenden Handbewegung zu sich winkte. „Ich weiß nicht, was mich mehr anekelt. Dein Gebärden oder mein Verlangen dir an die Gurgel zu gehen!" Der junge Mann stieß sich von der Tischplatte ab und richtete sich auf. „Geh ohne mich. Ich mag das nicht mit ansehen.", erklärte er mit gefasster, ruhiger Stimme. In ihm drin wallte Übelkeit auf und auch Kopfschmerzen hämmerten gegen seine Schläfen. „Du opferst zu viel Herzblut in deine Arbeit Rudolf." Abwesend sah der Prinz auf den Tisch und erblickte erst jetzt das Rinnsal Blut, welches sich anfing in die Papierstapel zu saugen und auf den Boden zu tropfen. „Herr." Ein ungeheurer Schmerz brachte ihn fast zum aufschreien. Wieso hatte er nicht bemerkte, dass er sich den Füllhalter in die Handfläche gestoßen hatte? Schwankend setzte er sich in seinen Stuhl, atmete ein, hielt die Luft an, um griff den Füller und riss ihn aus seiner Hand. Ein markerschütternder Schrei hallte durch sein Zimmer und hallte von den Wänden wieder. Eilig wurden die Türen aufgerissen, Mägde und Soldaten stolperten hinein und erblickten den Prinzen, dessen Hand blutüberströmt war, an Ort und Stelle. „Gisela...", flüstere er und blickte der kleinen Menge entgegen. „Ich muss zu ihr." Ruckartig stand er auf, eine Magd erschrak als der schwere Stuhl rücklings auf den Parkett knallte. Der Tod stand stand stumm neben der Tür, wurde erst jetzt von einem Soldaten erblickt, dies schien ihn nicht zu wundern. Jedoch war Rudolf verwirrt, er dachte jeher, dass ihn niemand sehen konnte, aber er musste sich wohl getäuscht haben.

Der Prinz legte seinen Kopf schief, seine Augenbrauen hatte er zusammengezogen und schwankend klammerte er sich an der Tischkante fest. „Tat euch dieser Mann etwas?", fragte der Soldat, der einen Speer auf den Tod gerichtete hatte. Rudolf atmete einmal laut ein und aus, die Augen des Todes bohrten sich mit einer solchen Kälte in die seinen, dass er einen Schauer bekam. Wie gerne er ‚Ja', schreien wollte, aber das wäre unangebracht und nicht richtig. Oder doch? „Nehmt die Waffe runter. Er ist mein Gast und ein Guter Freund. Lasst von ihm ab.", befahl der Kronprinz und drückte sich schwach von seinem Pult ab. Er hielt seine Handfläche einer Magd hin, die mit einem Tuch zu ihm herangetreten war.
„Entschuldigen sie Herr.", sprach sie leise und drückte den blütenreinen Stoff auf die blutende Wunde. Er zuckte zusammen und biss auf seine Unterlippe. Der Tod trat um den Soldaten herum, sah ihn abfällig an und stellte sich neben den Prinzen.

„Ich sagte es euch doch; zu viel Herzblut." Eine Hand legte sich auf den Rücken des Prinzen und ein ermahnender Blick folgte. „Ihr seid ein Besserwisser.", brummte Rudolf. Am liebsten hätte er die Hand abgeschüttelt und dem blonden Todesengel einen Schlag verpasst. Jedoch erblickte er Mitgefühl im Blick des Todes. „Es geht schon. Danke.", brachte er der Magd entgegen, zog seine Hand zu sich und scheuchte alle samt mit einer Handbewegung aus dem Zimmer. Der Tod jedoch blieb neben ihm stehen. „Woher weißt du, dass du hier bleiben darfst?", fragte er ihn deswegen und wartete schon auf eine süffisante Antwort.
Jedoch bekam er keine, stattdessen sah der Tod ihn nur an. „Ich möchte mich nicht mir der streiten Rudolf." „Wieso machst du mich dann unaufhörlich wütend?"
„Bin es wirklich ich, der dich wütend macht oder ist es die Verbitterung in dir, die dir das Leben zur Hölle macht!?", flüsterte der schlanke Mann. Langsam trat er an Rudolf heran, eine zärtliche Berührung seiner Fingerspitzen an der Wange des Prinzen, ließen diesen erzittern. „Ich bin der Tod und alle Fürchten mich, aber du trotz mir. Entschuldige. Ich vergesse manchmal was Gefühle sind." Seine schlanken Finger umrahmten sein Gesicht, der Blonde kam immer näher und legte seine Stirn an die des jungen Mannes. „Sag doch bitte etwas.", flüsterte er so leise, dass Rudolf den Satz fast schon von den Lippen des anderen ablesen musste.
„Ich nehme deine Entschuldigung an. Jedoch sollte ich meine Wut nicht an dir auslassen, auch wenn du es manchmal verdient hast." Der Prinz erinnerte sich plötzlich an seine Schwester und drückte den Tod von sich. „Jedoch muss ich jetzt auf dich wütend sein, auch wenn es deine Bestimmung ist und du den Menschen die Liebsten raubst. Ich kann nicht unbewegt dabei zusehen wie du meinen Neffen mit nimmst." Er stieß mit einem Finger gegen die Brust des Todes, dieser lächelte verschmitzt. „Ich weiß nicht was daran so lustig sein kann. Du belächelst den tot als sei er allgegenw..." Rudolf hoch seine Hände gegen den Himmel. „Herr Gott. Jetzt möchte ich dem Tod schon erzählen, dass er sich wie der Sensenmann verhält.", murmelte der Brünette und strich sich dann über den Nasenrücken. „Gut. Vergessen wir es.", flüsterte er leise und schüttelte den Kopf.

„Meint Freund, du siehst blass aus. Möchtest du nicht lieber ein wenig ruhen?" „Nein!" Der Kronprinz trat um den größeren herum und öffnete seine Zimmertür. Schnell verließ er den Raum, schritt den Gang entlang, lief eine Treppe hinauf und klopfte schlussendlich an die Tür seiner älteren Schwester. „Ja? Wer ist da?", hörte man eine leise Stimme fragen. „Rudolf, ist hier." „Komm herein." Er drückte die Klinkte herunter und trat hinein. „Wie geht es dir?" Er stürzte schon fast in ihr Zimmer hinein und lief schnell zu ihrem Bett herüber. Gisela sah jedoch nicht zu ihm, ihr Blick lag auf einer Person hinter ihm und fragend drehte er sich um. Sein Freund, sein verdammter Freund, stand in der Tür und schloss sie leise. Seine Hand ruhte etwas länger auf der Klinke als nötig und er hatte sich auch etwas von den beiden abgewandt. „Wer ist das?", fragte Gisela leise und richtete sich auf. „Was machen sie hier?" Ihre Stimme klang aufgebracht, jedoch auch ängstlich. Rudolf wunderte sich nicht, dass sie ihn sah. Wenn ihr Kind wirklich krank war oder im sterben lag, musste sie ihn sehen. „Rudolf!", nun sprach die Hysterie aus ihr. „Rudolf!!"
Der Kronprinz blickte vom Tod zu seiner Schwester, schmerzhaft biss er auf seine Unterlippe, ballte seine Hände zu Fäusten und versuchte den stechenden Schmerz in seiner Hand zu verdrängen.



Langsam ließ er sich auf die Bettkante nieder, der Blonde erschien neben ihm und legte eine Hand auf seine Schulter. Beide sahen sie die Prinzessin an. „Du weißt wer ich bin.", erklärte der Tod mit eiskalter Stimme, unbemerkt von Gisela drückte er Rudolfs Schulter und ließ von ihm ab. Langsam trat er an die rechte Seite des Bettes und setzte sich. Die Brünette war von ihm weg gerutscht und hatte schützend ihre Hände auf ihren Bauch gelegt. „Du bist...", verständnislos sah sie hilfesuchend zu ihrem Bruder, der apart auf seine blutende Hand sah. „...der Tod.", antwortete er ihr jedoch. „Er ist der Tod. Er ist der Freund von dem ich dir als Kind erzählt habe, der Freund der in Wahrheit nie eine Einbildung war und seit her an meiner Seite ist.", sprach er mit gebrochener Stimme und sah ausdruckslos auf. „Gisela wir sind uns bereits begegnet. Ich war und bin Telsa.", erklärte er mit Zuckersüßer Stimme, wobei er seine schmale Hand ausstreckte und sie auf die der Prinzessin lege. „Ich fürchte, dass es deinem Kind nicht gut geht Gisela. Ich werde von ihm angezogen wie eine Motte vom Licht. Ich werde ihn dir nehmen müssen, sobald er geboren ist." Etwas polterte. Gisela schrak aus ihrer Starre auf, zog ihre Hand aus der anderen und schrie. Rudolf der einen Stuhl getreten hatte hielt sich die Ohren zu, wartete auf das aufschwingen der Tür und die herein stürmenden Menschen, aber es kam niemand. „Schrei so viel du magst. Vielleicht geht es dir danach besser.", erklärte der Blonde und richtete sich auf. Abschätzend sah er auf sie nieder, eine Sache die dem Prinzen kein Stück weit gefiel. Vor Wut schäumend trat er zu ihm heran, packte den Tod an seiner schwarzen Jacke und zog ihn zu sich. „Nimm mich, anstelle meines Neffen." Sein vor Wut verzogenes Gesicht wurde weicher und bald schien nur noch die Verzweiflung aus ihm zu sprechen. „Bitte."

Er bekam keine Antwort und das für eine längere Zeit. Der Tod war verschwunden, Rudolf wurde mit seiner Schwester zusammen zurück gelassen.

Diese hatte vor wenigen Stunden ihr Kind geboren. Gisela hatte den Besuch das Todes verdrängt, hatte kein Wort darüber je über ihre Lippen bringen können und sah Rudolf auch nicht mehr länger als nötig an. Der Prinz hatte sich in der letzten Wochen von seiner Familie abgegrenzt und wünschte keine Störungen. Meist saß er an seinem Schreibtisch, machte einen Ausritt oder Wanderte durch den Wald. Er sehnte sich nach einem Gesprächspartner, wobei er sehr sicher war sich nur ein Gespräch mit dem Tod zu wünschen. Der Prinz war ihm nicht böse und das machte ihn wütend und noch verzweifelter.


Rudolf hatte genug, er wollte weder auf seine Geburtstagsfeier, noch wollte er einen weiteren Atemzug tätigen, aber er kam um beides nicht umher und so nahm er anteilnahmslos an seiner eigenen Feier teil. „Rudolf. Welche eine Freude!", verkündete Cousin Wilhelm und schlug dem Prinzen dabei lachend auf den Rücken. Der Prinz verschüttete dabei einen großen Schluck Wein und sah diesem fast schon traurig nach. „Dreißig und noch zu haben mh? Heute Nacht werden wir das ändern!" Rudolf lachte ein trauriges und trockenes lachen. Er warf die Hand ab und schüttelte den Kopf. „Tut mir leid Wilhelm.", sagte er monoton, wand sich ihm aber noch einmal zu. „Glückwünsche für deinen neusten Wurf." „Wieso so zynisch?", fragte Edward mit einem hörbaren englischen Akzent. Er war ein weiterer Cousin von Rudolf und Prince of Wales. Der zukünftige Kaiser Österreichs, er bezweifelte dies stark zu werden, schüttelte seinen Kopf und holte einmal tief Luft. „Ich stehe etwas neben mir. Telsa, eine Freundin...ist noch nicht da und ich warte auf sie." „Achso?", fragte Edward. „Eine Freundin.", stellte Wilhelm fest und hob eine Augenbraue. „Telsa? Wer ist das?", erklang die neugierige Stimme von Marie und gleich drauf trat sie mit einer weiteren jungen Dame zu den Herrschaften. „Wir wissen selbst nicht von wem er spricht. Ist es die Dame vom Ball?", erkundigte sich der Prince of Wales. „Ich möchte nicht über sie reden. Ich möchte mit ihr reden. Also stört mich nicht weiter.", brummte Rudolf und strich sich durch seine braunen Haare. Er war unruhig und sein Blick glitt zu seiner älteren Schwester. Gerne hätte er sich zu Gisela gesellt und sich mit ihr über seinen neuen Neffen Konrad unterhalten, aber sie würdigte ihn keinen Blick mehr. Bei der Taufe Konrads war er zwar, er war auch eingeladen, aber er war nicht erwünscht gewesen. Dieser Tag, vor drei Tagen, hatte einen sehr fahlen Beigeschmack für den Prinzen. Der junge Konrad war gesund und lebte noch. Eigentlich sollte dies schon genug Information für Rudolf sein, aber er stellte sich dumm. Absichtlich.

„Sie scheinen nicht hier bei uns zu sein oder Eure Majestät?", sprach ihn jemand zurückhaltend an und riss ihn aus seinen Gedanken. „Bei uns?", er wand sich der Stimme zu. Eine wunderschöne, aufgeweckte und ehrlich dreinblickende junge Frau stand ihm gegenüber. Es war die junge Frau, die mit Marie zu ihnen heran getreten war. Rudolf musste sich kurz sammeln und versuchte sich dann an einem Lächeln. „Nein. Ich bin gewiss nicht hier." Er hielt ihr seine Hand hin, stellte mit der anderen sein Glas auf einen in der nähe stehenden Tisch ab und zog die ihm gereichte Hand an seine Lippen. Leicht verbeugte er sich, küsste die Hand und blickte dann zurück in ihre Augen. „Mary Vetsera.", antwortete sie ihm und lächelte ein zuckersüßes Lächeln. „Miss. Darf ich sie zu seinem Tanz einladen?", fragte Rudolf ohne seine Gedanken und Ideen zu hinterfragen. Und dann tanzten sie, nur sie zwei unter all den anderen, es war nicht wie mit dem Tod, aber es war ähnlich und fühlte sich sehr vertraut an. Um sie herum leuchteten die Kronleuchter, spielte die Musik liebliche Töne und die Menschen lebten ihr unbeschwertes Leben. Der Prinz sog dies alles in sich auf. Es wurde für ihn zuletzt doch noch ein recht angenehmer Abend.

Er hatte nicht mehr auf Telsa gewartet, sie aber aus der ferne gesehen. Ein seliges Lächeln lag auf ihren Lippen, sie tat auf beleidigt und faste sich spielerisch ans Herz. Rudolf meinte dies zumindest und er konnte sich auch irren. Bevor der Tanz zu ende war, war sie auch wieder verschwunden. Beim Essen jedoch war sein guter Freund kurz da gewesen und hatte sich etwas von seinem Teller genommen. Der Prinz hatte es registriert, geschmunzelt und ein leises „Danke.", geflüstert. Der Tod war nicht oft an seinen Geburtstagen anwesend, wieso auch, keiner sah ihn und so war dieser Moment ein selten schöner Augenblick gewesen.

Nachts, die Feierlichkeiten waren vorbei, war Rudolf alleine zu seinem Zimmer gelaufen. Auf dem halben Weg hin hatte ihn Marie noch begleitet, diese hatte er aber zu ihrem Zimmer geführt ehe er alleine weiter ging. Müde und angetrunken betrat er sein Zimmer, die Tür viel mit einem viel zu laut klingenden knartschen in die Angeln. Wahrscheinlich klang es nur für ihn so. Der Kronprinz hielt sich die Ohren zu und stolperte auf sein Bett zu. „Bist du hier?", fragte er in die Stille und nahm prüfend seine Hände von den Ohren. Ein paar Minuten lang stand er leise da, nur der Mond erhellte sein Zimmer spärlich, und blickte durch den Raum. Die prunkvoll verzierten Wände sahen fad aus, sein Schreibtisch wie ein undurchdringlicher schwarzer Fleck und sein weiß bezogenes Bett wie der Himmel auf Erden. Er entledigte sich seiner Uniform, sank auf das Bett und zog die Decke zitternd an sein Kinn. Es war mittlerweile wohl der zweiundzwanzigste August, aber er fror. Rudolf hätte dies wundern müssen, aber er schlief vorher ein.

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