Kapitel 1

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Ein Bein hatte er angewinkelt und auf die Tischplatte gestellt, das andere baumelte von der Tischkante.
Eine Hand hatte er hinter sich auf die Tischplatte gestemmt, um sich aufrecht halten zu können.
Die andere Hand lag auf dem hängenden Bein.
Auf seinen Lippen lag ein Lächeln, ein böses, verruchtes, verführerisches und dazu funkelten seine Augen mit Schalk.
"Rudolf." Der junge Kronprinz beachtete ihn nicht, mit aller Kraft versuchte er den Blick auf der Tür zu belassen.
"Rudolf, du musst das Gute darin sehen." Der Tod rutschte von seinem Platz, auf dem Schreibtisch des jungen Kindes und schritt zu einem der Fenster. Sachte und mit viel Gefühl schob er die Gardine beiseite, blickte auf den Hof hinunter und warf ein Lächeln zurück zu Rudolf.
Dieser kümmerte sich immer noch nicht um seinen einzigen Freund und so blickte der Tod wieder runter, nur um in die Augen von Elisabeth zu blicken.
"Tszh..." Er wich schnell zurück, schritt in die Mitte des Raumes und stieß fast mit dem Jungen zusammen, der immer noch ungerührt an Ort und stelle stand.

"Rudolf!"
Verzweiflung und Angst gab die Stimme der Kaiserin wieder, als sie die Tür des Zimmers aufstieß und kurz in ihrem Rahmen verharrte. "Verschwinde!", spuckte sie dem Mann in schwarz entgegen und trat an ihrem Sohn vorbei als wäre er nicht da. Der Junge hatte seine Position verändert, er sah nicht mehr zur Tür, er sah nun zu seiner Mutter auf und streckte eine Hand nach ihr aus.
Wie gerne hätte der Tod sie ergriffen, ihn zu sich gezogen und halt gegeben.
Aber zwischen ihnen stand eine Frau, eine Frau die er nicht verleugnen konnte, egal was er tat und getan hat, sie fiel nie und doch war sie dem Abgrund so nahe. "Sissi.", rief es vom Gang aus, Franz Joseph war ihr hinterher geeilt und betrat nun den Raum.

Kurz besah sich der Tod die Situation, schätze sie ein und verschwand; von jetzt auf gleich. "Mein Engel? Geht es dir gut?", fragte der Kaiser, ging an seinem Sohn vorbei und strich ihm abwesend über den Kopf. "Ja. Ich hatte nur etwas vergessen.", antwortete sie kühl, strafte ihre Schultern und drehte sich den beiden Herren zu. "Sei artig Rudolf. Lern, lese und übe." Ihre Stimme war schneidend wie eine Klinge und sie traf genau ins Herz des jungen Knaben. "Ja Mutter.", flüsterte er und senkte den Blick. Ein Schnaufen seiner Mutter war das einzige was er als Abschied bekam.

Keine Umarmung, keinen Kuss, keine aufmunternde Worte. Er wünschte sich an manchen Tagen fort zu sein, ganz weit weg, an einem Ort wo er tun und lassen konnte was er wollte. Schwindel erfasste ihn und er widerstand den drang sich an die Stirn zu fassen. "Hör auf das was man dir sagt Junge.", gab ihm sein Vater mit auf den Weg, ehe dieser den Raum verließ und die Flügeltür hinter sich schloss. Rudolf schluckte seinen Unmut runter, schüttelte den Kopf und eilte zu seinem Schreibtisch. Heiß-kalte Wellen fuhren über seinen Rücken und er krallte sich am Tisch fest.

Er hatte alles geplant, schon vor Wochen begann er mit dem horten verschiedener Lebensmittel die nicht schnell verderblich waren. Tage zuvor hatte er angemerkt nur noch warmen Tee trinken zu wollen und verlangte nach einer Flasche welche den Tee etwas warm hielt. Einen großen Rucksack versteckte er unter seinem Bett, der Tod hatte ihn eines Tages mitgebracht und mit einem Augenzwinkern hinterlassen.

Nun suchte der Kronprinz nach einem Brief, seinem Abschiedsbrief. Irgendwo musste er doch sein!? Verzweifelt durchwühlte er den sonst so ordentlichen Tisch und atmete erschrocken auf. Hatte eine der Mägde den schwarzen Umschlag gefunden und ihn mitgenommen, aber wieso gab es dann noch keinen Aufruhr. Vielleicht wollte sie auch, dass er verschwand. Wie angewurzelt stand er da und starrte auf die Tischplatte.

"Wieso hast du es so eilig? Möchtest du nicht die alleinige Herrschaft austesten? Irgendwann sollst doch du es sein, der dieses Irrenhaus leiten soll."
"Du hast ihn!" Rudolf wirbelte herum, was schlecht für seinen aufwallenden Schwindel war. "Ach, ihre ehrenwerte Hoheit redet wieder mit mir. Nett." Sein Mund verzog sich zu einem weiten Lächeln, die weißen Zähne blitzten auf und auch die Zunge, welche schnell über seine Lippen huschte, hatte der Junge gesehen. "Er gehört nicht dir.", erklärte Rudolf und baute sich vor dem Tod auf. Amüsiert wurde er von oben herab an gefunkelt. "Er nicht. DU aber schon. Am Ende gehört alles und jeder mir.", seine Stimme wechselte von verschmitzt zu bedrohlich und mit einer Hand hielt er den Brief hoch.

Noch wusste der Junge nicht was den blonden Mann zu ihm brachte und der Tod versuchte es auch lange hinaus zu zögern. Er war des Kindes einziger Freund, hatte sich an diese Rolle gewöhnt und wollte nicht die Fäden dazu verlieren, aber irgendwann musste der Schleier fallen.

"Ich werde es nicht zulassen. Du wirst nirgends hingehen.", stellte er fest, funkelte Rudolf noch einmal böse an und verschwand wieder. Der Umschlag, welcher zerknickt war, segelte auf den Boden. "Ich höre auf niemanden, auch nicht auf dich!", brüllte der Knabe ihm hinterher und hoffe das ihn niemand gehört hatte.


Stunden später lag der Junge Prinz mit den Armen von sich gestreckt, auf dem Bett und starrte die Decke an. Er hat seine Lebensmittel aus dem Ankleidezimmer holen wollen, aber sie waren verschimmelt. Er wollte den Tee vom Tablett nehmen, ihn in seine Tasche tun, aber er verbrannte sich. Kurz war er verwundert gewesen, aber ihn wunderte nun nichts mehr. Als letztes hatte er seine Tasche unterm Bett herziehen wollen, aber sie war weg, so wie sie gekommen war, ist ihr verschwinden ein Rätsel.

"Ich hasse dich." Er hörte ein amüsiertes schnauben, dann senkte sich das Bett auf einer Seite und im nächsten Moment lag der Tod neben ihm. Rudolf sah nachdenklich zu ihm und kurz wollte er Sorge in den Augen des anderen gesehen haben. "Du wirst es mir noch danken Rudolf." Der Junge schüttelte nur den Kopf, langsam rutschten seine blonden Locken in sein Gesicht und verdeckten seine Augen. Er war froh drum, da sich langsam salzige Seen in ihnen bildeten und eine Spur auf seinen Wangen hinterließen. "Sie haben mich allein gelassen." Nun schluchzte er doch in seiner Anwesenheit.

"Kein Grund zu weinen. Sei froh alleine zu sein, solange du es noch sein kannst." Die Worte des Tods sollten aufmunternd sein, aber sie vollbrachten das genaue Gegenteil. Rudolf fing bitterlich an zu weinen, drehte sich auf den Bauch und trocknete seine Tränen im Kissen. "Ich werde dich nie allein lassen Rudolf. Ich bleibe dir treu.", gab er ihm zu verstehen und legte eine Hand auf seinen Rücken.
Der Knabe, keine 10 Jahre alt, sah mit ernstem Blick zu ihm. Seine Augen waren auf ein Ziel aus, sein Verstand baute sicher schon Brücken zu seinem Ziel und wahrscheinlich so viele, dass der Tod sie nicht alle einreißen könnte.
"Meine Mutter kann dich sehen." "Ja? Meinst du? Manchmal denke ich sie hörte mich genau sowenig wie du es tust." Der ältere zog seine Hand zurück und verschränkte sie hinter seinem Kopf, sein Blick ging in Richtung Decke.

"Wer bist du?", fragte Rudolf nicht so neugierig wie sonst, eher verwirrt, und setzte sich auf. Er drückte das Kissen an sich, als wäre es dass einzige was ihn halten könnte. Wollte der Junge nach so langer Zeit doch wissen wer sein Freund war? Wollte er das? Der Tod konnte es nicht wissen, aber er wusste etwas anderes und sprach, mit einem kecken Lächeln, die Wahrheit aus."Der Tod." "Der Tod?!", stellte Rudolf verblüfft fest und rieb seine Ohren. "Du hast dich nicht verhört.", erklärte der Blonde ihm und lächelte. "Du bist der Tod." Stille folgte, in der sich Rudolf mit seinem Kopf auf dem Bauch vom Tod bettete und an die Decke starrte. "Der Tod.", flüsterte er erneut und ließ die Erkenntnis in jede Zelle seines Körpers fahren.

Rudolf hatte es gewusst, aber nie aussprechen wollen und nun hatte er die Gewissheit.
Dann umfing ihn die Dunkelheit und sein Kopf viel auf das Bett.

Um Rudolf herum war es warm, er fühlte sich erfühlt von einer Kraft die er zuvor noch nie gespürt hatte und am liebsten hatte er das Gefühl der Geborgenheit, welches ihn durchströmte.
Irgendetwas versuchte ihn jedoch aus dieser Ruhe zu reißen; klopfe, klingelte, rief und fasste anschließend an den Kopf den Knaben. Erschrocken und leicht desorientiert öffnete er die Augen, blinzelte kurz und schloss sie dann wieder.

"Fieber! Der junge Herr hat Fieber!", rief eine helle Stimme und man hörte eilige Schritte die den Raum betraten. "Holt Dr. Seeburger er ist bei der Erzherzogin." Die hellen Stimmen bereiteten ihm Kopfschmerzen, was war denn nur geschehen? Nach halt suchend griff er zitternd hinter seinen Kopf, aber der wärmende Körper war verschwunden. "Tod?", flüsterte Rudolf leise und schüttelte den Kopf. "Beruhigt euch junger Herr. Der Tod wird sie noch nicht mitnehmen.", flüsterte eine Zofe leise, strich ihm über den Kopf und hob ihn leicht an. "Lassen sie das.", zischte eine laute Stimme und mit schnellen Schritten trat der Neuankömmling an das Bett.

"Machen sie einen Kräutertee, mit viel Honig und machen sie ihn schön heiß.", orderte die Stimme an. "Nein. Keinen heißen Tee.", schrie Rudolf im Fieberwahn. Eine kühle Hand ergriff die, die immer noch hinter seinem Kopf gebettet war. Der Knabe seufzte auf und zog sie zu sich. "Gehen sie nun. Leise." Rascheln, leises flüstern und das schließen der Tür waren zu vernehmen. "Mama? Wo warst du?", murmelte das Kind und zog die Hand an seine Brust. Sie entglitt aber seinem schwachen Griff und stattdessen schoben sich Arme unter Kopf und Beine des Jungen. Vorsichtig wurde er etwas hochgehoben und wieder zurück auf das Bett gelegt.
Wieder übermannte ihn das wohlig warme Gefühl, als eine Decke wie ein Kokon um ihn geschlungen wurde und eine kühle Hand auf seinem Kopf ruhte.

Ein klagen kam über seine Lippen."Weißt du Mama." Er machte eine lange Pause und döste fast wieder in eine schummrige Traumwelt ab. "Mein Freund hat mir gesagt er sei der Tod." Ein Lächeln lag auf seinen Lippen. "Ich hab es dir doch gesagt." Wieder machte er eine Pause, atmete einmal schwer durch. "Ich bin nicht verrückt."
Die Flügeltür ging leise auf, jemand trug ein Tablett mit klapperndem Geschirr herein und stellte es neben Rudolf auf den Nachttisch. "Wo ist der Arzt hin?", flüsterte eine Stimme leise und als nächstes wurde eine Hand auf seine Stirn gelegt. Sie war warm, viel wärmer als die vorherige und Rudolf wunderte sich wann die kühlere Hand sich seiner Stirn entzogen hatte. Mit einem keuchen rollte er sich auf die Seite.
"Junger Herr. Ihr müsst etwas trinken.", sprach eine hohe Stimme sachte hinter ihm und brachte ihn dazu langsam seine Augen zu öffnen.
Was er erblickte machte ihn sprachlos.

Der Tod lag neben ihm, so wie er ihn zuletzt gesehen hatte, unbewegt und völlig entspannt. Sachte hob sich seine Brust und legte sich wieder. Die sonst so schelmisch, hinterhältigen Augen waren geschlossen, seine sinnlichen Lippen waren einen kleinen Spalt weit geöffnet und die Gesichtszüge waren entspannt. Nicht das Rudolf seinen Freund je angespannt oder verwirrt gesehen hätte. Er war immer die Ruhe in Person, bis auf die wenigen Momente in denen er nicht seinen Willen bekam.



"Tee. Ich möchte Tee.", sagte er mit kräftiger Stimme und sah kurz von seinem Schreibtisch hoch. Schnell ging die Tür auf, eine Magd trug eine Kanne herein und schüttete das Getränk in seine güldende Porzellantasse. So eilig wie sie eingetreten war, verschwand sie auch wieder, aber nicht ohne sich noch einmal zu verbeugen.
"Du hast mal eine ganze Zeit lang keinen Tee mehr getrunken.", stellte eine Stimme fest, die in Rudolfs Ohren fast schon Melodisch klang. "Kein Wunder. Ich hatte Jahre lang das Gefühl durch dieses Gesöff in meine Fieberträume zurück geworfen zu werden.", gab er, über sich selbst amüsiert, zurück. "Und das hat sich geändert?", fragte der Tod hämisch und ließ sich dem zukünftigen Kaiser gegenüber nieder.

Rudolf war älter geworden, zu einem stattlichen Mann heran gewachsen, auch wenn er in den Augen seines Vaters noch nicht bereit für irgendwas war, aber das hinderte den Mann nicht daran seinen eigenen Kopf durchsetzten zu wollen. Völlig in sich gekehrt kritzelte er etwas in ein Buch, welches mit schwarzem Leder ummantelt war.
"Möchtest du nicht mit mir reden.", fragte der Tod, wobei er sein gegenüber belustigt anfunkelte und seine Arme vor seiner Brust verschränkte. "Ich war doch schon so lange nicht mehr da.", fügte er noch oberflächig hinzu.
"Du warst letzte Woche mehrere Male zu Besuch.", gab der Brünette leise von sich, blickte kurz auf, sah ihn scharf nachdenkend an und schrieb dann weiter. "Du hast mich bemerkt und nichts gesagt?" Der Tod lehnte sich nach vorne, legte die Arme auf den Tisch und zog den Tintenfüller aus der Hand des Kindes; welches Rudolf in seinen Augen immer noch war. Nun hatte er die volle Aufmerksamkeit seines unfreiwilligen Gastgebers.
Mit zusammen gepressten Lippen und sturem Blick wurde der Tod bedacht, ehe Rudolf aufstand und zu einem der Fenster schritt. Langsam setzte er sich auf das Fensterbrett, lehnte sich an den Rahmen und zog ein Bein auf das Brett. Sein Kopf war dem Blonden abgewandt, aber er wusste dass der Tod ihm gefolgt war.

Insgeheim liebten die beiden das Spiel, welches sie beide so gut beherrschten. Löcher in die Luft starren, an komischen Orten sitzen, verrücktere Fragen stellen und schweigen. Wie angenehm die Ruhe war, die der Tod so gerne durchbrach. Eine Hand legte sich auf seinen Kopf und Finger glitten durch sein krauses Haar. Rudolf hielt sich zurück und lehnte sich nicht in die zärtliche Berührung seines Schicksals. "Wenn du nächstes mal Albträume hast, soll ich mich dann wieder zu dir legen?" Die Frage war Hohn für den Mann, der am Fenster saß, aber er konnte nicht anders als mit der Wahrheit zu antworten.
"Zieh mich an dich oder besser noch, mit dir." Kalt waren die wohl überlegten Worte, die noch eine andere Nachricht beinhaltete. "Noch nicht mein Kind.", säuselte der Tod, Rudolf in die Nacken und zog sich dann zurück.
"Ich muss wieder." "Du sagst doch sonst auch nie Tschüss." Rudolf warf ein Lächeln über seine Schulter, zu dem vermeintlich Anwesenden Tod, aber er war schon verschwunden.

Ein sachtes Klopfen an der Tür, verriet einen Ankömmling. "Herein." Rudolf war vom Fensterbrett gerutscht, stand nun mit verschränkten Händen, hinter seinem Rücken, vor dem Fenster und sah zu der Magd rüber, die den Raum betrat. Mit einem knicks begrüßte sie ihn und sah erst dann vom Boden auf. "Ihr Vater, der Herr Kaiser, wünscht ihre Anwesenheit auf dem Ball heute Abend." "Gewiss doch. Ich habe mich schon gefragt wann er die Nachricht überbringen lässt.", murmelte Rudolf zynisch zu sich selbst und rieb sich über den Nasenrücken. "Bringen sie mir meine Uniform, ich werde seine Einladung danken annehmen." Die Dame knickste erneut und verschwand, wohl bedacht das mitleidige Lächeln auf ihren Lippen zu verstecken.

Gestalten, die nicht falscher hätten sein können, glitten über das Paket des großen Spiegelsaales. In ihrer aller Mitte stand seine Mutter, wann sie zurück an den Hofe gekommen war, wusste er nicht, es interessierte ihn auch nicht mehr wo sie wann war und was sie dort tat. Vater wiederum geierte wie ein Vogel um seine schöne Frau herum und zuckte, bei ihren Abweisungen, nicht einmal mit der Wimper. Als würde er sich an diesem Katz- und Mausspiel ergötzen.

"Widerlich.", wisperte er leise und wand seinen Kopf von ihnen ab. Rudolf stand außerhalb, nah genug an den Herrschaften des Jagdvereins, um den Anschein zu erwecken, sich für dessen Gespräche zu begeistern, aber weit genug vom Geschehen entfernt.
Fast schon zögerlich zupfte jemand an seinem Arm, von dieser taktlosen Berührung abgelenkt, sah er einfach nur fragend zu der zierlichen Frau. Er schickte sich ganz und gar nicht für eine Frau, den Prinzen so anzufassen, ohne dass man sich kannte.
Die junge Frau, war etwas älter als er, auf seiner Augenhöhe und hatte bezaubernde Augen. Die sie mit einem gekonnten Wimpernschlag und einem charmanten Lächeln auf ihn gerichtet hatte.

"Möchten sie mit mir tanzen?", fragte Rudolf, fast schon schüchtern und lächelte verlegen, als die Dame amüsiert kicherte. Elegant und grazil legte sie ihre Hand in Rudolfs Handfläche, wann hatte er sie ihr hingehalten? Suchend Blickte er ihr noch einmal in die Augen, ehe er sie auf die Tanzfläche führte. "Diese Augen...", flüsterte er und zog eine Augenbraue hoch. Rasch zog sie sich zu ihm und lächelte einmal Keck, wobei ihre Augen mit Schalk aufblitzten und Rudolf einmal erschrocken Luft holte, aber nun musste er sein Miene wahren. Nicht oft führte er eine Frau auf die Tanzfläche und wenn er es tat lagen alle Augenpaare auf ihm, schließlich könnte die Dame in seinen Armen die neue Kaiserin von Österreich und Königin von Ungarn sein.

"Du wärst eine grässliche Kaiserin.", sprach er seinen Gedanken laut aus. "Und du solltest dein vorlautes Mundwerk besser unter Kontrolle haben.", neckte sie ihn. "Wieso bist du dir so sicher, dass ich es bin?", fragte sie neugierig und zog sich etwas näher an ihn. Ihr Walzer war ein Kampf und Rudolf musste aufpassen der Führende zu bleiben. "Ich kenne dich.", erklärte er und lächelte, er hatte, dass erste Mal das Gefühl den Tod zu kennen. Sie zuckte mit den Schultern, drehte ihren Kopf weg und lächelte verlegen. Für die Zuschauer musste es so aussehen, als hätte er etwas charmantes geflüstert und die junge Frau sein darüber nun verlegen, aber in Wahrheit war es wieder Hohn. "Wieso machst du das hier?" Das Paar drehte sich über die Fläche, ihre Schritte harmonierten, ihr Antlitz verzauberte die Damen in der ersten Reihe und ließ sie aufseufzen. Nie, nie hatte er so sinnlich mit irgendeiner Frau tanzen können. "Er traut sich doch sonst keiner mein Kleiner." Die Musik wurde leiser, das Stück war zu ende und der Tod wollte sich von Rudolf abwenden. "Ich möchte ein Antwort. Einmal eine ehrliche Antwort.", bat er ihn leise und blickte aus Rehaugen zu ihm.
"Sag mir einen Moment in dem ich dich angelogen habe und ich sage dir sofort die Wahrheit, mein Engel.", sagte er und strich spielerisch über die Finger von Rudolf.

"Nenn mich nicht so.", gab dieser enttäuscht zurück und ließ von ihr ab. Seine Hände fielen neben ihn und er deutete eine Verbeugung zum Abschied an. Er konnte die verachtenden, lüsternen und durchbohrenden Blicke auf sich und ihr spüren. Er war ein Narr solch ein schönes Mädchen von dannen ziehen zu lassen und wenn der Tod nicht gleich sofort den Saal verließ, hätte er innerhalb von Sekunden Anbeter um sich gescharrt. "Es ist der Name deiner Mutter- Engel.", antwortete der Tod keck und zwinkerte einmal. Wut wallte in Rudolf auf. Er hatte sie gerade so gut unter Kontrolle gehabt, hatte keinen Gedanken an das Verhältnis vom Tod zu seiner Mutter zugelassen, aber nun waren die Mauern am bröseln.
Wann hatte er überhaupt gedacht die Kontrolle über sein Leben zu haben?

Die Dame vor ihm war wunderschön, er musste sie noch einmal in sich verinnerlichen. Auch wenn die Wut in ihm anfing seine Blick zu verdunkeln. Dem brünetten kam es so vor als hätte er die zarte, zierliche Seite des Todes kennengelernt und wollte diesen Moment in sich aufnehme; ehe er mit schnellen Schritten den Saal durchkreuzte und ihn anschließend verließ. Mit einem knarren viel die große starre Tür hinter ihm zu, die Musik fing wieder an zu spielen, aber draußen war sie nur noch halb so laut. Gelächter und Gespräche vermischten sich mit der lieblichen Melodie.
Rudolf war allein, niemand war ihm gefolgt. Langsam fing er an den Gang entlang zulaufen, vorbei an Erkerfenstern, durch die das Mondlicht den Weg vor ihm erhellte. Er wollte nicht zurück auf sein Zimmer, er wollte eigentlich nirgendwohin, wo der Tod ihn finden konnte. So setzte er sich in einen der Erker, zog wieder ein Bein hoch auf die Bank, ließ das andere hängen und verschränkte die Arme vor der Brust. Hinter Rudolf öffnete sich erneut die große Tür zum Saal und er hörte eilige Schritte durch den Gang hallen.

Es waren die Schritte seiner Mutter und ihr folgte wer, nur musste er sich gar nicht mehr umdrehen um herauszufinden wer es war, da die beiden in einer hitzigen Diskussion steckten. "Wieso bist du so pikiert?", grollte die Stimme des Todes hinter ihr her. Die Nackenhaare des zukünftigen Kaisers sträubten sich, so hatte noch keiner gewagt mit seiner Mutter zu sprechen, zumindest wusste er von niemandem. "Ich hab dir doch gesagt das er mit mir tanzen wird.", sagte er dann noch mit einer Belanglosigkeit, die Rudolf einen Stich versetzte dessen Ursprungsort er sich nicht zu Träumen wagte. Die Schritte seiner Mutter kamen zu einem Abrupten halt, sie waren nur noch ein paar Meter von seinem Fenster entfernt. "DU hast mir auch gesagt, dass ihr euch nicht mehr seht. Lass von ihm ab, du brauchst ihn nicht! Nicht mehr als du mich willst."

Der Mann schloss die Augen, wieso hatte er den Saal verlassen und wieso war er nicht direkt auf sein Zimmer gegangen. Nun musste er sich den Beziehungsstreitigkeiten seiner Mutter und der dunklen Hoheit anhören. Nicht dass der Gedanke, dass der Tod der Liebhaber seiner Mutter war, ihn schon an den Rande der Verzweiflung brachte. "Das Spiel mit dir wird öde Sissi. Früher oder später werde ich von dir bekommen was mir gehört, ich habe die Fäden in der Hand und du wirst sie nicht zertrennen können." Aus dem Augenwinkel erblickte Rudolf auf einmal seine Mutter langsam, rückwärts vor dem Tod weg zuschreiten. Der junge Mann traute sich nicht einmal mehr Luft zu holen, als die Hand des Todes in sein Blickfeld schnellte und Blitz schnell versuche den Kopf seiner Mutter zu sich zu ziehen, aber sie wich aus. Ein Glück wich sie mit ihrem Blick und ihrem Kopf in Richtung Wand aus, so dass sie Rudolf nicht sah, jedoch traf sein Blick den des Todes.

Mit eiligen Schritten verließ die Kaiserin den Gang, ihren Sohn hatte sie nicht bemerkt und wundern wieso der Tod ihr nicht folgte, tat sie sich auch nicht.
Die Beiden, die über geblieben waren sahen sich tief in die Augen und gerade als Rudolf den Mut gefunden hatte etwas zu sagen stürmte sein Vater an ihm vorbei. Wahrscheinlich auf der suche nach seiner Frau, seinem Engel. "Rudolf!" Zumindest konnte sein Vater ihn aus dem Augenwinkel wahrnehmen. Der Prinz stand auf, mit einem verunsicherten Blick sah er zum Tod, der keine Anstalten machte zu verschwinden, trat dann etwas in den Gang und stellte sich zwischen Tod und seinem Vater. "Wie kannst du hier herumlungern! Da tanzt du einmal mit einer Frau..." Die Tirade ging weiter und Rudolf gab einmal einen erschrockenen Laut von sich, aber nicht wegen seinem Vater, eher wegen den zarten,bestimmenden Armen die sich um ihn schlangen und ihn an eine harte, warme Brust zogen.

"Ich brauche dich in meinen Armen.", murrte der Tod ihm in den Nacken und platzierte einen sachten Kuss auf der empfindlichen Haut in Rudolfs Nacken. "Was hat dir an ihr nicht gefallen Rudolf!" Sein Vater klang so, als hätte er sich wiederholen müssen und der Prinz schreckte aus seiner starre. "Mir hat nichts an ihr gefallen." Die Umarmung wurde stärker und der Tod murrte. "Und doch hat sie mich verzaubert.", gab er dann doch zu. "Ich wusste es.", flüsterte sein Freund und strich über Rudolfs Brust. Ehe sie tiefer oder irgendwo anders hin gleiten konnte, ergriff der Prinz die Möglichkeit und legte eine Hand auf seinen Bauch und damit auf die Hand des Todes. Der Tod hatte ihm im Griff, das bewies diese Situation zu gut. "Du bist hoffnungslos.", murmelte sein Vater und schüttelte den Kopf. "Geh auf dein Zimmer, schreib ihr einen Brief, keine andere hat dich je so angesehen. Nimm sie bevor du gar keine mehr bekommst." Die Brust an der Rudolf lehnte vibrierte unter dem schallenden Lachen des Todes. Er selber zuckte wegen dem lauten Ton zusammen und verwunderte seinen Vater. "Geh auf dein Zimmer.", orderte sein Vater noch, ehe er den Gang hinunter schritt und durch die Tür verschwand, durch die auch seine Frau geflohen war.

"Du hast meine Mutter belogen.", stellte Rudolf trocken fest. Seine Hand spielte mit den Fingern vom Tod. "Ihr schulde ich keine Rechenschaft.", antwortete der Blonde. "Dein Vater mag mich.", nuschelte er dem Prinzen ins Haar und bekam als Antwort ein seufzen. "Was ist los mit dir? DU bist doch sonst nicht so. Oder ist es heute soweit?" Er lehnte sich nun gänzlich zurück und legte seinen Kopf auf die Schulter des Todes, sodass sich ihre Blicke trafen. Der Tod suchte etwas in den Augen des anderen, fand es aber wohl nicht. "Nein es ist noch nicht soweit." Rudolf löste sich vom Tod, ging aber nicht weg, er drehte sich nur gänzlich zu ihm. "Was ist es dann?" Neugier trieb ihn an. "Du bist der älteste Freund den ich habe." Sachte strich der Tod über die Wange des Kindes vor ihm. "Darf ich da nicht mal sentimental werden?" "Ist das eine Frage?", flüsterte Rudolf. "Selbstgespräch.", wisperte der Tod und ließ seine Hand erneut über das Gesicht des Mannes gleiten. Mit Interesse verfolgte Rudolf die Augen das Todes, nicht oft erkannte man Gefühlsregungen in ihnen, meistens waren es Schalk, Hass oder Gleichgültigkeit.

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