„Aber Vater, ihr habt es mir versprochen!"
Ihr Vater seufzte und ließ sich in seinem braunen Ledersessel nieder.
„Ich weiß, mein Kind", begann er und rückte sein Monokel zurecht.
„Aber Zeiten ändern sich und...ich bin der Meinung, dass der richtige Zeitpunkt noch nicht gekommen ist."
„Wie bitte?!", entgegnete sie entrüstet.
Casimira merkte, wie er ihrem Blick auswich.
„Ihr habt mir versprochen, dass ihr mich an meinem 17. Geburtstag mit Philippe verheiraten werdet!", protestierte sich und klammerte sich vor Verzweiflung an den hölzernen Schreibtisch ihres Vaters. Wie konnte er nur?
„Wenn ich mich recht erinnere, wolltest du diese Verlobung noch weniger als er", fuhr er mahnend fort.
Da hatte er allerdings Recht.
Zugegebenermaßen hatte sie die Idee, Philippe von Aragnor zu ehelichen, als Kind noch abgeschreckt, aber dies war nun nicht mehr der Fall.
„Wie ihr wahrscheinlich wisst, Vater, sind Philippe und Ich uns...näher gekommen."
Er sah seine Tochter an, die Stirn besorgt gerunzelt.
Casimira beeilte sich, weiterzusprechen:
„Nicht so nah, Vater!"
Er nickte beruhigt und stand auf, um sich ein Glas aus der massiven Vitrine zu holen, die die Kopfseite des Raumes zierte.
Seine Tochter betrachtete seinen schmalen Rücken und fragte sich, wieso ihr nicht früher aufgefallen war, dass er sich verändert hatte. Der rundliche, fröhliche Herzog war zu einem abgemagerten und besorgten Vater geworden.
Sein Räuspern riss sie aus ihren Gedanken. Als sie sah, dass er zum Whiskey griff, schritt sie ein:
„Vater!"
Er hob nur beschwichtigend den Arm.
„Ich brauche diesen Whiskey."
Er sagte es mit so einer Ernsthaftigkeit, dass es ihr fast komisch vorkam. Als sie jedoch seine eingefallenen Wangen sah, blieb ihr das Lachen in der Kehle stecken. Wieso war es ihr nur nicht vorher aufgefallen?
Vermutlich, weil du so viel Zeit mit Philippe verbracht hast, sagte ihre innere Stimme und Scham zog sich über Casimiras Wangen. Sie hatte ihre Pflichten als Tochter in der letzten Zeit wirklich zu sehr vernachlässigt.
Der Herzog räusperte sich erneut, ihr Blick sprang direkt wieder auf seine Wangen. Er schien es nicht zu bemerken, denn er fuhr fort:
„Du bist inzwischen 17 Jahre alt, und damit alt genug für eine Ehe. Dennoch würde ich es bevorzugen, wenn du noch ein wenig warten würdest; wenn nicht für mich, dann für deine Schwestern."
Er nahm einen langen Schluck aus seinem Glas. Dann wendete er sich den Dokumenten auf seinem Schreibtisch zu.
„Aber das ist...ungerecht", wehrte sie sich schwach. Sie wusste dass die Diskussion beendet war, aber wollte es nicht wahrhaben. Sie konnte die Tränen nicht aufhalten, die ihr unter seinem mitleidigen Blick in die Augen schossen.
„Nicht weinen, Casimira, du sollst nicht weinen", versuchte er hilflos sie zu beruhigen.
„Er hat mir gesagt, dass er mich liebt", gestand sie, die Sicht vom Weinen verschwommen.
„Und ich liebe ihn auch", sagte sie mit einer solchen Inbrunst, dass ihr ganz warm wurde.
Unmittelbar dachte sie an die vielen Tage, die sie mit Philippe zusammen verbracht hatten. Oft waren sie am See gewesen, hatten Spaziergänge um Burg Aragnor unternommen, oder waren ausgeritten, er auf Marzipan und sie auf Noire.
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The Queens Secret
Historical FictionAls Tochter eines Herzogs ist Casimira von Antrean gewohnt, dass sie anders behandelt wird. Als ihre Familie jedoch einen alarmierenden Brief aus dem benachbarten Königreich erhält, ist es vorbei mit ihrem bekannten Leben und sie stürzt unfreiwilli...