Anstatt auf ihre Zimmer zu gehen, machte sie sich direkt auf den Weg in den Pferdestall. Der vertraute Geruch nach Leder und Heu empfang und beruhigte sie unmittelbar. Sie schritt die langen Gänge entlang, auf der Suche nach ihrem Pferd.
Noire, ihre schöne Rappstute, stand in der hintersten Box, wo sie gerade von einem Stalljungen gestriegelt wurde. Leise näherte sie sich, aber Noire bemerkte sie sofort. Freudig warf sie ihren Kopf hoch und wieherte.
Casimira lachte auf, als der Stalljunge erschrocken stolperte und der Länge nach umfiel. „Ich bin es doch nur Oskar", sagte sie und hielt sich den Bauch vor Lachen.
Realisation huschte über sein jungenhaftes Gesicht, gefolgt von Scham. Sofort war er wieder auf den Beinen.
„Es tut mir leid, Fräulein Casimira, ich habe Euch nicht kommen hören", entschuldigte er sich betreten. Sie winkte ab und lächelte ihn verständnisvoll an.
„Ein schöner Anblick war es allemal!"
Nun musste auch er lachen. Als sein Blick auf Noire fiel, sah er Casimira ungläubig an.
„Wollt Ihr um diese Uhrzeit noch Ausreiten?"
Bei seinen Worten traten seine Augen beinahe hervor und sie musste sich davon abhalten, zu kichern.
„Ja, mir ist gerade danach, verstehst du?", antwortete sie zuckersüß, wohlwissend dass sie erneut das Lieblingsthema der Bediensteten sein würde.
Er nickte gehorsam und musterte dann mein Kleid. Ohne dass er es aussprach, wusste sie was er sagen würde. Sie hob die Hand.
„Ich gehe mich rasch umziehen, bis dahin ist Noire fertig, verstanden?"
Irritiert von ihrem Ton blinzelte er sie einige Sekunden an, bis Bewegung in ihn kam. Er nickte ihr knapp zu und machte sich daran, Noire zu satteln.
Schnell rauschte Casimira in das Herrenhaus und zog ihr butterblumengelbes Tageskleid aus. Es hatte ihrer Mutter gehört, weshalb es ihr Lieblingskleid war. Sie sah aus dem Fenster ihres Turms auf die weiten Wälder des Herzogtums. Wenn sie jetzt los ritt, könnte sie es noch vor Mitternacht wieder nachhause schaffen.
Die Dunkelheit hatte bereits eingesetzt, aber es war nicht das erste Mal, dass sie nachts ausritt. Statt ihres Nachthemdes zog sie ihre dunkle Reitkleidung an, um nicht weiter aufzufallen und band ihre langen braunen Haare mit einer Schleife zusammen. Nun würden sie nicht im Weg sein und sie würde auch weniger auffallen.
Entschlossen sah sie sich ein letztes Mal im Spiegel an und machte sich dann auf den Weg nach unten. Ein schwaches Licht war unter der Tür ihres Vaters zu sehen, vermutlich las er gerade seine Nachtlektüre. Sie ließ die dritte Stufe von oben aus, von der sie dank jahrelanger Herumschleicherfahrung wusste, dass sie schrecklich laut war, und kam schließlich in der Eingangshalle an. Sie blieb einen Moment stehen um zu überlegen.
Würde sie durch den Hinterausgang gehen, würde sie vermutlich von Marga oder einer anderen Küchenangestellten gesehen werden, was sie unbedingt vermeiden wollte. Marga hatte in der Vergangenheit die Angewohnheit gezeigt, dem Herzog alles über Casimiras nächtlichen Ausflüge zu erzählen. Nicht unbedingt ideal, wenn man sich mit seinem Verlobten traf.
Sie überlegte weiter. Margas Kammer befand sich direkt neben der Küche; vielleicht könnte sie es durch den Angestelltenausgang probieren? Falls sie eine der Dienerinnen sehen würde, vermutlich Sonja, würden sie sie wortlos hinauslassen. Es war entschlossen.
Leise nutze sie die Treppe der Bediensteten anstelle der offiziellen und landete in ihrem abgenutzten Flur. Sie war hier einige Male gewesen, als sie kleiner war, aber nicht so oft, dass sie sich sehr gut auskannte. Sie versuchte ihr Glück und öffnete eine Tür. Verschlossen. Stattdessen hörte sie eine Stimme aus dem gegenüberliegenden Zimmer. Hastig ging sie weiter und versuchte die nächste Tür.
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The Queens Secret
Historical FictionAls Tochter eines Herzogs ist Casimira von Antrean gewohnt, dass sie anders behandelt wird. Als ihre Familie jedoch einen alarmierenden Brief aus dem benachbarten Königreich erhält, ist es vorbei mit ihrem bekannten Leben und sie stürzt unfreiwilli...