Prolog

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Fehler bitte nicht überlesen! Weißt mich auf sie hin, damit ich diese beheben kann.
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„Jess, komm mal her!" Genervt stöhnte ich auf. Gerade wollte ich mich auf mein Bett legen und entspannen, aber Luna macht mir mal wieder einen strich durch die Rechnung. Mit einem Seufzer setzte ich mich auf und schaute mir gelangweilt mein Zimmer an. 

Ich sollte mal wieder aufräumen.

Die violette Wand, die mal wieder gestrichen werden sollte, wurde von der frühen Sommersonne, die durch das Fenster in meinem Zimmer strahlte, erleuchtet und wirkte freundlicher als erwartet. 

Auf meinem weißen Schminktisch lagen verschiedene Utensilien verstreut und dünner Staub bedeckte alles. Nicht gerade Ladylike, aber ich hasste es sauber zu machen. Ich bin eben eine Chaotin und stehe dazu. Die benutzte Kleidung vom Vortag lag immer noch auf dem Boden; genau da, wo ich sie achtlos hin geschmissen habe. 

Wenn Luna das sieht, wird sie an die Decke fahren.

Langsam muss ich wohl meine Einstellung gegenüber Ordnung ändern. Schließlich will ich ja später, wenn ich endlich aus dieser Wohnung raus bin, nicht in einer verseuchten Bruchbude hausen.

Als ich von meinem Bett aufstand seufzte ich wieder. Gelangweilt lief ich auf meine Zimmertür, die mich von der Außenwelt abschnitt, zu. Gerade als ich eine Hand auf die Klinke abgelegt hatte und diese runterdrücken wollte, hielt mich mein Spiegelbild davon ab. Normalerweise sehe ich immer in den Spiegel, bevor ich mein Zimmer verlasse. Also, warum heute nicht? 

Prüfend beäugte ich mich von unten bis oben. Meine Strümpfe waren - wie immer - in einem neutralem schwarz gehalten, dafür sorgte aber meine rote Hose für Auffallen. Das war aber nicht besonders schwer, wenn man bedenkt, dass in einer Kleinstadt jeder mit nur einer winzigen Abnormalität sofort als Störenfried der gesitteten Gesellschaft abgestempelt wird. 

Aber was interessiert mich schon die Meinung der Nachbarn. Nur weil man sich anders kleidet, heißt das noch lange nicht, dass es jedem unterliegt, einen zu beurteilen. Manche Menschen müssen sich mal darum kümmern, den offenbar zu tief steckenden Stock aus dem Arsch zu ziehen. Aber bei manchen ist der einfach zu tief drin.

'Mama wäre stinksauer, wenn du so vor ihr reden würdest', höre ich Lunas belehrende Stimme in meinem Kopf. 

Kann sein, aber sie ist nicht mehr hier. Also, warum nicht etwas Spaß haben?

Jahrelang hat man mich nur bemitleidet. Armes kleines Mädchen. Der Vater verschwunden und die Mutter tot. So ein trauriges Schicksal. Blablabla

Ich kann so ein Gesülze nicht mehr hören. Ja, ich bin sozusagen eine Waise. Und? 

Ich habe noch beide Arme und Beine, eine intakte Lunge und ein gesundes Herz. Mir geht es gut und meinen Geschwistern auch. Warum versteht das keiner?

Jeder will einen in die Ecke stellen und einreden, dass man jetzt traurig sein muss. So erwartet das die Gesellschaft von dir. 

Luna sagt immer, dass unsere Mutter uns liebte und sie nur das Beste für uns wollte. Aber sein wir mal ehrlich. Wie liebevoll kann eine Alkoholikerin mit ihren Kindern umgehen? 

Die Nacht, in der sie gestorben ist, war sie mal wieder betrunken. Ich hatte einen Streit mit meiner Schwester - ich kann mich nicht mal daran erinnern um was es ging - und unsere Mutter hielt unsere Stimmen nicht mehr aus. Kurz darauf verließ sie die Wohnung mit einer Brandyflasche in der einen Hand und in der anderen ihre Autoschlüssel. Die Schreie ihres Sohnes muss sie wahrscheinlich überhört haben. 

Natürlich interessierte sie sich nicht für Erik. Warum auch? Er ähnelte schon mit seinen 5 Jahren unserem Vater sehr. Jedenfalls brabbelte sie davon, als sie eines Nachts sturzbetrunken in sein Zimmer stolperte, während meine große Schwester und ich ihm ein Schlaflied vorgesungen haben. 

Sie konnte ihn kaum noch ansehen, ohne angewidert ihren Kopf abzuwenden. 

So sehr hat unsere Mutter uns geliebt.

Obwohl sie es nicht verdient hatte, irgendeine Art von Mitleid von mir zu erhalten, weinte ich auf ihrer Beerdigung. Nicht, weil ich sie geliebt habe. Luna, der kleine Erik und ich, hatten nun niemanden mehr und ich dachte, dass man uns jetzt voneinander trennen würde. 

Trotz der Tatsache, dass wir relativ am Arsch waren, haben meine Geschwister etwas aus sich gemacht. Zugegeben, ich bin ziemlich stolz auf nicht-mehr-so-klein Erik und auf Kontrollfreak Luna. 

Obwohl meine Schwester mit 12 Jahren viel zu jung war, um auf ihre Geschwister acht zu geben, hatte sie sich tapfer um uns gekümmert. Sie wollte meinem kleinen Bruder und mir eine schöne Kindheit bieten und gab ihre dafür auf. 

Als wir drei ins Heim kamen, waren wir ein bunter Haufen. Ich mit meinen 7 Jahren, verspielten braunen Locken und fetter Zahnlücke, hielt das ganze Waisenhaus auf Trab. Ständig stellte ich mit Freunden Scheiße an und bekam auch dementsprechend meinen Ruf als kleiner Wirbelwind. Sehr zum Ärger meiner fürsorglichen Schwester. Sie war die Sorte Mensch, die alles richtig machen wollen und eine Niederlage nicht auf sich sitzen lassen. 

Ich denke, damit hat sie es auch geschafft, wenigstens Erik zu erziehen. 

Luna war stark und hat uns in den Hintern getreten, wenn wir am Aufgeben waren. 5 Jahre gab sie ihr Bestes und versuchte uns in die richtige Richtung zu schieben, doch ich kam langsam in die Pubertät und begann mich äußerlich und auch innerlich zu verändern. Das aufbrausende, immer lachende Mädchen, mit den verspielten braunen Zöpfen, die ihr fast bis zur Taille hingen, wurde kalt und abweisend. 

Früher hatte ich Freunde, aber die habe ich mit meinem Verhalten verschreckt.

Der Auslöser war wahrscheinlich Eriks und meine Adoption. Wir beide kamen zusammen in eine Familie. Das war keines Wegs normal und wir hätten glücklich sein müssen, aber das waren wir nicht.

Zu diesem Zeitpunkt war Luna bereits erwachsen und musste ihr eigenes Leben auf die Reihe kriegen, was sie auch schaffte. Aber als sie ging und sich mein Umfeld stark verändert hatte, wurde ich noch verkorkster. 

Erik mit seinen 11 Jahren, wollte einfach nur noch ein erfolgreiches Leben führen und tat alles ermögliche, um sein Ziel zu erreichen. Er verbrachte kaum noch Zeit draußen und saß mit Mathe und Physik Büchern vor der Nase in seinem Zimmer und lernte, wie ein Verrückter. 

Unsere Adoptivfamilie ließ ihn einfach machen, da sie sowieso viel mehr Probleme mit mir und meinem Verhalten hatten. 

Vor 11 Monaten, 3 Jahre nach unserer Adoption, hatte es Luna geschafft das Jugendamt zu überzeugen, dass sie ein geeigneter Vormund war. Sie studiert Jura und jobbt zeitgleich in einem Lebensmittelgeschäft, um uns übers Wasser zu halten. 

Der kleine Erik ist zwar immer noch der Jüngste von uns drein, aber jetzt überragte er Luna und mich mit einem halben Kopf, obwohl wir nicht mal klein sind. Ganz im Gegenteil. Die Größe hatten wir alle von unseren Eltern geerbt und darüber bin ich auch ganz froh. 

Wenn man sich als Mädchen durchsetzen und gelegentlich Respekt verschaffen will, ist es ganz hilfreich groß zu sein.

So hätte ich als kleines Mädchen nie gedacht.

Aber jetzt hat sich einiges geändert. Nicht nur mein liebenswürdiger Charakter, sondern auch meine langen braunen Haare sind verschwunden. 

Zufrieden betrachtete ich meinen silbernen Pixie cut, der bereits etwas ausgewachsen war und somit meine Naturhaarfarbe verriet. Doch das war mir relativ egal, so wie ziemlich alles. Es ließ mich sogar noch ein wenig mysteriöser wirken. Meine gepiercten Ohren gaben meinem Aussehen noch das gewisse Etwas. Perfekte Angriffsfläche für die Nachbarn.

Aber nicht nur über mein Aussehen kann man lästern, auch meine... nun ja... schulischen Aktivitäten sind beliebtes Gesprächsthema von Frau Inge, die nicht nur im Haus nebenan, sondern auch noch die Schulpsychologin meiner Schule ist.

Angefangen hat es nur mit ein paar harmlosen Sprüchen, die mich ständig in Schwierigkeiten gebracht haben. Es ging aber schnell auf Schlägereien über. Wie gesagt, Ladylike ist kein gutes Wort, um mich zu beschreiben. 

„Jess!" Lunas Stimme ließ mich zusammenzucken. Ich hatte ja total vergessen, dass sie was von mir wollte. Hastig öffnete ich die Tür und trat in den Flur der kleinen, aber feinen Wohnung.



Überarbeitet am 14.12.16

Badboy vs BadgirlWhere stories live. Discover now