Ist es nicht irgendwie unfair, dass die Menschen, die am meisten geben, am wenigsten zurückbekommen? Obwohl sie trotz ihrer Gutmütigkeit nur schlechte Erfahrungen und Erlebnisse sammeln? Das Leben ist doch total unfair, oder? Die Menschen sind undankbar, egoistisch, gewalttätig und gemein! Sie verschmutzen die Umwelt, machen ihre Mitmenschen so derartig fertig, bis diese sich das Leben nehmen, und das aller schlimmste: Keiner unternimmt etwas dagegen. Diese Welt in der wir leben ist einfach geprägt durch ganz viel Hass. Obwohl ich so ziemlich die Hoffnung aufgegeben habe, irgendeinen guten Menschen auf diesen Planeten zu finden, durfte ich dennoch einen überaus guten und liebevollen Menschen kennenlernen: Elena.
Ich heiße Matt. Ich lebe nun schon seit 17 Jahren mit meinen Eltern und meinen zwei kleinen Zwillingsschwestern in Atlanta. Wenn ich meinen Abschluss habe, möchte ich Medizin studieren. Naja, ob ich will, keine Ahnung, aber meine Mom hat mir gesagt, dass man als Arzt ganz viel Kohle verdienen würde. Dann war's sowieso klar, was ich später werden will. Als ich 15 war, bin ich von der Schule geflogen, weil ich beim Dealen erwischt wurde. Tja, ist halt blöd gelaufen, aber ich wurde dann ziemlich schnell an einer anderen Schule aufgenommen. Ach ja, hab ich überhaupt schon erwähnt, dass ich Krebs habe?
Kam das jetzt etwa ein bisschen unerwartet? Naja, um ehrlich zu sein war's für mich auch ziemlich unerwartet. Anfangs fiel es meiner Familie und mir ziemlich schwer damit umzugehen, aber soll ich traurig sein bis zum Tag an dem mich der Krebs zerstört? Für mich war's dann ganz schnell klar, dass ich mein Leben anfangen sollte zu genießen, weil niemand weiß wie viel Zeit mir noch verbleibt. Seit zwei Wochen bin ich stationär im Krankenhaus, weil ich die Chemos nicht so gut vertragen habe und immer zusammengebrochen bin. Ich finde es aber ganz nett hier. Man teilt einfach mit so vielen Leuten die gleiche Krankheit und hier lacht auch jeder über meine niveaulosen Flachwitze über den Krebs. Zu Hause durfte ich diese nie erzählen, weil meine Mutter dann immer zu weinen anfing.
Hier im Krankenhaus durfte ich Elena kennenlernen. Elena ist ein wirklich inspirierendes, lebensfrohes und unglaublich gutmütiges Mädchen. Nach all dem, was sie durchstehen musste, durch all das, was sie gehen musste, ist sie noch immer so stark und gutmütig.
Elena ist 16 Jahre alt und hat mit ihren Eltern und ihren älteren Bruder außerhalb der Stadt, unter wirklich grausamen Bedingungen, gelebt. Ihre Mom hatte keinen Job, weil ihr eine Ausbildung und ein Schulabschluss fehlte. Ihr Dad, einer der gefährlichsten Drogendealer der Stadt, hat ihre Mom dauernd verprügelt nachdem er komplett alkoholisiert und mit Drogen bis oben hin voll nach Hause kam. Ihr Dad hat eines Tages auf ihren Bruder mehrmals so fest eingeschlagen, dass er sich nicht mehr bewegt hat. Sie hat diesen grausamen Akt, der sich angefühlt hat wie eine Ewigkeit, beobachtet bis sie ihr Dad wortwörtlich ins Zimmer getreten hat. Sie hat mir erzählt, dass dies damals die schlimmste Nacht ihres Lebens war. Als sie damals am nächsten Tag aufwachte, war ihr Bruder fort. Sie weiß bis heute nicht, ob er lebt, oder ob ihr Dad ihn damals umbrachte. Sie war dennoch voller Hoffnung und gab auch nie ihren Willen zu leben auf. Sie hat nie den Gedanken daran verschwendet sterben zu wollen. Sie war eine echte Kämpferin.
Als sie 9 Jahre alt war, ist ihre Mom abgehauen. Sie hat Elena aber zurückgelassen. Sie hat Elena einfach alleine bei ihrem Dad zurückgelassen. Elen hat immer erzählt, wenn sie ihre Mutter wieder sehen kann, wird sie ihr verzeihen, weil sie es versteht, warum sie ging und sie aber zurückgelassen hat. Ich finde es so inspirierend, solche Wörter von einer 16-Jährigen zu hören, weil ich glaube nicht, dass ich nach all dem in irgendeiner Weise voller Hoffnung oder Lebensfreude wäre.
Mit 12 Jahren kam dann endlich die Rettung für sie: Das Jugendamt hat sie gefunden, aufgenommen und in eine Pflegefamilie gebracht. Sie bekam dort endlich die Liebe von ihren Pflegeeltern, die sie schon viel früher verdient hätte. Sie hat so lange gekämpft und es hat sich nach so langer, grausamer Zeit endlich gelohnt. Sie konnte dann auch eine Schule besuchen und entdeckte ihre große Leidenschaft zur Malerei. Sie war endlich glücklich. Alles schien so perfekt und endlich, endlich hat sich das Kämpfen gelohnt. Alles schien doch so perfekt und sie hat das verdient, was sie wirklich verdient hat.
Aber als sie 14 war, hat sich alles wieder gewendet: Diagnose Krebs.
Für Elen war klar, aufgeben gibt es nicht. Sie wird kämpfen, so wie sie es immer gemacht hat. Da ihr Körper sowieso schon so schwach war, hat sie die Chemo's noch weniger vertragen als ich. Man muss auch erwähnen, dass man den Krebs bei ihr viel zu spät entdeckt hat. Das war im Dezember letztes Jahr. Ein paar Tage vor Heilig Abend gaben die Ärzte ihr noch ungefähr 6 Monate zum Leben. Aber durch ihren Willen hat sie doch noch länger gelebt. Natürlich steckt da auch ganz viel Medizin dahinter, aber ich finde, wenn man den Kampf bereits im Kopf aufgegeben hat, kann es nicht lange dauern, bis auch der Körper aufgibt. Und das war ihre Stärke. Sie war eine Kämpferin.
Sie hat jeden einzelnen Tag, der ihr noch verblieb genossen. Jeden Atemzug, jeden Wimpernschlag und jeden Windzug, den sie auf der Haut verspürte, hat sie Tag für Tag genossen. Über das Sterben hat Elena nie geredet, sie wollte nie sterben. Es war egal wie traurig und verzweifelt sie war, sie hat nie aufgegeben. Nach ihrer leiblichen Mom hat sie fast jeden Tag gesucht. Sie wollte sie unbedingt sehen, denn sie wusste, dass ihre Mom ihr die Kraft geben kann, die sie dringend benötigte.
Das Leben ist nicht wie in Krebs-Filmen, wo es meist ein glückliches Ende gibt, nein, das Leben ist grausam und unfair!
Ihre letzten Worte, die sie zu mir sagte waren „Matt, hilf mir. Ich will noch nicht sterben."
Sie war eine Kämpferin. Sie hat den Kampf nie aufgegeben, aber sie hat ihn dennoch verloren.
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Diese Geschichte habe ich bereits 2017 geschrieben. Lasst mir doch gerne ein Feedback da! ☺️
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Eine Sammlung an Kurzgeschichten
Historia CortaWie der Titel schon sagt, wird das eine Sammlung an diversen Kurzgeschichten. Die Kurzgeschichten werden verschiedenste inhaltliche Themen behandeln.