-Hailee-
,,Ich halluziniere nicht", stritt Silver mit verschränkten Armen ab. Dann seufzte sie. ,,Du hast ja keine Ahnung, wie ich mich fühle. Ich war ja heute mit Jim auf dieser Party und dann..."
,,Moment mal", unterbrach ich sie. ,,Du machst dir also gar nicht mehr die Mühe, mich zu fragen, ob ich vielleicht mitkommen will? Nein, natürlich nicht, du hast ja jetzt Jim, da muss man doch nicht mehr seine beste Freundin fragen."
Das war genau das, weswegen ich nicht mit ihr persönlich sprechen wollte. Ich hatte nämlich schon geahnt, dass sie mich wieder auf Palme bringen würde.
Auf meine schnippische Bemerkung erwartete ich natürlich, dass eine ebenso schnippische zurückkam, doch dem war nicht so. Stattdessen warf sie ihren Kopf auf meinen Schoß und fing nun richtig an zu weinen.,,Ich weiß, ich bin ein schrecklicher Mensch und eine noch schrecklichere Freundin. Andauernd mache ich Fehler und bin nie bereit, aus ihnen zu lernen. Deswegen habe ich mich auch schon wieder mit Jim geschritten", brachte sie schluchzend hervor.
Und auf einmal war meine Wut verflogen und weichte Mitleid. ,,Nein, das bist du nicht. Jeder macht mal Fehler", entgegnete ich, während ich mütterlich über ihren Kopf strich.
Ob es die Wahrheit entsprach, stellte ich in diesem Moment nicht infrage. Ich sah nur, dass sie gerade verletzlich war und sie mich brauchte. Das war alles, was in diesem Moment für mich zählte.
Eine gute halbe Stunde musste wohl so vergangen sein, während ich meine Gedanken schweifen ließ. Was war auf dieser Party passiert? Wollte ich es überhaupt wissen? Wahrscheinlich hat sich Jim einfach wieder so wie immer verhalten: arrogant und streitsüchtig. Vielleicht hatte Silver dieses Mal nicht so schnell nachgegeben und deswegen hatten sie sich gestritten. Aber warum sagte Silver dann, dass alles ihre Schuld war? Wollte sie nicht, dass ich noch schlechter von Jim dachte oder steckte da mehr dahinter?
Wie dem auch sei, Jim war nicht gut für sie. Das wusste ich schon als wir ihn das erste Mal auf einer Kerwe sahen. Er stand mit seinen Jungs in einer düsteren Ecke und rauchte dort ich wollte gar nicht wissen was.
Silver schien zu denken, sie könnte so eine Sorte von Jungs zurechtbiegen, aber sie hätte es eigentlich besser wissen müssen. Solche Fälle waren hoffnungslos. Am besten wäre es, wenn ich sie von ihm ablenken.
,,Hey", brach ich die Stille, um ihre Aufmerk samkeit wieder zu erlangen. Sie drehte ihren Kopf wieder zu meinem Gesicht hin. „Lass uns das vergessen. Wie wär's wenn wir einfach so tun als würdest du ganz normal bei mir übernachten, einverstanden?"
Bei diesem Vorschlag hellte sich ihre Miene auf und sie nickte schnell. Also plünderte ich meinen Süßigkeiten-Bunker und besorgte uns kuschelige Decken.
Wir warfen uns wieder auf die plötzlich viel gemütlicher wirkende Couch und schauten uns mal wieder eine unserer absoluten Lieblingsserien an, die wir zwar schon fast auswenidg kannten, aber trotzdem immer wieder sehenswert war. Wir schafften nicht so viele Folgen wie bei einer normalen Übernachtung, aber es reichte, um Spannung zu lösen, die sich in letzter Zeit zwischen uns aufgebaut hatte. Es war fast wieder wie früher.
Auf einmal meinte sie nach einer echt guten Folge, dass sie jetzt müde wäre. Normalerweise wäre sie einfach währenddessen eingeschlafen, ohne etwas zu sagen. Aber wenn sie ungestört schlafen wollte, wollte ich dem nicht im Wege stehen.
Deswegen stand ich auf und schaltete den Fernseher aus. Dann richtete ich meinen Blick aus dem Fenster. Ich hatte gar nicht merkt, wie es hell geworden war. Aber die Morgensonne war nicht zu erkennen, da sie von Nebel verdeckt wurde, der so dicht war, dass man kaum zehn Meter weit etwas erkennen konnte. Kam es mir nur so vor oder wirkte der Nebel irgendwie violett?
Irgendwie fasziniert von diesem Anblick achtete ich immer noch auf den Himmel, als Silver mich schon sehr müde etwas murmelnd fragte: ,Sollte ich mich von Jim trennen?"
Darüber musste ich erstmal nachdenken.
Eigentlich würde jeder mit gesundem Menschenverstand ihr dazu raten und ich konnte ihn ja auch nicht leiden. Aber als beste Freundin wusste ich, dass ich Silver, wenn die beiden mal keinen Streit hatten, kaum so glücklich gesehen habe wie mit ihm zusammen.
„Nun ja.", begann ich immernoch ohne zu wissen, was ich antworten würde, da einige Sekunden schon verstrichen waren. Doch zum Glück wurde ich von einem gleichmäßigem Atmen und einem leisen Schnarchen unterbrochen. Die Antwort konnte wohl bis später warten.
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Restless
JugendliteraturHailee wollte eigentlich nur ihre Ruhe an einem Wochenende haben, an dem ihre Eltern nicht zuhause waren. Stattdessen musste sie sich um ihre wieder einmal betrunkene, beste Freundin kümmern, doch das war noch längst nicht alles. Sie konnte ja noch...