No Alpha without pack

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Es war unerträglich, diese Anspannung. Dieses Gefühl, die Kontrolle zu verlieren und sie niemals zurückerlangen zukönnen. Dieses Gefühl war ihr durchaus vertraut. Es begegnete ihr immer wieder wie ein alter Bekannter, dem man wohl oder übel die Hand reichen musste. Sie hasste dieses Gefühl, zweifelsohne. Doch da war etwas in ihr, dass dieses Gefühl brauchte, das stark wurde, wenn sie versuchte es zu unterdrücken und sie somit zwang, nicht nur gegen die Anspannung, sondern auch gegen sich selbst anzukämpfen. Doch dieser Teil von ihr spielte nur mit ihr, wenn er es an die Oberfläche ihres Bewusstseins geschafft hatte . Er kostete die Hilflosigkeit voll und ganz aus, als würde er wissen, dass er nicht lange die Oberhand behalten können würde. Aber in diesen Minuten, in diesen wenigen Augenblicken, in denen er die Kontrolle hatte, da war dieses Wesen in ihr stark. Stärker als all ihr Wille, als all ihre Kräfte, manchmal bewunderte sie es insgeheim dafür, weil es schien, als könne es allen Naturgewalten dieser Erde trotzen und würde aus jedem Kampf als Sieger hervorgehen. Doch diese Stärke, diese unendlich Kraft verschwand schnell wieder. Im Endeffekt hatte sie wieder das Zepter in der Hand und das Wesen zog sich tief in sie zurück. Bis auf dieses erste Mal...

Mitten in der Nacht war sie hochgeschreckt. Ein Gefühl durch tausend Höllen zu gehen durchzuckte ihren gesamten Körper, ihren Geist und ihre Seele. Sie spürte, dass sie nicht mehr die Herrin ihres Körpers war. Es war wieder da, stärker denn je und sie wusste, dass sie nichts tun konnte. Wie eine Zuschauerin in einem Theaterstück verfolgte sie jede Bewegung des Körpers, der einst der Ihre gewesen war. Der Schmerz kehrte so plötzlich zurück, dass sie aufbrüllte, zumindest hatte sie das vorgehabt, doch nur ein schmerzerfülltes Stöhnen kam über ihre Lippen. Es fühlte ihn auch, diesen Schmerz. Diese Qualen. Und es litt ebenso wie sie, doch es schwieg so gut es ging, um... sie zu schützen. Der Gedanke brannte sich förmlich in ihr Gedächtnis. Zwar hatte sie eine kleine Wohnung in einem abgeschiedenen Mietshaus am Waldrand, doch die Wände waren hauchdünn und die Nachbarn neugieriger als junge Kätzchen. Hätten sie jemanden schreien gehört, so wäre es nur eine Frage von Minuten gewesen, bis FBI und CIA, mehrere Militäreinheiten, Feuerwehr, Krankenwagen mit Notarzt und zur Sicherheit noch die Küstenwache und der Seuchenschutz angerückt wären. Sie wusste nicht, was dann passiert wäre, aber sie wusste, dass weder sie, noch das Wesen, ihren Körper im Moment so gut kontrollieren konnten, dass niemand verletzt worden wäre. Wieso beschützt es mich? Schoss es ihr durch den Kopf, da die Schmerzen aber größere Geschütze auffuhren, verwarf sie sämtliche Gedanken und konzentrierte sich nur darauf, wann die Qual endlich abbrach. In einer Pause, in der beide Beteiligten versuchten sich etwas zu erholen, ließ sie ihren Blick durch ihr Schlafzimmer wandern. Ihr Körper lag auf dem weichen Teppich in der Mitte des Raumes, weil dort keine Möglichkeit bestand, etwas zu zerstören oder sich zu verletzen. Ihr war schnell klargeworden, dass es von höchster Wichtigkeit war, dass ihr Körper viel Platz hatte. Spätestens als sie kurz in den großen Standspiegel an einer Wand ihres Zimmer blickte und erschauerte. Anstelle ihres ehr maskulin wirkenden, muskulösen Körpers, der von einem zu großen T-Shirt und gestreiften Shorts bedeckt wurde, lag auf dem Teppich vor ihrem Bett ein großes schwarzes Kneul. Da die Schmerzen schon länger verklungen waren, begutachtete sie ängstlich, aber doch fasziniert das Spiegelbild, dass scheinbar ihres war. Mittlerweile spührte sie eine unglaubliche Energie in ihrem Inneren, eine Kraft und Stärke, die sie nur allzugut kannte. Langsam und vorsichtig, immer darauf gefasst, dass ein eiserner Wille sie zurückhalten würde, hob sie den Kopf vom Boden und fixierte den Spiegel. Aus dem dunklen Haufen erhob sich majestätisch ein großer Kopf. Nicht der eines Menschen, nicht mal im Ansatz hatte dieser Schädel eine menschliche Form. Und wie auf ein geheimes Signal hin öffnete sie ihre Augen nun ganz und blickte in die zwei eisblauen Kristalle ihres Spiegelbildes. Überrascht zog das Wesen im Spiegel, ebenso wie sie ihren Kopf zurück. Leise kicherte sie, was der Spiegel allerdings mit einem leisen Hecheln quitierte, was sie stutzen ließ. Um der Sache auf den Grund zugehen erhob sie sich unsicher vom Boden und stand nun auf allen Vieren ihrem Spiegelbild gegenüber. Ihre Nase berührte die spiegelnde Oberfläche und somit die Schnauze eines großen Wolfes. Genau das war sie, genau so hatte sie das Wesen zurückgelassen. Und genau das war es auch, was sie dazu bewegte ängstlich zurückzuspringen, mit den Hinterläufen gegen ihr Bett zustoßen und gehetzt durchs Zimmer zu blicken. Als ihre Augen am geöffneten Fenster hängen blieben und sie sich mit den Vorderpfoten schon auf der Fensterbrett hieven wollte, wurde sie plötzlich von einer Stimme unterbrochen "Ich habe dich nicht zurückgelassen."

Seit dieser Nacht waren nun schon viele Monate ins Land gezogen. Seit damals war sie nicht mehr alleine gewesen. Denn ab da war Trace da. Trace war ihr innerer Wolf, sie hatte oft versucht an die Oberfläche zu kommen, war aber nie stark genug gewesen, außer dieses erste Mal. In den letzten Wochen und Monaten hatten sie viel zusammen erlebt, sich oft verwandelt und waren zu echten Freunden geworden. Der Winter hatte mittlerweile Einzug gehalten und die Temperaturen waren eisig wie noch nie. Mittlerweile wohnte sie alleine in dem kleinen Mehrfamilienhaus am Waldrand, alle waren fortgegangen oder verstorben und der Vermieter hatte das Haus aufgegeben, da sich wohl niemals wieder jemand davon überzeugen lassen würde hier zu wohnen und es sich nicht lohnen würde, das Haus nur wegen einem Mieter weiter zu unterhalten. Trace und ihr hatte das nichts ausgemacht, denn so hatten sie wenigstens ihre Ruhe. Doch seit einigen Tagen war ihre Wölfin ungewöhnlich nervös, was sonst eigentlich nie der Fall gewesen war. "Da ist noch einer von uns"

Dieser Satz hallte ihr immernoch durch den Kopf, als sich der rabenschwarze Wolf in das Schneetreiben hinausstürzte und wie ein Pfeil durch den Wald jagte. Trace lenkte ihren Körper unter den, von Schnee bedeckten Ästen der hohen Bäume hindurch. Geschickt wich sie jedem Hindernis aus, dass ihnen vor die Schnauze kam. Als der schwarze Wolf kurz vor dem Waldrand langsamer wurde und schließlich zwischen den letzten Bäumen zum Stehen kam, da nahm sie ihn plötzlich auch wahr, diesen unglaublich starken Geruch. Er war nicht unangenehm, sogar mehr beruhigend, aber er war anders. Nicht wie die Hunde, die in den Gassen der Stadt herumstreunten, nicht wie die Menschen, die diese Hunde ebenso bemitleideten wie verachteten. Es roch nicht wie die Rudel der wilden Wölfe, die ab und zu durch ihr Revier streiften. Dieser Geruch "Es riecht wie... wie wir" stellte sie, nach einigem Schweigen fest und der Wolf nickte zustimmen.

Nach einigen Minuten trat eine junge Frau,  in einen großen Mantel gehüllt, eine lederne Umhängetasche über der Schulter und das lange braune Haar notdürftig unter die Kapuze gestopft aus dem Schatten der Bäume. Ihre schweren Armeestiefel hinterließen tiefe Spuren im frischen Schnee, während sie ihre Schritte auf das Verlassen daliegende Anwesen, welches einst in aller Pracht die Landschaft verschönert haben musste, zulenkte. Trotz dem Schneetreiben um sie herum, ermöglichte es ihre Wölfin ihr, eine einigermaßen gute Sicht zu haben. Dennoch bemerkte sie seine Anwesenheit erst, als der übermäßig große Wolf ihr mit gefletschten Zähnen und laut knurrend gegenüberstand, was vermutlich ein seinem makellos schneeweißen Pelz lag, der ihn schon fast mit der Umgebung verschmelzen ließ. Ohne Scheu und dennoch langsam, um ihn nicht zu verschrecken näherte sich die junge Frau dem Tier und streckte ihm ihre Hand vor die Schnauze, was ihn überrascht den Kopf schräg legen ließ. "Schon gut, ich weiß, was du bist" sprach sie ruhig und ließ es zu, dass Trace das eisige Blau ihrer Augen zum Vorschein brachte.

"Ich bin wie du"

"Ich bin wie du"

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(1308 Wörter)

Wolfs-RudelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt