Belinda - kurz Belly - ist 22 Jahre alt und gefangen im Alltagstrott des Erwachsenwerdens.
Sie droht vor Langweile irgendwann mit 20 Katzen in einer 2-Zimmer-Wohnung alleine zu sterben, versteckt hinter Büchern und ihrer Abneigung gegen fremde Mensc...
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Wir landen in einem Rudower Hinterhof, fernab jedweder Zivilisation - oder besser gesagt fernab dem, was ich als Zivilisation bezeichne. Vor einer alten Lagerhalle stehen Menschen dicht gedrängt und tuscheln, während in der Halle Soundchecks gemacht werden und ab und an etwas davon nach draußen durchdringt. Es stinkt auf dem leeren Betriebsgelände nach Zigarettenrauch und verschüttetem Alkohol.
Egal wo man hinsieht, bietet sich einem der gleiche Anblick: Frauen und Männer mit Undercut, Piercings im Gesicht und sichtbare Tattoos an Armen und Beinen und manchmal auch im Gesicht - so viele, dass man sie beinahe gar nicht zählen kann.
Nina - die eigentlich nicht raucht, nur dann, wenn sie Party machen will oder ein nervenaufreibendes Gespräch mit unserem Chef hinter sich hat - schnorrt sich eine Zigarette und verwickelt die Geschlechter gemischte Gruppe gleich in ein Gespräch.
Ich versuche mich so gut wie es geht hinter ihr zu verstecken und ziehe den Reißverschluss meiner Jacke bis zum Anschlag nach oben, als ich bemerke, dass einer von den Typen auffällig auf meinen Busen starrt. Ich hasse es, wenn Männer einen nur darauf reduzieren.
Nina interviewt die Leute und will wissen, auf welche Band sie sich am meisten freuen und ob sie schon Mal auf so einem Newcomer-Konzert waren. Ich frage mich, ob Nina überhaupt eine von den Gruppen kennt, die heute Abend hier auftreten werden.
Eigentlich mag Nina keine Rockmusik, aber sie ist zu geizig um 50 Euro aufwärts für eine Konzertkarte zu bezahlen. Auch wenn sie den Künstler, der dann auf der Bühne steht, kennt und mag.
Deswegen geht Nina auf Newcomer-Konzerte. Die Karten sind günstig und Nina kann den ganzen Abend das tun, was sie am liebsten tut: Musik hören und Leute zu texten.
Ich sehe mich unauffällig um. Ich rede nicht gerne mit fremden Menschen und ich lerne auch nicht gerne neue Menschen kennen. Mein Bekanntenkreis ist groß genug und die sozialen Interaktionen reichen mir aus. Ich habe für jeden Fall jemanden an der Hand, der mir schnell und unkompliziert helfen kann und eine Handvoll kultivierter Menschen, mit denen man sich Mal zum Abendessen oder Buch-Austausch trifft. Und dann gibt es Nina, die weder hilfreich noch kultiviert ist. Aber sie hat sich selbst zu meiner Bekanntenliste hinzugefügt und weigert sich jetzt hartnäckig, wieder davon zu verschwinden. Vermutlich würde sie mich nicht mal dann in Ruhe lassen, wenn ich auswandere!
Als ich mich Ablenkung suchend, umdrehe, zieht eine Frau mit kupferroten Haaren sofort meine ganze Aufmerksamkeit auf sich. Ich weiß nicht warum, aber sie sticht zwischen den ganzen künstlichen Haarfarben irgendwie heraus. Sie grinst und verschmälert dabei ihre Augen, während sich ihre Nase kräuselt. Sie wirft auffallend ihre Haare über die Schulter zurück, bevor sie sie zu einem lockeren Pferdeschwanz zusammenbindet und sich anschließend von einem jungen Mann eine Zigarette reichen lässt.
Sie kommt mir bekannt vor und ich starre sie auffällig an, während ich überlege, wo ich sie schon einmal gesehen haben könnte.
Dann sagt sie "Fresse des Herren", was über die Gespräche und das Gelächter der anderen klar und deutlich bei mir ankommt und ich weiß sofort wer sie ist: Polina Meyer aus der Oberschule - oder Polly, wie sie immer genannt werden wollte, weil sie ihren Vornamen nicht mochte.