Hi, eine kleine Triggerwarnung vorweg: Wer mit Schicksalsschlägen, depressiven Phasen oder gar Suizid(gedanken) so seine Probleme/Erfahrungen hat, sollte sich das Lesen gut überlegen. Zwar ist das nicht das Hauptthema des Buchs, aber manche Passagen können dahingehend gedeutet werden. Ich will hier niemandem verscheuchen, freue mich über jeden Leser, aber nicht um jeden Preis. Bevor es euch zu viel wird, hört lieber auf mit Lesen.
Ansonsten kommen die Charaktere aus der DokuSoap "Auf Streife" und "Auf Streife - Die Spezialisten" gelegentlich vor. Nicht so oft wie geplant, ich schreib mal wieder viel detailierter als geplant, aber irgendwo wuseln sie hier rum. Die gehören natürlich nicht mir, ist halt eine Fanfiction.
Kritik gerne an mich, über Lob freu ich mich auch, man kennt das ja. Solange ihr sachlich und höflich bleibt, könnt ihr alles raushauen, was euch so auffällt, ich hab da ein dickes Fell. Darüber hinaus viel Spaß beim Lesen, das ist die Hauptsache. Es ist allerdings nur eine kleine Leseprobe. Die komplette Story ist auf Belletristica.com hochgeladen und kann dort kostenlos gelesen werden.
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Wie lange dauert es, sein Leben so richtig an die Wand zu fahren? Die Frage beschäftigt mich seit über drei Tagen. Früher habe ich immer geglaubt, dafür bräuchte es ein richtig kaputtes Elternhaus oder eine unfassbar asoziale Einstellung zum Leben. Heute liege ich hier auf meinem Bett und starre an die weiße Decke. Na ja, was heißt mein Bett? Und Weiß ist auch geraten. Ich sehe die Farbe nicht, aber ich weiß, dass sie da ist. Das Mondlicht, das durch die vergitterten Fenster fällt, lässt sie mich erahnen. JVA Ossendorf. Ich habe eine Menge Zeit, nachzudenken.
Müde quäle ich mich auf die Seite. Meine Grübeleien sind nicht das Einzige, das mich wach hält. Das Abendessen liegt mir schwer im Magen. Nichts gegen den Koch, eigentlich ist es sogar ganz in Ordnung, mal was anderes als Nudeln mit Ketchup, aber neben der Tatsache, dass mein Appetit unter der heimelige Einrichtung leidet, fühlt es sich heute an, als hätte es Glasscherben gegeben. Vielleicht hat auch irgendjemand ins Essen gerotzt, keine Ahnung. Ich ziehe die Beine näher zu mir heran, woraufhin das Ziehen und Stechen endlich abflaut. Erschöpft schließe ich die Augen und lasse mich ins kalte Kissen sinken. Weitere zehn Minuten Ruhe, um mir Gedanken darüber zu machen, wie ich hier gelandet bin.
In einer Sache will ich überhaupt nicht diskutieren: Ich hab es selbst verbockt. Und wenn man am Ende des Satzes "Ich habe es verbockt" im Knast sitzt, hat man es wirklich richtig verbockt. Wenn ich in der Zeit zurückgehe, dann war es einfach nicht intelligent, die Briefe des Justizwesens zu ignorieren. Das meinte auch der Sozialarbeiter, mit dem ich gestern hier reden musste. Hinterher ist man immer schlauer. Klar, ich hatte Stress mit meinen Kollegen auf der Arbeit, mein Schneiderstift-Gehalt war auch einfach zu gering, um mal eben fünfzehn Tagessätze á fünfzehn Euro zu latzen, aber alles wäre besser gewesen, statt den Kopf einzuziehen und abzuwarten.
Ich habe keine Ahnung, was ich mir dabei gedacht habe. Vielleicht, dass meine Akte von irgendeinem Schreibtisch rutscht, woraufhin sie nie wieder geöffnet wird. Ganz sicher habe ich das sogar gedacht, aber ganz sicher war mir damals auch schon irgendwie bewusst, dass das niemals passieren wird.
Ein fieses Stechen zieht durch meinen Bauch. Ich stöhne gequält auf. Die zehn Minuten sind noch lange nicht rum! Aber was bleibt mir anderes übrig? Ich drehe mich auf den Bauch, was eine grunsätzlich miese Idee zu sein scheint. Auf der anderen Seite gehts dann wieder halbwegs. Es grummelt.
Wäre ich so gestrickt, dass ich mir keine naiven Hoffnungen machen würde, dann hätte ich mich auch vor einem halben Jahr deutlich cleverer angestellt. Irgendwas muss man schließlich tun, um zu einer Geldstrafe verurteilt zu werden. In meinem Fall hab ich nach der Arbeit bei meinem Freund ein Tütchen mit Haschisch abgeholt, das seinem Mitbewohner gehörte. Ich sollte es auf eine Party mitnehmen. Das Zeug ist nicht so mein Fall, vor allem nicht, wenn ich ohnehin schon Stress hab - und da die meisten das nehmen, um runter zu kommen, für mich irgendwie ungeeignet.
Aber ich rede anderen nicht in ihren Kram rein, also hab ich mal Fünfe gerade sein lassen. Beim Straßenbahnticket übrigens auch, denn für ein Monatsticket reicht mein Gehalt nicht und das Einzelticket ist der reinste Wucher. Was aber passiert, wenn man beim Schwarzfahren erwischt wird und feststellt, dass man den Perso in der Hose vergessen hat, die zuhause liegt? Richtig, Polizei, Feststellung der Identität und damit verbunden eine Durchsuchung. Mit über fünfzehn Gramm Haschisch in der Hosentasche eine unglaublich miese Kombination. Diese Zahl Fünfzehn verfolgt mich durch diese ganze Scheiße.
Nach dem ersten Schreck hat es eine ganze Weile gedauert, bis wieder was passiert ist. Für fünfzehn Gramm geht niemand in U-Haft. Man kriegt Post. Wochen später. Für einen Gerichtstermin, der weitere Wochen später ist. Und dann erfährt man, wie tief genau man den Kopf nicht mehr hängen lassen darf.
In meinem Fall sieben Tage. Sieben lange Tage, die ich hier verbringen muss. Meine Rücklagen reichen gerade so weit, dass ich die übrigen acht Hafttage abbezahlen kann, sprich, meine Tagessätze latze. Ich habe dann zwar keine Ahnung, wie ich den Rest des Monats über die Runden komme, aber zur Not muss ich meinen Chef um einen Vorschuss anhauen. Das heißt, falls ich den Job behalte. Seit ich meinem Chef gebeichtet habe, wo ich bin und dass er mich diese Woche garantiert nicht auf der Arbeit sehen wird, herrscht Funkstille. Ein weiteres Ding, das mir gehörig auf den Magen schlägt.
Immerhin habe ich drei Tage schon rum, aber ehrlich gesagt, sind die Tage hier drin gar nicht mein Problem. Ich hab eine Scheißangst, was danach wird. Wenn mein Chef mir kündigt, kann ich meine Wohnung garantiert nicht mehr halten. Ich knapse jetzt schon rum, wo es nur geht. Mein Gehalt stocke ich über die Argentur für Arbeit auf, denn mit dreihundert Euro im Monat macht man keine großen Sprünge. Meine Eltern leben zwar, weigern sich aber, für ihre sechsundzwanzigjährige Tochter Unterhalt zu zahlen, was auch besser so ist, denn dann würd ich endgültig vor Scham im Boden versinken.
Zu den Bauchschmerzen kommt nun noch ein Brennen in den Augen, doch da weiß ich wengistens, woher es kommt. Ich beiße mir auf die zitternden Lippen.
Ich war so unglaublich stolz, als ich endlich die Ausbildungsstelle bekommen hatte. Mode ist eigentlich nicht so mein Ding, aber Nähen ist etwas, worin ich immer gut war. Meine Eltern haben nur gefragt, warum meine Noten nicht noch besser sein können, aber mit meiner Großmutter zu Schneidern, da habe ich die Anerkennung und die Förderung bekommen, die ich mir zuhause gewünscht hätte. Kein Wunder, dass ihr Tod mich völlig aus der Bahn geworfen hat. Zeitgleich zu dem Zeitpunkt, als ich die Schule abbrach, brachen meine Eltern mit mir. Vielleicht haben sie es sich inzwischen anders überlegt, aber ich habe keinen Kontakt zu ihnen gesucht. Keine Ahnung, ob sie wissen, wo ich bin und was ich gerade mache. Es ist mir auch herzlich egal.
Eine eigene Wohnung, ein Job, sogar eine Ausbildung. Ich hab es geschafft! Mich durchgeboxt. Sogar eine Beziehung hatte ich - bis mein Freund mir vor einer Woche erklärte, dass er keine Zukunft mehr in uns sieht. Keine Ahnung, in welchem Ratgeber er die Floskel gelesen hat, aber übersetzt bedeutet das in unserer Realität, dass er eine andere hat. Sie heißt Fabienne und ist Bürokauffrau. Tja, das ist wohl einfach die bessere Partie im Gegensatz zu mir. Kora Ottmann, sechsundzwanzig Jahre, Auszubildende in einer Schneiderei und derzeit Haftinsasse. Klingt schon ziemlich ungeil.
Man kann also ohne Übertreibung sagen: Auch ohne Klimakrise oder Finanzchaos bin ich ziemlich am Arsch.
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7 Tage Abwärts
FanfictionEine ziemlich dämliche Entscheidung führt Kora an einen Ort, an dem sie nicht einmal im Traum hätte landen wollen. Für sie steht alles auf dem Spiel, was sie sich in den letzten Jahren aufgebaut hat und es braucht nur sieben Tage und eine Dummheit...