Kapitel 3

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[Ungerechtigkeit kann man nicht immer ändern, man sollte zumindest aber niemals aufgeben es wenigstens zu versuchen, denn das Leben ist nicht nur ein einfaches Spiel, sondern ein Glücksspiel.]

"Tack...

tack...

tack...

tack..."

Genervt schlug ich meine Augen auf und fixierte meinen piepsenden Wecker mit einem müden Blick.

Seufzend und noch immer nicht ganz wach schwang ich meine Beine aus der warmen Umhüllung der dunkelroten Decke und setzte sie langsam auf den eiskalten Parkettboden.

Meine kleinen Füße mit den dunkelviolett lakierten Fußnägeln gaben einen wunderschönen Kontrast zu dem hellen Fußboden ab.

Vorsichtig stand ich auf und ging mit langsamen Schritten auf meinen kleinen Kleiderschrank zu.

Als er mit einen tiefen Knarren aufschwang, fiel mein Blick auf das grau und schwarz der Klamotten, die militärisch übereinander gestapelt dort in Reih und Glied hingen.

Meine Fingerspitzen streiften eine schwarze Hose und einen grauen Pullover und ich zog die beiden Sachen mit einem Ruck heraus, sodass der raue Stoff auf den hölzernen Boden fiel und dort in einem schwarz- grau Gemisch liegen blieb.

Schnell legte ich Beides auf meine Bettdecke und holte unauffällige Unterwäsche aus meinen Schubladen.

Hastig zog ich mir alles über und versteckte schließlich meine Hände in den kratzigen Taschen meines Pullovers, sodass man den blauen Verband nicht mehr sah und lief leise in das geräumige Bad nebenan, um mir meine Zähne zu putzen.

Als ich im Spiegel mein blasses Gesicht mit den ausdruckslosen Augen sah, wurde mir fast schon übel vor Abscheu. Es war lange her, seit ich das letzte Mal gestrahlt hatte, zu lange.

Schnell drehte ich den Wasserhahn des kleinen Waschbeckens auf und schaufelte mir mit meinen Händen so lange warmes Wasser ins Gesicht, bis meine Haut anfing zu brennen.

Nachdem ich mein nasses Gesicht abgetrocktet hatte, griff ich zu meiner Zanhbürste, die neben dem runden Spiegel lag, der schon bessere Zeiten gesehen hatte.

Der Pfefferminzgeschmack breitete sich langsam in meinem Mund aus und die Zahnbürste, die brutal über mein Zahnfleisch scheuerte, hinterließ einen leicht Blutgeschmack in meinem Mund.
"Lina? Kommst du, das Essen steht schon auf dem Tisch!" Ich spülte schnell meinen Mund mit kaltem Wasser aus und rief die lange Wendeltreppe herunter: "Ja Mama, ich komme sofort."

Es war wie in einem schlechten Film. Wir taten beide so, als wären wir eine normale Familie, ohne Probleme. Eine normale Familie ohne Vater.

Es war ein Spiel.
Ein Spiel, in dem man gewann, indem man nichts unnormales tat. In dem man nichts, wirklich nichts hinterfrahlgte.

Und es funktionierte sogar.
Mutter und ich waren Profis in diesem Spiel und wir kannten die Spielregeln in und auswendig.

Eilig schnappte ich mir meine abgenutzte Bürste und fuhr mir damit hastig durch mein zerknotetes hellbraune Haar. Splissig und ohne jeglichen Glanz hingen sie hinab.

Das war mir auch nicht wichtig, viel mehr die Tatsache, wegen der ich, anstatt meiner stattlich langen Haare nur noch kaputte, schulterlange Haare hatte.

Es war das Krankenhaus.
Wegen dem Unfall, weil die unteren Haarspitzen verschmort waren, musste ich einen Teil meiner Haare abgeben.

Und auch einen Teil von mir selbst.

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