Lächelnd sprang ich aus meinem Holzbett, welches, wie auch die dunklen Dielen, ein lautes ächzendes Geräusch von sich gab.
Schnell versuchte ich den haselnussfarbenden Mob auf meinem Kopf, den Mutter als mein Haar zu bezeichnen pflichtete, zumindest teilweise, in eine geordnete Form zu bringen, trug zum ersten Mal in meinem Leben etwas Schminke auf, die ich Annabel stibitzt hatte, und warf mich in mein wohl schönstes Kleid, dass ich besaß.
Auch die guten Lackschuhe, welche ich sonst nur trug, wenn wir mit Großmutter in die Kirche gingen, zog ich voller Vorfreude auf den heutigen Tag an.
Alles in allem fühlte ich mich hübsch, auch wenn mir meine Haut viel zu blass und meine Augen viel zu grünlich waren .
Lieber hätte ich so wie Anna und Vater hellblaue Augen gehabt, doch ich kam nach Mutter, ein schmutziges Grün mit viel grau.
Jedoch gab es nicht viel Gelegenheit mich selbst zu bemitleiden, da Hans schon die hochkam und wissen wollte, wo ich denn bliebe.
Augenrollend versuchte ich ihm zu erklären, dass 'eine Dame Zeit bräuche ', was er mit einem lauten Lachen quittierte und mich dann, so wie er nun einmal war, über die Schulter warf und mit mir die knarrenden Treppen hinunterlief.
Protest war zwecklos, das hatte ich schon früh gelernt, gerade bei meinem älteren Bruder versuchte ich es schon gar nicht mehr.
Das Frühstück war weitestgehend still, Vater laß die Zeitung, Mutter trank Kaffee oder kochte und Hans und ich lachten leise vor uns hin.
Heute jedoch war er anders, wehmütiger .
Kichernd stupste ich meinen großen Bruder an und flüsterte:,, sei nicht so, ich verspreche dir so oft es geht zu schreiben und zu den Feier- und Geburtstagen kommen wir ja auch zurück."
Zwar schien der blonde Lockenkopf etwas beruhigt aber trotzdem nahm er mich in den Arm und sagte , lauter als erwartet, :,, ich werde dich aber trotzdem vermissen, Kleines"
Mutter wurde just in diesem Moment ebenfalls sentimental und Annabel guckte verlegen zu Boden .
Selbst Vater legte die Zeitung bei Seite und legte seiner Frau die Hand auf die Schulter .
In diesem Moment blutete mein Herz doch ein wenig, trotzdem würde ich fahren, mit Vater in die Hauptstadt zu ziehen war eine fantastische Möglichkeit.
Ich würde die Schule besuchen können, sogar nachher zur Universität gehen und so viel Neues lernen.
Annabel war schon verlobt , für sie gab es also ohnehin nichts in der Hauptstadt und Hans, er hatte Vater versprochen für Mutter zu sorgen , sobald wir nach Berlin gingen .
Außerdem war ich immer Vaters Lieblingskind, auch wenn er es immer leugnen würde, wir wussten es alle.

Als wir direkt vor dem Zug standen wurde mir heiß und kalt zu gleich.
Der gigantische Zug mit dem schlichten Adler aus Silber ,auf der Seite spiegelte das gleißende Sonnenlicht und warf es direkt auf mein Gesicht, faszinierte mich.
,,Komm jetzt , Kleines , Vater wird ungeduldig ", rief Hans mir zu, ehe er mich noch einmal feste drückte und dann hinter der großen Gestalt meines Vaters herschickte.



                                                                          Herbst 1938

Regen prasselte unaufhörlich auf mich hinab.
Binnen weniger Minuten war meine gesamte Kleidung durchnässt und klebte lästigerweise an meinem Körper .
Noch dazu sorgte der ,nicht gerade warme, Wind dafür, dass mir immer wieder eiskalte Schauer den Rücken hinabjagten.
Und das Gefühl beobachtet zu werden, machte es nun wirklich nicht besser und die immer lauter werdenden Schritte hinter mir verstärken mein ungutes Gefühl um einiges.
Meine Bedenken ignorierend, lief ich schnell in die kleine Gasse links von mir und hoffte dort meine vermeintlichen Verfolger loszuwerden .
Dumm nur, dass es eine Sackgasse war.
Ehe ich mich versah packten mich jedoch zwei starke Hände an den Schultern und zogen meine eher schmale Figur in einen spärlich belichteten Saal.
Ein Klicken verriet mir, dass eine Tür verriegelt wurde und als ich mich einigermaßen sortiert hatte, bemerkte ich erst, dass ich auf dem schäbigen Holzboden einer riesigen Kneipe, in mitten von tanzenden und trinkenden Leuten, saß.
Ein wenig panisch wanderten meine Augen durch den Raum, bis diese ein bekanntes Gesicht ausfindig machten.

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