Einige Wochen später fand ich mich in dem Auto meines Vaters wieder. Hinter mir eine schnatternde Grete, die sich nahezu gezwungen sah, mit mir "schwarz weiß Gemälde", ihre Worte so ganz nebenbei, ein Kleid für diesen dämlichen Tanz zu suchen.
Die Räder standen kaum, da hatte die zierliche Frau, mit erschreckend viel Kraft, mich auch schon unsanft von dem Ledersitz gezerrt und lief, wohl bemerkt noch immer mit mir in ihrem Schraubstockgriff gefangen, die früher mal belebte Gasse entlang.
Es erschreckte mich, wie viele Läden, die ich noch vor wenigen Monaten betreten hatte, um mir dort allerlei Dinge zu besorgen, jetzt geschlossen, verwüstet oder beschmiert waren.
Die damals so bunten und wohlgefüllten Schaufenster waren leer, die ein oder anderen eingeschlagen und alle Inhalte waren dort oder lagen zerrissen und zerstört am staubbedeckten Boden.
Ich musste wohl unbewusst stehengeblieben sein, denn plötzlich legte sich eine weitere dürre Hand auf meinen Unterarm.
Erschrocken schaute ich in Gretes Gesicht, die mich voller Sorge musterte.
Schnell schüttelte ich den Kopf und wollte weitergehen, als sei nichts gewesen, dich scheinbar hatte ich da die Rechnung ohne meine Haushälterin gemacht.
Alarmierend leise raunte sie mir :,, zu viel Mitleid ist gefährlich Liebchen, selbst für jemanden wie dich", ins Ohr .
Ein wenig zu gekünstelt, meiner Meinung nach presste Grete eine Handfläche auf meine Stirn, als wolle sie testen, ob ich eventuell Fieber hatte, so wie es bei kleinen Kindern üblich war.
,,Fühlst du dich nickt gut ?!", sie war eine grässliche Schauspielerin, doch ich machte bei ihrem Schmierentheater mit.
,,Mir ist nur etwas schwummerig geworden", sagte ich nun auch, etwas lauter als beabsichtigt, doch die Leute um uns herum schienen uns dieses grottenschlechte Getue abzunehmen.
Was für Idioten...
Kurz wirkte sie, als dächte sie noch einmal nach ehe sie erneut ansetzte.
,, Insbesondere für jemanden wie dich...und nun komm, bevor noch wer Fragen stellen kann"
Diese Frau war ein verdammter Fuchs .Es schien, als habe die ältere Dame den kleinen Vorfall bereits wenige Augenblicke später verdrängt und war wieder ausschließlich auf die Mission Abendkleid fokussiert.
Reichlich desinteressiert lies ich mich allerdings doch durch die Läden schleifen und probierte ein oder zwei Kleider recht widerwillig an.
Eines war schöner als das nächste, doch keines war wirklich mein Stil.
Die einen waren einfach zu tief ausgeschnitten, hatten eine Farbe die ich nicht mochte, oder mir blass machte, zeigten zu viel meiner Figur oder waren schlichtweg einfach nicht für mich geschaffen.
Eigentlich passte mir das ja ganz gut, denn ohne Kleid konnte ich ja nicht auf diesen überaus dämlichen Tanzabend gehen.
Nachdem wir dann durch nahezu die gesamte Berliner Innenstadt gewandert waren, gab auch Grete endlich auf.
Kurz verabschiedete sie sich um noch ein wenig für das Abendessen einzukaufen, während ich mich in ein paar Gassen umsah und einen winzigen Laden in der wohl düstersten Ecke der ganzen Stadt entdeckte.
Ohne viel nachzudenken machte ich mich auf den Weg.
Der Laden wirkte altertümlich, mit einem kleinen Schaufenster, in welchem Ankleidepuppen standen, die mit Pelzen und Seide geschmückt waren.
Fasziniert trat ich in die eher spärlich belichtete Kammer ein.
Es roch nach alten Stoffen, Lavendel und Holz .
Die Luft war trocken und man konnte förmlich fühlen, wie der Staub in der angenehmen Wärme um mich herumtanzte.
Dieses kleine Lädchen hatte etwas magisches.
Aus einem von Spinnennetzen bedeckten Radio tönten leise Klänge, die dem ganzen diesen eher unheimlichen Schein nahm.
Zum wiederholten Male hatte ich mich in meinen Gedanken verloren, ließ ich meine Hand über die Stoffe und Kleider auf den Ständern gleiten.
Hinter dem Kassentresen stand eine schöne Frau in ihren Dreißigern.
Das pechschwarze Haar war streng zurückgekämmt und die vollen Lippen tief rot geschminkt .
Ihre honigfarbenen Augen huschten interessiert über meine Gestalt, ehe sich ein Lächeln auf ihr ebenmäßiges Gesicht schlich, welches mich beinahe zum aufkeuchen brachte.
Selten hatte ich eine so schöne Frau gesehen.
Ihre samtige Stimme zog meine Aufmerksamkeit auf sie, genauer ihren perfekten Mund .
,, Kann man Ihnen behilflich sein ?
Schnell blickte ich der Dame in die Augen und räusperte mich.
,,Nein...", antwortete ich aus Reflex, überdachte meine Aussage allerdings noch einmal und revidierte diese.
,, Ehm eigentlich bräuchte ich doch Hilfe, um ein Kleid zu finden... für eine Abendveranstaltung."
Lächelnd richtete sich die Schönheit auf, wobei sie doch einige Zentimeter größer war als ich.
,, Eher Edel und elegant, eng oder A-Linie, Seide oder Satin, pompös oder schlicht, viel oder wenig Ausschnitt, hell oder dunkel ?"
Etwas verwirrt antwortete ich auf jede einzelne Frage.
,, Elegant, A-Linie und etwas enger, Satin, schlicht, mittelmäßig, eher hellere Farben, denke ich." , gab ich einigermaßen selbstbewusst von mir.
Mit einigen wenigen Schritten war die Frau, dessen Namensschild Ich zufällig entdeckt hatte, in einer der Ecken verschwunden war und wenig später mit fast einem Dutzend Kleider wieder auftauchte.
Sofort schob Fräulein Margarethe Fitz mich mit dem ersten Stapel an Sachen hinter einen Ledervorhang mit Spiegel und Hocker hinter, was wohl als umkleide dienen sollte.
Das Kleid war schön.
Es war in einem Blau, ähnlich wie der Himmel in Italien, wenn wir im Sommer dort am Strand waren.
Direkt unterhalb der Brust war ein Band platziert, welches dem losen Stoff etwas Form verlieh, doch mir schmeichelte es nicht.
Meiner ohnehin schon kaum vorhandenen Taille tat es absolut keinen Gefallen.
Ein wenig enttäuscht trat ich aus der " Umkleide" um mich zu präsentieren.
Fräulein Fitz ließ ihren Blick einmal über mich wandern, schüttelte den Kopf, packte einige Kleider und sortierte sie mit in Falten gezogener Stirn aus.
Danach holte sie wieder neue Auswahlmöglichkeiten.
Ich konnte nicht genau sagen, wie viel Zeit vergangen war, doch es waren sicherlich mehrere Stunden, in denen ich ein Kleid nach dem nächsten anzog.

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Texte der Vergangenheit
Ficção Histórica1933-1945 Jeder weiß es , jeder kennt es. Das NS-Regiment . Mehr als 12 Jahre verbreitete eine gigantische Volksbewegung Angst und Schrecken . Und ganz oben eine Gruppierung, die wohl das größte Verbrechen der Geschichte begangen hat . Vorab , nich...