Kapitel 3

18 5 0
                                    

''Was soll ich denn jetzt tun?'', fragte Tamiel den etwas größeren Zachriel verzweifelt. ''Du willst meine Meinung hören?''fragte dieser. ''Meiner Meinung nach ist es viel zu gefährlich für dich!  Du bist nicht mal mit der Ausbildung fertig!''  ''Aber es ist Gottes Wille!'' ''Und er ließ dir Entscheidungsfreiheit!'' Das Gespräch wurde hitziger. "Aber ich habe so die Chance aufzusteigen! Ohne diesen Auftrag werde ich ewig zum unteren Teil des dritten Quartals gehören"  "Immer noch besser als zu sterben" Langsam wurde es Tamiel genug. Er probierte sich zu beruhigen und sagte dann: "Ich glaube, streiten bringt mich gerade nicht weiter"  "Da bin ich deiner Meinung", stimmte Zachriel zu. Schweigend gingen sie weiter die zur Zeit verlassene Straße entlang. Als sie am Schulgebäude angekommen waren, verabschiedete sich Zachriel mit den Worten: "Bis morgen. Wenn du noch Hilfe brauchst weißt du wo du mich findest" und verschwand um die nächste Ecke. Tamiel öffnete die doppelflügelige Tür und betrat den langen Flur. Nachdenklich ging er in Richtung seines Unterrichtsraumes. Sollte er den Auftrag annehmen oder nicht? Einerseits wäre es eine einzigartige Chance aufzusteigen, sich einen Namen vor Gott zu machen. Andererseits würde es gefährlich werden und er hatte keine Ahnung vom Kämpfen. Wenn er wenigstens ein paar Details zu seiner Aufgabe hätte. Fast wäre Tamiel an der Tür zum Klassenraum vorbeigelaufen. Gerade noch rechtzeitig merkte er es. Der junge Engel entschied sich dafür, sich am morgigen Tag zuerst ein paar Details zu dem Auftrag anzuhören und dann eine Entscheidung zu treffen. Aber vorerst musste er seine Gedanken auf den Unterricht konzentrieren. Er klopfte an die Tür und vernahm kurz darauf die ruhige Stimme Ezechiels die ihn anwies, herein zu kommen. Tamiel tat wie ihm geheißen und betrat den Raum. Wieder wendete sich alle Aufmerksamkeit ihm zu. Als er schnell versuchte, wieder an seinen Platz zu gelangen, wurde er von allen Seiten mit den Fragen seiner Mitschüler bedrängt. Doch jetzt wollte Tamiel nicht darüber sprechen. Er wollte sich nur von Ezechiels beruhigender Stimme in den Strom des Wissens ziehen lassen, doch das gelang nicht allzu gut. Selbst als der oberste Gelehrte die Schüler wieder beruhigt hatte konnte der junge Engel seine Gedanken nicht  von dem Auftrag wenden. Auch als der Unterricht vorbei war und er sich auf den Heimweg zu seiner kleinen Dreizimmerwohnung  machte kehrte seine Konzentration nicht zurück. Immer wieder musste er an Gott denken. Bis jetzt hatte Tamiel sich nie mit dem Schöpfer befasst, da er für ihn unerreichbar zu sein schien, doch nun schien er ganz nah zu sein, jeden Gedanken für sich beanspruchend. Wer war dieser Mann wirklich? Der Allmächtige? Gewiss nicht, wie konnte es sonst sein, dass noch immer Dämonen auf der Erde wandelten. Der Schöpfer? Vielleicht, aber von was? Der des Himmels, der Hölle, der Erde, oder gar von allem zusammen? Tamiel brummte der Kopf von all den Fragen, so dass er beinahe an dem Gebäude, in dem sich seine Wohnung befand, vorbeilief. "Verdammt, schon wieder!", fluchte er. Er entschied sich, sich nicht durch das enge Treppenhaus zu quälen, in dem seine Flügel sich nicht einmal halb ausbreiten konnten. Wozu hatte er sie denn auch. Der Luftweg war kürzer und angenehmer und als Tamiel sich abstieß und zuerst hoch in den Himmel schoss fühlte er sich endlich frei von den lästigen Gedanken. Er schaute in das tiefe Blau über ihm und fragte sich, ob sich wohl eine weitere Welt über dem Himmel befand. Und bald kamen auch die anderen Fragen wieder, weshalb Tamiel sich entschloss, endlich auf seinem kleinen Balkon zu landen. Seine Tür von dort in die Wohnung war stets nur angelehnt, Tamiel konnte ohne Probleme seine Wohnung betreten. Hinter dem Balkon lag eine Art Wohnzimmer. Es war weiß gestrichen und einfach möbeliert: an der von ihm aus rechten  Wand stand ein schmales Bücherregal das aussah, als würde es bald platzen, und in der Mitte des Raumes stand ein viereckiger Tisch aus Eichenholz an dem zwei Stühle standen. In der Wand gegenüber war die Wohnungstür eingelassen, während  sich in der linken Wand drei Durchgänge zu Schlafzimmer, Küche und Toilette befanden. Tamiel trat an das Bücherregal und durchsuchte es nach einem Buch, das ihn ablenken könnte. Er griff nach dem nächstbesten und setzte sich an den Tisch. Schon nach einer viertel Stunde lesen sah Tamiel ein, dass auch das Buch ihm nicht helfen konnte, weshalb er beschloss, ein bisschen zu schlafen. Er betrat den Schlafraum, in dem sich nur ein einfaches Bett und ein Nachttisch befanden, und legte sich auf die dünne Bettdecke. Er schloss die Augen und konzentrierte sich auf seine Atmung. Doch als er schon fast eingeschlafen war durchzuckte ihn ein Gedanke: Was, wenn er den Auftrag nicht annahm und Gott ihn nie wieder sprechen wollen würde? Würde er all die Fragen in seinem Kopf dann je beantwortet kriegen? Was, wenn sie ihn bis in alle Ewigkeit verfolgen würden? Nein, das durfte nicht sein! Er musste den Auftrag annehmen, in der Hoffnung, mehr Zeit zum Fragenstellen zu haben. Er musste einfach. Glücklich und mit ruhigem Gewissen, endlich eine Entscheidung getroffen zu haben, schlief Tamiel ein.


EngelsliebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt