5. Kapitel

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Ich wachte von zwei Dingen auf. Erst holte mich meine Blase aus dem Land der Träume und dann sorgten die Würgegeräusche neben mir dafür das ich auch ja wach blieb. Die gewohnte Prozedur begann. Ich drückte der immernoch eher schlafenden Helena den Eimer in die Hand, der provisorisch immer neben meinem Bett stand wenn sie mit mir feiern ging, zog die schon leicht vollgekotzte Decke von ihren Knien und trottete ins Bad. Mit halboffenen Augen zog ich den Bezug ab und stopfte ihn in die Waschmaschiene. Es war doch jedes Mal das Selbe.

Drei Stunden später, die Waschmaschiene lief das zweite mal und der Eimer beinhaltete einen Desinfektionssud, brachte ich Helena zur Bushaltestelle. Danach zog mich mein nun frisch bezogenes Bett irgendwie magisch an und ich konnte nichteinmal einen Gedanken an Gestern verschwenden, so schnell war ich schon wieder im Land der Träume.

Ich saß im Matheunterricht. Mein Blick ähnelte dem eines Zombies (Naja, eines geschminkten Zombies) und meine Klamotten machten den Eindruck als hätte ich heute Morgen blind in den Schrank gegriffen. Kurz überlegte ich ob es vielleicht noch besser käme, hätte ich heut Früh noch den Bus verpasst. "Sie wachte schlagartig auf, guckte erschrocken auf den Wecker der schon zehn nach Sieben anzeigte und hechtete panisch aus dem Bett. Ein leises 'Scheiße!' kam ihr über die Lippen während sie sich bei dem Versuch sich gleichzeitig anzuziehen, zu schminken und die Zähne zu putzen, die Zehe an der Badtür stieß..." ,,...und das wiederrum ergibt, Lorella?" Total aus meinem schönen Geschichtstraum gerissen starrte ich  erst die Mathelehrerin und dann die Tafel verwirrt an. ,,Null." antwortete ich und hoffte inständig, dass sie nach dem Grenzwert gefragt hatte. Zu meinem Glück nickte Frau Gnom und schrieb eine Kreidenull neben das weiße 'Istgleich' an der Tafel. Ich lächle müde und verabschiede mich gedanklich wieder vom Unterricht. Wo war ich noch mal stehen geblieben? Bei deiner langweiligen Geschichte! Ah ja. Und warum hab ich mir die nochmal ausgedacht? Weil du gucken wolltest wie dein Leben aussieht, für den Fall das du in Wirklichkeit in einer True-Man-Show beziehungsweise in einer True-Woman-Show bist und dich andere Menschen im Fernsehen anschauen. Ach ja, richtig! Findest du nicht das es ziemlich bekloppt ist mit sich selbst einen gedanklichen Dialog zu denken? Mal abgesehen davon das die Ausdrucksweise 'einen gedanklichen Dialog zu denken' ziemlich bescheuert ist, ist es nicht unbedingt bekloppter als zu glauben irgendjemand würde sich nur halb so doll für dein geschauspielertes Leben interessieren wie du Energie in dasselbe steckst.

Zugegeben, mir blieb nichts anderes übrig als mir selbst recht zu geben. Es war schon fast lächerlich, dass ich heut Morgen geschlagene 36 Minuten vor meinem Kleiderschrank gestanden habe um das perfekte Montagsoutfit zu finden. Denn so wie meine Mitschüler zombiemäßig durch die Gegend starrten hätte ich heut genauso gut als pinker Elefant kommen können. Es wäre wahrscheinlich lediglich Frau Gnom aufgefallen.

,,...ich meine ja: wer so aussieht der kann nur klasse sein. Wirklich der Kerl war wie aus einer Unterhosenwerbung entsprungen! Aber dann ..." Helena, der wahrscheinlich die Gesamte Caféteria zuhörte, machte eine dramatische Pause in der sie lautlos lachte und mit ihren Händen herumwedelte als wolle sie die nicht vorhandenen Lachtränen trocknen. ,,...und dann" japst sie ,, hatte der ne Stimme als hätte ihm jemand mit zehn die Eier abgeschnitten!!!" Während alle an unserem Tisch laut und alle Anderen leise lachen muss ich wieder an vergangenen Samstag denken. Ich habe ihr Unterwäschenmodel mit der hohen Stimme genau vor Augen. Und dann denke ich an den Mann der mich angestarrt hat. Und an den Mann der mir irgendetwas ins Getränk schmeißen wollte. Ich weiß nicht wie ich es geschafft hatte bis jetzt nicht daran zu denken. Aber jetzt kam mir die Erkentniss das ich ziemlich filmreif gehandelt hatte und während die Anderen immernoch Helenas Samstagsausführungen lauschten lächelte ich süffisant vor mich hin und fühlte mich als wär ich der Boss der Weltgrößten Mafia. So richtig mit Zigarre, Hut und der Ich-kann-alles-Einstellung.

Es regnete und stürmte als hätte der Spätherbst ein Aggressionsproblem. Genervt stand ich an der Haltestelle neben der Schule und wippte ungeduldig mit meinem linken Knie. Es war nicht nur eiskalt, nein ich musste auch noch dringlichst mal auf Klo und hatte Hunger wie ein Bär nach seinem Winterschlaf. Als die Bahn kam war sie so voll, dass ich kurzzeitig überlegte die vier Haltestellen nicht einfach zu Fuß zu gehen. Doch leider läuft es sich mit voller Blase äußerst schlecht.

Nach vier Haltestellen stieg ich mit der arrogantesten Miene die ich in petto hatte aus der stickigen Bahn.

Ich stand ganze fünf ruhige Sekunden im Regen als plötzlich ein verloren geglaubter Geschichtenanfangswendepunkt vor mir stand und mir breit ins Gesicht grinste. ,,Hey Ella man! Weist du ich dachte grad so: oh man ich hab kein Bock allein nach Haus zu fahren ey! Und dann seh ich dich so und Bam! Voll coll ey!"

.....

Ich habe wirklich versucht meinen arroganten Blick bei zu behalten. Aber nichts ist erheiternder als ein fröhlicher Sunnyboy dem trotz der durchnässten Kleidung die Sonne aus dem Hintern zu strahlen scheint.

Lügen haben lange Beine und einen flachen PoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt