ii.

18 3 3
                                    

Es ist bereits später Nachmittag, als es an deiner Tür klopft. Du liegst im Bett, deine Füße quer und dein Kopf hängt an der länglichen Seite der Matratze herunter, sodass sämtliches Blut hinein fließt. Du antwortest nicht direkt. Lässt die Zeit dich aufzurichten, als es ein zweites Mal klopft.

Dein Schlafanzug klebt unangenehm an deinem Körper, verschwitzt von den vergeblichen Versuchen zu schlafen, als dein Vater den Kopf durch die Tür streckt. Er blickt sich missbilligend im Zimmer um, schüttelt den Kopf bei den zerstreuten Klamotten und richtet ihn dann auf dich. Seine Augen sind kühl, sein halb in die Tür gestreckter Oberkörper gibt eine feindliche Haltung ab. Du lächelst, es erreicht deine Augen nicht und es ist nicht echt, aber es ist das, was du gerade noch so hinbekommst.

„Um 2 gab es Mittagessen"

Ein Blick auf deine Nachttischuhr verrät dir, dass es bereits halb vier ist und du das Mittagessen reichlich verpasst hast. Du zuckst mit den Schultern, keine passende Antwort parat. Dein Vater seufzt, aber du hast dich abgefunden mit dem unendlich enttäuschenden Blick, den er dir dann zuwirft, bevor er sich zurück zieht und die Tür hinter ihm ins Schloss fällt. Für einen Moment starrst du weiterhin deine weiße Zimmertür an, dann stehst du auf. Über den Schlafanzug ziehst du den alten Pullover deines Bruders und bindest deine Haare zu einem im Nacken liegenden Zopf zusammen.

Dann gehst du zu deiner Kommode. Öffnest die unterste Schublade und holst das kleine durchsichtige Päckchen heraus. Der Geruch ist beißend, aber wirkt sehr beruhigend. Deine Hände zittern, als du den Joint zusammendrehst und deine Zunge ist trocken, als sie den Streifen ableckt, um ihn zumachen zu können. Du blickst kurz zurück auf die nun leere Folie, erinnerst dich daran, dich am besten am heutigen Abend noch mit Sunny zu treffen und dir eine neue Ration zu holen. Dann klemmst du dir den Joint hinters Ohr, greifst nach einem Feuer und kletterst aus dem Fenster.

Die Luft draußen ist kühl, aber angenehm zu dem verschwitzten Pyjama. Dein Weg führt dich vorbei an den Reihenhäusern deiner Wohngegend und einbiegend in den Spielplatz der das Viertel vom nächsten trennt. Dort setzt du dich auf die Schaukel, die noch nicht abgerissen wurde und fischst das Gras hinter deinem Ohr hervor. Die Flamme verschlingt den abstehend und unwichtigen Papierrest vorne dran und biegt sich dem unnachgiebigen Wind. Sie kitzelt kurz deine Haut, aber nicht lange genug, dass es weh tun könnte.

Dir ist egal, dass es heller Tag ist und dich jemand erwischen könnte, in deiner Gegend waren, in den 22 Jahren die hier schon lebst, noch nie Polizisten unterwegs, die sowie so schon genug mit den andere Vierteln zu tun haben. Also entzündest du nochmal die Flamme, setzt den Joint an deine Lippen und nimmst einen tiefen Zug, als das Gras anfängt wegzubrennen. Der Geschmack ist unangenehm, auch nach einem Jahr noch, aber die Droge entspannt dich und du fühlst das schwere Gefühl von deiner Brust schweben.

Kurz tippst du eine Nachricht an Sunny, 22 AB4, was ihm zu verstehen gibt, dich um 22 Uhr beim Spielplatz zu treffen und lässt ein Lied spielen bevor du dein Handy wieder wegpackst. Du bist verloren in diesem Gefühl der Schwebe, völlig alleine mit deinen Gedanken und dann driften sie ab, zurück zu diesem dunklen Ort vor einem Jahr.

Stress dich nicht.

Du musst atmen.

Es sieht wohl so aus als hätte sie es nicht geschafft.

Ein Mädchen.

Ich kann das nicht mehr.

Es tut mir leid.

Der Spielplatz fängt an sich zu drehen, also legst du dich ins Gras und schließt die Augen. Atmen.

See Me FallWo Geschichten leben. Entdecke jetzt