16. Flucht

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Ihr Körper brannte lichterloh. Schmerzen explodierten in ihrer Brust - immer und immer wieder. Dann, willkommene Kühle - ein Kribbeln. Zurück bleibt ein dumpfes Pochen, das sie in die tiefe Schwärze begleitete.

„Eve, hörst du mich? Ich lasse nicht zu, dass dir etwas passiert..."

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Feine Finger glitten im Wechsel mit einem Kamm durch silbrig, weiße Haare, die in Wellen über den Kissen lagen.

Die gleichmäßigen, entspannenden Bewegungen holten Eve aus der tumben Schwärze zurück. Mühsam öffnete sie ihre Augen. Über ihr schwebte das freundliche Gesicht von Dana, ihrer Dienerin.

„Ah, ihr seid wach. Nach zwei Tagen Dauerschlaf wurde es aber auch Zeit." Dana sagte es neckisch, aber Eve sah Sorge in ihren Augen.
„Versuchen sie sich bitte aufzusetzen. Wir müssen sie fertig machen, denn heute Nacht verschwinden wir."

Eve kämpfte sich nach oben, ihr Körper fühlte sich bleischwer an. Verwirrt hielt sie inne.
„Verschwinden? Nein, wir können nicht gehen! Morgen ist die Prüfung in der Arena. Es ist unsere Pflicht - unser Befehl, anwesend zu sein!"

„Das geht nicht! Wann man euch sieht, wird man euch töten.... Ihr seid eine Ava." Den letzten Satz flüsterte Dana ängstlich, als hätte sie Angst, die Wände würden zuhören.

Eve wurde kreidebleich, als sie realisierte, was ihre Mags gesagt hatte.

Eine Ava? Eve sollte eine der bösesten Ausgeburten der dunklen, Blauen-Magie sein? Ein Dämon, der bekannt dafür war jede unschuldige Seele, die ihm begegnete, in die nassen, unendlichen Tiefen des Meeres zu zerren. Diese Macht die Eve in sich spürte, war das in Wahrheit ein Ungeheuer? War sie ein Monster? Eine Gefahr?

Eve wollte gerade protestieren, da hielt Dana ihr einen Spiegel vor.
Entsetzt flog ihre Hand zum Mund, um einen spitzen Schrei zu unterdrücken.

Die blank pillierte Scheibe warf ein verzerrtes Bild ihrer Selbst zurück. Ein grünes und ein eisblaues Auge sahen ihr entgegen. Und ihre Haare... Ihre geliebten, langen, glänzenden, tiefschwarzen Haare waren weiß. So weiß wie der Mond.

Eve hatte ein Schreckensbild der Dämonen aus einer Elementkapelle vor sich. Sie sah diesen Dämonen frappierend ähnlich. Nur, dass ihre Gesichtszüge noch menschlich waren. Noch... Aber wer wusste schon, was noch kommen würde? Die Welt um sie herum begann sich zu drehen. Was würde sich an ihr noch verändern? Ihre Augen, überkochenden Emotionen, ihre plötzlichen magischen Fähigkeiten, die sie überhaupt nicht einschätzen konnte und jetzt auch noch ihre Haare! Das war zu viel des Guten.

Erschöpft lehnte sie sich an die Wand hinter ihrem Bett. Was würde jetzt mit ihr geschehen? Avas wurden vom Glauben verteufelt und vom Reich verfolgt. Ihr wurde klar, dass Dana recht hatte. Sie mussten fliehen.


~


Guru Bruno hatte Elvan aufmerksam zugehört, als er das Attentat in der Bucht und die Heilung beschrieb. Geduldig beantwortete ihm sein Schüler jede Frage. Elvan war, dass die Situation äußerst verzwickt war.

Schließlich war Eve ziemlich sicher eine Ava, ein böser Dämon, den man sofort dem König oder den Priester ausliefern musste. Alles andere war Hochverrat.

Aber Elvan wusste nicht, was er tun sollte. Er wusste um ihre gefährliche, bösartige Blaue-Magie - und der Thronfolger wusste es auch. Dennoch hatte Greif Aaron seit der Heilung nichts gegen sie unternommen. War es ein Test?

"Pack deine Taschen Elvan. Ein paar Klamotten und vergiss die Schwerter nicht. Wir gehen in die Wüste." Guru Bruno sah seinen Schüler stirnrunzeld an. "Wir gehen heute Nacht."



~


Ein schwacher Schimmer fahlen Mondlichts fiel in Eves Zimmer. Dana und sie hatte das Nötigste zusammengerafft, Proviant und Wasserschläuche beschafft. Sie wollten gerade aufbrechen, als ein Klopfen an der Tür sie erstarren ließ.

Dana bedeutete ihrer Herrin sich im Schrank zu verstecken. Erst dann öffnete sie die Tür einen Spalt breit. Flink schoben sich Guru Bruno und Elvan hinein.

"Wo ist Eve?" Verlangte der Guru zu wissen.

"Entschuldigt mein Herr, aber sie ist nicht hier. Sie ist..."

"Schwafel keinen Unsinn! Ich weiß, dass sie hier ist." Sein finsterer Blick fiel auf den Schrank, sicheren Schrittes ging er darau zu. Dana wollte ihn aufhalten, doch Elvan packte sie unsanft am Arm.

"Eve, komm rauß. Wir werden mit euch gehen. Ich kennen einen sicheren Ort in der Wüste, zu dem ich euch bringen werde." Brummte der kräftige Mann dem Möbelstück zu.

Zögerlich öffnete Eve die Tür. Ihr Blick fiel auf den Reisesack in seiner Hand und sie glaubte ihm. "Dann lasst uns verschwinden." Sie versuchte das ängstliche Zittern aus ihrer Stimme zu verbannen, aber es gelang ihr nicht ganz.

Eine letzte Kontrolle im Spiegel, um zu prüfen, dass auch ja keine verräterischen Haarsträhnen unter ihrem Turban hervorlugten. Schnell huschten die vier aus dem Zimmer.



Vorsichtig schlichen sie sich über den Hof zu den Ställen. Zum Glück, war morgen die Prüfung in der Arena, so mussten sie nur einem gelangweilten Wachposten ausweichen. Um ihr Ziel zu erreichen benötigten sie zwei kräftige Pferde. Flink wickelten die Männer Tücher um die Hufe, damit die Schritte der Tiere gedämpft wurden.

Hinter ihnen ein Räuspern. Blitzschnell fuhr Eve herum. Vor ihr stand Greif Aaron - ihr sicherer Tod. Guru Bruno hatte sein Schwert gezogen und richtete es drohend auf den Prinzen. Dieser hob beschwichtigend die Hände, er trug keine Waffen bei sich. War es eine Falle?

"Guru Bruno, bitte. Ich möchte mich verabschieden." Aaron flüsterte. Zögernd senkte Bruno sein Schwert. "Passt gut auf sie auf Guru. Ich möchte nicht, dass ihr etwas geschieht." Bei seinem letzten Satz sah er tief in Eves Augen und sie erinnerte sich. Erinnerte sich an die melodischen Stimme in ihrem Kopf.

Ruckartig wandte sich der Greif ab und ging.

Eve - Die letzte AvaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt