38 Wochen danach

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Tage vergehen, viel schneller als ich es mir erhoffen könnte. Jede Minute ist kostbare Zeit, Zeit die langsam aber sicher vor mir wegrennt, Zeit, von der ich nicht genug hab, von der ich gerne mehr hätte. Ich habe in den ganzen Wochen versucht nicht zu viel darüber nachzudenken. Nachdenken resultierte meist in Tränen und emotionalen Zusammenbrüchen, von mir so wie auch von Elliot, Newt und Ev. Sie versuchen stark zu bleiben, versprechen mir, dass es ihnen gut geht, doch glaube ich ihnen kein Wort.

Es gab Diskussionen und Auseinandersetzungen, Streit, Tränen und Aussagen, für die ich sie alle kurzzeitig hasste. Keiner wusste mit mir umzugehen, keiner hat mich verstanden. Ich fühlte mich unglaublich einsam. Man ließ mich nie alleine, gab mir keine Möglichkeit, mich selber darauf einzustellen oder eine Erklärung abzugeben.

Mittlerweile habe ich herausgefunden, dass ich mich bei Ieró verstecken kann, meine Ruhe habe und unter seinem stolzen Blick nachdenken, und einfach glücklich sein kann.

Jetzt komme ich mit dem Gedanken klar, dass ich nicht mehr lange Zeit habe. Das Leben was in mir heranwächst, und mit mir verbunden ist, übernimmt Stück für Stück mein Herz und ich würde ohne zu zögern mein Leben geben, um dieser wundervollen Seele ein Leben zu schenken. Ich habe keine Angst mehr. Ich fürchte mich nicht vor dem Tod, ich erwarte ihn mit offenen Armen, mit einem schmerzenden Herzen, dennoch mit offenen Arme.

Die Jungs halten mich für verrückt, doch habe ich es irgendwann geschafft ihnen klarzumachen, dass ich das alles um nichts in der Welt eintauschen würde, dass sie mich noch viel eher verlieren, wenn sie sich weiter so aufführen.

Nun sind die meisten freundlich zu mir. Sie begreifen langsam, dass ich keine Schuld an dem Ganzen hatte- an dem Verfahren sowohl auch an Flynns Tod. Ich verbringe keinen Tag alleine, bin oft bei Ieró, um mich zu sammeln, mich in meinen Gefühlen für ein paar Minuten zu ertränken, bin fast immer mit Everton unterwegs und begegne ständig Elliot und Newton.

"Alles okay?" fragt Everton und drückt meine Hand. Ich lächele ihn an, nicke und blicke dann wieder runter, wo Isaac meine Mutter umarmt und sich dann zu mir setzt. Naja, zur leeren Hülle meines Seins. Meine Hand liegt auf meinem dicken Babybauch, Evertons Arm um meine Taille geschlungen.

Er küsst meine Schläfe, "Wie fühlst du dich?" nuschelt er mir ins Haar. Ich fühle mich schwach, ich habe keine Energie. Meine Zeit zu gehen ist nah, aber die Zeit Dinge zu ändern ist genauso nah. Die Möglichkeit das ganze Verfahren zu ändern, den Prozess und alles so zu ändern, dass Ouranós nie wieder aus dem Gleichgewicht geraten wird. "Gut" sage ich und atme tief durch, "ich fühle mich gut" Er guckt mich prüfend an, seine Augen zeigen mir, dass er mir nicht glaubt.

"Hey" sage ich und drehe mich zu ihm, "mir geht es gut" ich lege meine Hand an seine Wange und lehne mich zu ihm hoch und streife meine Lippen über die Seine. "Ich kann das nicht" flüstert er, "ich kann dich nicht verlieren" Seine Augen sind rot, er hat dunkle Ringe unter den Augen, hat in letzter Zeit kaum geschlafen. "Ev-" fange ich an, unterbreche mich und schlinge meine Arme um ihn, "ich liebe dich" flüstere ich in seinen Nacken.

Er drückt mich noch fester an sich, "Ich liebe dich auch" antwortet er. Eine Weile stehen wir schweigend da, genießen einfach die Nähe des anderen, bis ich mich von ihm weglehne, zu ihn aufblicke und die Stille unterbreche. "Du weißt, dass du dich um sie kümmern musst?" Wispere ich, "für uns beide" Everton kneift die Augen zu, atmet zittrig tief durch. Einzelne Tränen nehmen sich ihren freien Lauf. Er nickt. "Nicht, bitte Everton, nicht" meine Sicht verschwimmt, Emotionen durchfluten mich, wie ein Fass mit Wasser welches droht überzulaufen. Er nickt.
"Ich weiß, es tut mir leid, ich kann einfach nicht-" er hält inne, dreht sich von mir weg, "es tut mir leid, mir geht es gut" sagt er, atmet ein paar mal tief durch und dreht sich wieder zu mir um. Ich klammere mich an seine Hand, versuche ihm mit einem kleinen Lächeln zu sagen, dass es okay ist, dass es mir gut geht, dass ich an ihn glaube.

Nach einer weiteren Stille, gehen wir zurück zum Hauptgebäude. "Ich bring dir einen Tee hoch" sagt er, küsst meine Schläfe und verschwindet. Alleine ziehe ich mich in mein Zimmer zurück, völlig in Gedanken verloren. Ich weiß, dass er nicht einfach plötzlich das Verlangen hatte Tee zu machen. Er muss sich beruhigen, er muss das sacken lassen und dann kann er sich zusammenreißen.

"Zee? Alles okay?" Elliot kommt angelaufen, Sorge in seinem Blick. Ich nicke, schenke ihm ein sanftes Lächeln. "Wo ist Ev?" fragt er und hakt sich bei mir ein. "Er holt Tee" sage ich nicht ganz überzeugt. Elliot guckt mich an, studiert meinen Blick, "Er versucht stark zu bleiben Zee, weißt du?" Setzt er an, "er fühlt sich schuldig, er hat gewonnen- das heißt, er bringt dich um" sagt er, seine Stimme unglaublich mitfühlend, als würde er gleich weinen.

Ich nicke, "ich weiß. Und ich weiß nicht wie oft ich ihm sagen soll, dass es so kommen musste- ich liebe ihn. Ich liebe euch alle, und ich kann euch nur retten, wenn ich-" ich breche ab, gucke auf und werde von Elliot in die Arme gezogen. "Das wissen wir" versichert er mir. "Komm, leg dich hin" sagt er und öffnet meine Zimmertür.

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"Ev?" frage ich und kuschel mich enger an ihn. "Mhh?" antwortet er leise. "Ich habe nachgedacht, und ich finde Freya schön" murmel ich. "Echt?" Seine Augen glänzen und ein breites Lächeln auf seinen Lippen. Wir überlegen schon seit Wochen, welchen Namen wir unserer ungeborenen Tochter geben könnten. Everton hatte ein paar Namen vorgeschlagen, obwohl unsere stärkeren Vorschläge einem Jungen dienen würden. 

Ich nicke, "ja" antworte ich lächelnd. "Wusstest du, dass Freya eine Bedeutung hat?" nuschelt er mir ins Haar. Ich gucke ihn fragend an, schüttele meinen Kopf. "Es heißt Königin der Götter" erklärt er. "Mmh" mache ich grinsend, "Ja, das passt"

Er zieht mich näher an sich. Ich schließe meine Augen, der Hauch eines Lächelns auf meinen Lippen. Meine kleine Familie. Und mit diesem Gedanken verliere ich mich in der Welt der Träume.

Sons of GodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt