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„Das ist deine Schuld!", schreit das Mädchen mit den blonden und schulterlangen Haaren. Sie tritt zurück und knallt gegen die Wand. Keine Menschenseele ist zu sehen. Nur er und sie. „Mina, raff dich mal. Seit wann benimmst du dich mir gegenüber respektlos?", gibt der muskulöse und breitgebaute Junge von sich. Er läuft mit kleinen Schritten auf sie zu und lehnt seinen Arm gegen die Wand. Wie es wohl weiter geht? Ich schaue nervös zu und versuche keine Laute von mir zu geben. Das ist wirklich ein sehr seltsames Paar. Ich verdrehe meine Augen.
„Unsere Beziehung tut mir nicht gut Amir. Du tust mir nicht gut. Du hast dich verändert und kannst dich selbst nicht beherrschen." Eine Träne verlässt das linke Auge und daraufhin auch das rechte. Man sieht ihr an, dass es sie verletzt. „Deine Eifersucht überschreitet die Grenzen und ich halte es echt nicht mehr aus. Lass uns das heute, genau hier, beenden!" Ihr Zeigefinger ist auf den Boden gerichtet und sie schaut ihm fest in die Augen. „Hier und jetzt. Geh du deinen Weg und ich gehe meinen Weg!" Gespannt warte ich auf seine Antwort und beiße auf meine Lippe. Das was ich gerade tue, ist nicht besonders schlau. Aber ich kann hier auch nicht weg, da meine Bahn in zehn Minuten ankommen müsste. Es ist dunkel und keine einzige Person befindet sich am Bahnhof. Nur ich und das seltsame Paar, welches sich streitet.
„Verdammt. Was bist du für eine scheiß Schlampe! Ich weiß alles! Von diesem Typen mit dem du geschlafen hast. Ich weiß von allem Bescheid, ich wollte dir nur eine Chance geben mir das zu sagen! Du bist mir fremdgegangen und dachtest ich erfahre nicht davon?"
Der Junge mit den braunen Locken schlägt gegen die Wand und rauft sich. Sie hat ihn wirklich betrogen? Das wird langsam echt spannender als gedacht.
„W..wie meinst du das?", sagt sie zitternd und schaut beschämt zu Boden. „Du bist genauso wie die Anderen, billig und eklig. Weißt du was? Du verdienst einen, der so ist wie du. Verpiss dich aus meinem Leben!" Das Mädchen fängt an zu weinen. Sie schluchzt und lässt sich auf den Boden fallen. Er schaut kalt zu. „Ich konnte es einfach nicht mehr. Ich liebe dich Amir. Aber ich konnte es dir einfach nicht sagen. Ich konnte es nicht übers Herz bringen. Du hast das einfach nicht verdient. Du hast mich nicht verdient." „Du hast recht, ich habe dich nicht verdient, so wie es meine Mutter immer sagte." Mein Mund öffnet sich leicht. Vielleicht sollte ich nicht mehr hinhören. Das wird zu privat und ich fühle mich schuldig, ein Paar zu belauschen. Es ist 20:57 Uhr. Bald ist meine Bahn da. „Verpiss dich einfach aus meinem Leben.", höre ich den Jungen schreien und springe kurz auf, da mich sein Schreien erschrocken hat. Kann er auch leiser schreien? Mistkerl. Obwohl, sie ist das Miststück. Wie kann man jemandem fremdgehen? Wie abartig muss man nur sein? „Tut mir Leid Amir.", gibt Mina leise von sich und läuft die Treppe hoch, die zu einer Straße führt, während er in die Wand vor sich blickt. Eine Träne verlässt ebenso sein Auge.
Bei diesem Anblick brennt mein Herz. Er hat sie wirklich geliebt und sie tut ihm so etwas an. Amir setzt sich auf die Treppe. Wie schlecht muss es ihm nur gehen. Er sieht aus wie eine gute Person. Kein Mensch verdient das, was er gerade durchmacht. Erst recht kein Junge, der liebt.
Plötzlich steht er auf, boxt gegen die Wand neben ihm und hinterlässt eine blutige Spur. Sofort hallt meine Hand vor den Mund und ich kann den Schmerz beim Ansehen spüren. Scheiße!
Ohne eine weitere Sekunde nachzudenken, renne ich schnellstmöglich herüber zur Treppe und nehme mir auf dem Weg ein Taschentuch aus meiner Tasche, welches ich mit einer Wasserflasche befeuchte. „Gib mir deine Hand.", befehle ich dem Jungen und lege das Tuch darauf. Seine Hand ist ziemlich groß und blutet. Er zieht in derselben Sekunde die Hand weg und die Augenbrauen zusammen. „Hey, deine Hand blutet und wenn das so weiter geht wirst du in Kürze bewusstlos. Lass mich dir helfen. Meine Bahn kommt gleich und ich würde mich schlecht fühlen, einen Verletzten zu hinterlassen." Ich versuche nicht zu stottern, da seine Größe mir Angst einjagt. Neben ihm sehe ich wortwörtlich aus wie ein Zwerg und muss zu ihm hinaufschauen. „Lass mich in Ruhe und kümmere dich um dich selbst Mädchen.", murmelt er ignorant und versucht wegzulaufen. Wie ich solche Menschen doch hasse! Sie nehmen keine Hilfe an, obwohl sie es am meisten brauchen. "Wofür dieser Stolz? Ich will dir doch nur helfen!", gebe ich gemein zurück und verdrehe meine Augen. "Du musst mir nicht helfen." Na schön! Ich werfe das Tuch auf den Boden und laufe weg. Genau zu dem Zeitpunkt, kommt meine Bahn und ich trete hinein, setzte mich auf die Fensterseite und beobachte den Jungen, der mich ebenfalls anschaut. Er sieht nachdenklich aus und fasst sich an die Stirn. Sein Pech, wenn er es doch nicht wollte? Er steht da und geht mit der anderen Hand durch seine Haare. Seine Kleider sind schwarz und er trägt eine Lederjacke. Ansonsten erkenne ich seine Gesichtszüge und seine Wangenknochen, die stark zum Vorschein kommen. Ein weiteres Mal schaut er zu mir und ich zu ihm. Hoffentlich wird er nicht bewusstlos. Als meine Bahn gerade losfährt, sehe ich im letzten Moment wie er das feuchte Tuch aufhebt und auf seine Hand legt. Dabei verzieht er sein Gesicht und schaut ein letztes Mal in meine Richtung. Einige Sekunden später sehe ich nur noch eine Wand.
"Toll, jetzt hat er Bakterien in seiner Wunde.", spreche ich trotzig vor mir hin.

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