Kapitel 29

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Ein Geräusch riss mich unsanft aus meinem Schlaf.

Müde blinzelte ich zum Lagerfeuer. Scheinbar war das, was ich hörte, das Knacken der Äste an denen das Feuer unaufhörlich nagte. Die ersten Sonnenstrahlen brachen bereits durch die dunkle Wolkendecke am Himmel. Die Nacht war vorbei.

Naru lag immernoch links neben mir dicht an Tia und Toru gekuschelt, doch Kankuro war weit und breit nicht zu sehen. Wir hatten uns zum Schlafen gelegt gehabt ehe Kankuro zurückgekehrt war, so hatte ich noch keine Gelegenheit gehabt, um mit ihm über den gestrigen Streit zu sprechen.

Ich richtete mich gähnend auf und nahm leise den letzten Schluck Wasser aus meiner Flasche.

Dicht gefolgt von Toru ging ich die Düne hinab zu der Wasserstelle und dort sah ich ihn auch schon:

Kankuro stand mit freiem Oberkörper und hochgekrempelter Hose im flachen Wasser und war gerade dabei, sich zu waschen. Verlegen blieb ich stehen und überlegte, ob ich mich nicht einfach umdrehen und wieder gehen sollte, doch schnell wurde Kankuro auf mich aufmerksam.

"Guten Morgen.", sagte er und stieg aus dem Wasser. Er nahm das Handtuch von einem Stein und rieb sich damit die Haare trocken.

"Guten Morgen."

Ich wusste nicht wie ich nach dem gestrigen Abend anfangen sollte, deshalb trat ich an die Wasserstelle heran und kniete mich zum Auffüllen meiner Flasche hin. Insgeheim hoffte ich, er würde den Anfang machen und auf mich zu kommen, doch er war offenbar genug mit sich selbst beschäftigt. Er zog sich an und packte anschließend seine Sachen auf einem Stein zusammen. Mir schenkte er keine weitere Beachtung. Er wirkte distanzierter als sonst. Hatte er mir denn nichts mehr zu sagen gehabt? Die Atmosphäre war irgendwie seltsam.

Nachdem er fertig war, kehrte er mir den Rücken zu und schien zurück zum Lager gehen zu wollen, doch das wollte ich nicht zulassen. Hastig sprang ich auf und eilte hinter ihm her. Ich lehnte mich an seinen Rücken und umschloss die Arme fest um seine Mitte.

"M-Misaki.", stotterte er hörbar überrascht und ließ seine Sachen in den Sand fallen.

"Bitte bleib."

Er drehte sich zu mir um und nahm mich in die Arme. Seinen Kopf lehnte er sanft an meinen und sagte kein Wort. Wir blieben eine Weile wortlos so stehen bis Kankuro endlich die Stille brach.

"Noch heute werden wir Konoha erreichen...Bist du bereit?"

Unsicher zuckte ich bloß mit den Achseln.

"Vertraust du mir?", fragte er mit gesenkter Stimme. Ich löste mich aus seinen Armen und blickte hoch in sein Gesicht.

"Natürlich!"

Kankuros Lippen formten sich zu einem charmanten Lächeln, das aber auch schnell wieder verschwand.

"Was hat Naru dir erzählt?", seine dunklen Augen sahen mich ernst an.

"Dass du ihr vorgeschlagen hast, sie könne auch in Konoha leben - so wie ich..."

"Deine Schwester war kein bisschen angetan von dieser Idee, aber das hast du wahrscheinlich selbst mitbekommen...", aus Kankuros Stimme hörte ich wie sehr er ihre Entscheidung bedauerte und ich empfand nicht anders.
Es wäre so viel einfacher, wenn Naru sich darauf einlassen würde. Das Umherreisen hätte ein Ende. Wir könnten gemeinsam in Konoha leben oder vielleicht sogar in Suna...

"Sie hält daran fest, dass ihr das Erbe eurer Familie fortführen müsst, indem ihr euch dem Clan eurer Tante fügt und euch verheiraten lasst."

Ich wollte gerade widersprechen, doch Narus Rufe unterbrachen mich.

"Misaki!", rief sie erneut die Düne hinab und sah mich dabei streng an.

Kankuro hob seine Sachen vom Boden auf und wandte sich wortlos von mir ab.

Unter Narus bohrendem Blick zog er ab.

Tia kam die Düne hinabgelaufen und forderte Toru sogleich zum Spielen im Wasser auf.

Naru konnte das ausgelassene Spiel der beiden Geschwister kein Grinsen entlocken. Mit besorgter Mine trat sie dicht an mich heran.

"Guten Morgen.", sagte ich als würde ich ihren Unmut nicht bemerken, doch sie ließ mir keine Ausweichmöglichkeit.

"Über was habt ihr gesprochen?", fragte sie geradeheraus.

"Nichts Besonderes, warum?", ich gab mich ahnungslos und hoffte, die Antwort würde sie beruhigen, doch ihr Blick blieb unverändert.

"Ihr saht so vertraut aus..."

"Wir haben nur geredet, Naru.", unabsichtlich erhob ich meine Stimme und bereute es auch gleich im nächsten Moment, denn Naru sah mich wie versteinert an. Letztlich senkte sie den Blick und grinste.

"Komm, wir wollen doch keine Zeit verlieren..."

~~~

Kurze Zeit später brachen wir auch zur letzten Etappe unserer Reise auf.

Mir ging es überhaupt nich gut dabei. Weder Kankuro noch Naru konnte mich dazu überreden, etwas zu essen. Es fühlte sich an als hätte ich einen festen Knoten im Bauch, der sich immer mal wieder fest zusammenzog. Wenigstens hatte ich Kankuro dicht bei mir. Wie am Vortag ritt er mit mir zusammen auf Toru und hielt mich dabei fest umschlossen. Zwischendurch streichelte ich ihm vorsichtig über seinen Handrücken, dies traute ich mich aber nur in den Momenten, in denen ich Naru gut im Blick hatte...

Nach ein paar Stunden hatten wir die karge Wüste hinter uns gelassen. Vor uns lagen nun die grünen Wälder des Feuerreichs.

"Ich werde kurz mit Tia vorreiten. Vielleicht ist Kirin in der Nähe. Ich bin gleich wieder da.", rief Naru uns zu und trieb Tia weiter an, kaum dass sie ihre Worte ganz ausgesprochen hatte.

"Wir sind bald in Konoha...", meinte Kankuro als Tia und Naru nicht mehr in Sichtweite waren. Ich traute mich nicht, etwas dazu zu sagen. Nach einer Pause fragte er: "Willst du wirklich mit Naru weiterreisen?"

Seine Frage verschlug mir die Sprache. Wie sollte ich darauf nur antworten, ohne jemanden zu verletzen?

Ich tat so als hätte ich seine Frage nicht gehört. Stattdessen ließ ich Toru den Spuren seiner Schwester folgen. Wir hörten wie das laute Bellen von Tia im Wald hallte. Falls Kirin wirklich in der Nähe war, musste sie es gehört haben.

Das rosa-rote Farbenspiel am Himmel verkündete bereits, dass der Abend nicht mehr fern war. Die Umgebung kam mir auch nach und nach immer bekannter vor. Bald hatten wir unser Ziel erreicht. Und dann? Wollte ich wirklich in Konoha meinen Asylantrag zurücknehmen und mit Naru in den Norden gehen? Es wäre wieder ein Neuanfang und wäre ich denn wirklich sicher dort? Wenn ich mir einer Sache sicher sein konnte, dann der Tatsache, dass ich Kankuro wohl nie wieder sehen könnte. Das Gefühl, dass ich bei diesem Gedanken empfand, gab mir eigentlich schon die Antwort auf meine Frage.

Ein weiteres Bellen riss mich aus meiner Gedankenwelt. Es war allerdings nicht das von Kirin.

"War das der andere Wolf?", fragte Kankuro und blickte sich um.

"Nein, Kirin klingt anders."

Toru lief mit uns einen Hügel hinauf und blieb kurz stehen.

Ein Stück vor uns standen Tia und Naru, aber sie waren nicht alleine. Ihnen gegenüber stand Akamaru, auf dessen Rücken Kiba saß.

"Kiba...", grummelte Kankuro. "Der hat mir jetzt noch gefehlt."

Toru ließ Kankuro und mich absitzen und stellte sich dann an die Schulter seiner Schwester.

"Hey, da seid ihr ja.", begrüßte uns Kiba freundlich. "Wen habt ihr denn da im Schlepptau?"

Mit einer Kopfbewegung deutete er auf Naru, die auf Tia sitzen geblieben war und Kiba sowie auch Akamaru genau musterte.

"Ihr kennt euch?", fragte Naru trocken.

"Ja, das sind Kiba und Akamaru. Wir sind gemeinsam mit Kankuro eine Zeit lang umhergereist."

Kiba stieg von Akamaru und klopfte ihm kurz den Hals. Die Anwesenheit zweier Wölfe eines Rudels schien Akamaru zu beunruhigen. Kiba selbst wirkte unbeeindruckt. Er kam zu Kankuro und mir hinüber und sah mich genauer an.

"Anscheinend hast du den Weg nach Sunagakure unbeschadet gefunden, hm?", meinte er grinsend. Offenbar war er nicht mehr böse auf mich, weil ich alleine nach Sunagakure gereist war. Etwas erleichtert musste ich lächeln.

"Kiba, darf ich vorstellen? Das ist meine Schwester Naru mit ihrem Schattenwolf Tia."

"Deine Schwester?", sein Lächeln verblasste zusehends.

"Sie war die Person, die wir in Sunagakure gefangen genommen hatten.", mit verschrenkten Armen blickte Kankuro zu Kiba, woraufhin sich Narus Gesichtsausdruck wieder verfinsterte.

"Na, dann hat sich deine Reise ja gelohnt.", meinte Kiba und schaute prüfend zu Naru. "Seid ihr unterwegs angegriffen worden?"

"Nein.", antwortete Kankuro noch bevor ich selbst dazu kam.

"Das ist gut. Ich hoffe, du bist bereit, Misaki.", Kiba sah mich nun mit einem ernsteren Ausdruck an, doch ich verstand nicht, was genau er damit meinte.

"Bereit wofür?"

Ich hörte Kankuro neben mir seufzen. Kibas Blick fiel sofort auf ihn.

"Hast du es ihr nicht gesagt?"

Zeitgleich drehten Naru und ich die Köpfe in Kankuros Richtung.

"Du hast es ihr nich gesagt...", Kiba schüttelte ungläubig den Kopf.

"Misaki.", Kiba sah mich eindringlich an. "Es tut mir Leid, aber es gibt schlechte Nachrichten... Der Daimyou von Mori no Kuni hat deine Auslieferung beantragt. Er wirft dir Mittäterschaft an der Auslöschung des Okami-Clans vor."
Geschockt schlug ich mir die Hände auf den Mund.

"Wie bitte?! Das ist ja wohl ein schlechter Witz, oder?", Naru schrie Kiba ungehalten an.

"Leider nein. Misaki soll verhört werden, deshalb sollte Kankuro sie nach Konoha begleiten.", Kiba guckte Kankuro düster an, welcher die Arme nun locker an seinem Körper herunter hängen ließ.

Naru funkelte Kankuro böse an: "Du hast uns also nicht begleitet, sondern eskortiert! Wir waren also nicht deine Begleiterinnen, sondern deine Geiseln..."

Kaze no Uta - Das Lied des Windes - Kankuro x OCWo Geschichten leben. Entdecke jetzt