Eine kleine Musik Empfehlung beim lesen: Sevmemeliyiz - Sena Sener
Laut ausatmend sah ich hinunter zu den Menschen, welche von hier oben aussahen, wie kleine Ameisen. Der Wind prallte fest an mir ab und ich drohte zurückzufallen. Der Lärm, welcher von dem Verkehr direkt unter mir kam, dröhnte in meinen Ohren. Die Sonne schien direkt auf meine Haut. Für solch einen dunklen Tag war das Wetter viel zu schön. Ein ironisches Lächeln huschte über meine Lippen und ich breitete meine Arme aus, befand mich weit oben über den Menschen. Auf dem Dach des Hochhauses, in welchem ich aufgewachsen bin. Viel zu oft drohte mein Leben hier dem Ende. Ein kleiner Schubser und ich würde dort unten landen. All das würde ein Ende nehmen. All das Leid. All die Tränen.
Und doch war es nicht so einfach, wie es sich anhörte.
Wer versicherte mir, dass es mir nach diesem Leben besser gehen würde?
Ich schloss meine Lider. Ließ den Wind an meine Haut prallen. Meine Haare flogen umher. Der Wind hier oben war viel stärker, viel intensiver. Er prallte mit seiner gesamten Kraft gegen meinen Körper. Ein letzter Atemzug und ich sprang zurück. Zurück auf sicheren Boden. Meine dunklen Augen öffnete sich wieder und ich fuhr mir mit rasendem Herzen über die Haare, drehte mich von der Mauer vor mir und bewegte mich Richtung Tür. Mit gemischten Gefühlen verließ ich das Dach und lief mit immer schneller werdenden Schritten das dunkle und kühle Treppenhaus herunter. Ich lief bis nach unten. Lief so lang, bis ich außer Atem am Ausgang des Hochhauses stand. Mit schnell hebender und senkender Brust verließ ich das Gebäude und folgte dem Weg, welchen ich seit meiner Kindheit folgte. Ich hatte eine bunte, schöne Kindheit. Hatte nur meine Großeltern und doch hatte es immer so gewirkt, als gehörte die Welt nur mir. Ein aufrichtiges Lächeln huschte über meine Lippen und ich spürte, wie sich mein Herz unter meiner Brust zusammenzog. Mit meiner Hand über meiner linken Brust lief ich zur Bushaltestelle und versuchte mit dem Schmerz klarzukommen, als jemand plötzlich nach meinem Arm griff. Erschrocken fuhr ich auf und sah nach rechts. Blickte in bekannte, dunkelbraune Augen.
"Ersin.", viel zu glücklich verließ sein Name meinen Mund. Mit zusammengezogenen Brauen sah er mich für einen Moment schweigend an, bevor er mich in seine Arme schloss. Unglaubwürdig sah ich einige Sekunden auf den Boden, bevor ich auch meine Arme um ihn schlang. Fest umarmte ich ihn. Sofort liefen warme Tränen über meine glühenden Wangen.
"Ich hatte so Angst. Hatte so Angst davor, dass du mich allein lassen würdest!", fast schon schluchzend sprach ich leise zu ihm. Die Menschen um uns hatte ich vollkommen in Vergessenheit geraten lassen. Alles war mir egal. Nur er und ich. Nur wir waren gerade von Bedeutung.
Langsam ließ er wieder von mir ab. Seine Finger hatte er in meine Arme gedrückt.
"Ich brauche dich, Dila. Ich brauche deine Hilfe.", verwirrt sah ich in seine geröteten Augen, nickte aber gleich danach selbstverständlich.
"Alles. Ich tue alles für dich, solange du bei mir bleibst Ersin.", ich befreite mich aus seinem Griff und krallte meine Arme gleich danach wieder um ihn. Ein Schluchzer entkam aus mir. Ich konnte mich nicht mehr zurückhalten. Der Besuch bei meiner Großmutter hatte mich stärker mitgenommen, als je zuvor.
"Ich war wieder bei ihr. Sie hat mich nicht erkannt. Schon wieder nicht Ersin.", weinend versteckte ich mein Gesicht in seiner Schulter. Ich spürte, wie er mir sanft über meinen Rücken strich. Er war meine Rettung und mein Untergang. Mein Paradies und meine Hölle. Das einzige, was ich noch besaß.
"Weine nicht. Ich werde immer an deiner Seite bleiben.", und obwohl ich wusste, dass das alles wieder ein schlechtes Ende nehmen würde, tröstete mich seine plötzlich so sanfte Stimme.
"Danke Ersin. Danke, dass du zurückgekommen bist.", weinend sprach ich zu dem Mann, welcher mich noch vor wenigen Stunden zusammengeschlagen hatte. Weinend hatte ich meine Arme um den Mann geschlungen, welcher mich noch vor wenigen Stunden angespuckt und beleidigt hatte. Weinend ließ ich mich von dem Mann trösten, welcher mir jeden Tag aufs neue leere Versprechen gab.
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In deinem Schatten
RomanceWir sahen in fremde Augen und doch wirkten sie so bekannt. Ich sah meine einst so helle Kindheit in seinem hellen Honig. Sah die sonnigen Tage an denen ich mit meinen Großeltern spazieren gegangen bin. Hörte mein einst so glückliches und kindliche...