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Im Vergleich zu Mrs Clark redete Mr Menningen nur dann, wenn ich ihm eine konkrete Frage gestellt habe. Und da ich selber nicht gerne der Hauptredner war beliefen sich meine Fragen bloß auf die Lage des Anwesens und das Wetter. Ich genoss es einfach an der frischen Luft zu sein und den Fahrtwind zu spüren. Die Landschaft war so wunderschön. Es war so grün, etwas was ich in der Stadt niemals gesehen hatte, außer vielleicht im Park oder im Garten, doch diese Natur war etwas ganz anderes. Es war tausendmal schöner und einzigartiger. Wie ich von Mr Manningen erfahren hatte wohnte Rebecca in der Nähe des Meeres. Zwar nicht so nahe, dass man die Füße direkt ins Meer halten konnte, doch man würde es nach einer kurzen Fahrt mit der Kutsche sehen. In meinem ganz Leben hatte ich noch nie das Meer gesehen, geschweigenden meine Füße hereingehalten. Vater hasste alles, was außerhalb von der Stadt lag, deswegen hatten wir diese so gut wie nie verlassen. Doch tief im Inneren erinnerte ich mich daran, dass wir vor Mutters Tot auf dem Land gewohnt hatten. Doch daran erinnerte ich mich nicht mehr, nur noch Bruchstücke waren in meinem Kopf verankert. Je näher wir unserem Ziel kamen, des so mehr veränderte sich die Luft. Eine Aufregung machte sich in meinem ganzen Körper breit, sodass ich es kaum erwarten konnte endlich anzukommen. Wir waren nun schon ein paar Stunden unterwegs, sodass wir bald ankommen würden. Auch die Sonne war bereits so weit untergegangen, sodass die Dämmerung bereits begonnen hatte. "Ist Ihnen nicht kalt, Miss," fragte mich die Stimme von Mr Menningen. Ich sah zu ihm herüber, er sah mich besorgt an. "Nein, nein. Es wird noch gehen für die letzten Meter," sagte ich und wollte nicht, dass er sich Umstände machte. Er sah mich noch einmal besorgt an. Mit einem Lächeln versuchte ich seine Sorgen zu bekämpfen. "Es ist doch nicht mehr so weit. Es wird schon gehen," sagte ich noch einmal. Er sah mich erneut skeptisch an, beließ es aber bei seiner ersten Frage. Ich würde nicht sagen, dass ich die Kälte, die hier draußen herrschte gewohnt war, doch ich kannte sie gut. Dies lag daran, dass die Zimmer von meiner Schwester und mir meistens nie durch die Kamine gewärmt wurden. Wenn einer von uns beiden darum gebeten hatte, die Kamine anzuheizen wurden wir von den Angestellten mitleidig angesehen und bekamen meist die Antwort, dass entweder nicht genug Holz da sei, oder es für andere Sachen bereits gebraut würde. Natürlich waren dies Anweisungen von unserem Vater gewesen. Er wollte So wenig, wie möglich, an seine Töchter verschwenden. Immerhin waren wir nur Töchter und keine Erben. Vielleicht wäre es anders gewesen, wenn wir einen Bruder gehabt hätten, vielleicht wäre unser Vater gnädiger gewesen. Doch ich sollte aufhören an das zu denken, was nicht zutrifft. Mein neues Leben, so ungewiss es auch war stand nun vor mir. Es mag ungewiss sein, doch es freute mich aus meinem alten Leben heraus zu kommen. Ich wollte damit nicht sagen, dass das aufziehen meiner Schwester die schlimmsten Jahre meines Lebens waren, nein, ich hatte diese Jahre geliebt. Dadurch hatte ich mich gebraucht gefühlt, doch nun war sie erwachsen und Verheiratet und brauchte mich nicht mehr, so wie sie mich damals gebraucht hatte. Nun war es Zeit für mich ein neues Leben zu beginnen und auf eigenen Beinen zu stehen.

"Sehen Sie, Miss," sagte die männliche Stimme von Mr Menningen. Ich sah ihn an und folgte seinem ausgestreckten Finger. Er deutete auf ein Anwesen, was man am leicht am Horizont erkennen konnte. Das Haus was ich sah war schon aus der Entfernung riesig. Wie groß würde es wohl sein, wenn wir da waren. Ich wusste zwar, dass Rebecca gut verheiratet war, doch dieses Haus sprach dafür, dass ich das Vermögen ihres Mannes eindeutig unterschätzt haben mochte. Das Haus auf das wir zufuhren verfügte über drei Etagen und einen großen Vorgarten. Es sah beeindruckend aus. In der Stadt hatte ich schon viele Häuser gesehen. Große, kleine, doch alles übertraf das Anwesen auf das wir zufuhren. Die große des Anwesens und die späte Stunde zu der wir eintreffen würden machten mich nervös. Eigentlich war ich kein Mensch, der vor einer angekündigten Begegnung nervös oder gar aufgeregt, doch diesmal hatte ich mich auf etwas anderes vorbereitet. Und ich hasste nichts mehr, als nicht auf etwas vorbereitet zu sein. Dies war eine Eigenschaft, die ich mir in den Jahren angeeignet hatte. Solange ich wusste, was vor mir lag konnte ich mit allem umgehen. Unwissenheit machte mich wahnsinnig und ängstigte mich. "Glauben Sie, dass wir Mrs Rebecca Umstände bereiten, wenn wir zu so später Stunde erscheinen?" fragte ich etwas nervös. Er sah mich etwas belustigt an. Es verwirrte mich, dass er meine Aussage anscheint belustigend fand. "Sie werden keine Umstände machen, Miss. Mrs Gardner hat die letzte Woche von nichts anderem gesprochen, als von Ihrem bevorstehenden Besuch. Sie freut sich Sie wiederzusehen," versuchte er mir meine Nervosität auszureden. Er war nicht belustigt wegen meiner Sorge gewesen, sondern weil er wusste, dass sie unberechtigt war. Ein wenig beruhigten mich seine Worte, doch trotzdem war da immer noch dieses unwohle Gefühl, der Ungewissheit. Ich versuchte mich den restlichen Weg darauf zu konzentrieren nicht das große Haus anzusehen, sondern die schöne Natur wirken zu lassen. Es funktionierte so lange, bis wir vor einem großen Tor hielten und Mr Menningen von der Kutsche sprang um das Tor zu öffnen. Nun als wir vor dem Anwesen standen wirkte das Haus noch imposanter, als von der Ferne. Das Haus erstrahlte hinter einer langen Auffahrt, die sich durch den Vorgarten erstreckte. Das Haus war auf der Vorderseite dunkel. Keine einzige Kerze brannte. Was nur das Gefühl bestätigte, dass wir ungelegen kamen. "Sind Sie sich sicher, dass wir nicht doch ungelegen kommen?" fragte ich noch einmal. Mr Menningen hörte mich entweder nicht, oder er antworte mir einfach nicht. Es war sicherlich schon zwanzig Uhr. Normalerweise hatten man in den Zimmern noch Kerzen an. So kannte ich es aus der Stadt. Weshalb mich immer stärker das Gefühl überkam zu stören. "Mrs Gardner hält sich zu dieser Stunde meistens im Garten auf, oder auf der Terrasse der anderen Seite des Hauses. Deshalb sind auf dieser Seite keine Kerzen an. Sie findet es zu verschwenderisch," erklärte mir Mr Menningen, als er wieder auf den Kutschbock stieg. Das verstand ich. Warum Kerzen benutzen, wenn man sie nicht brauchte. In der Stadt war es anders gewesen. Hier lebte jeder verschwenderisch, weil es halt alle anderen taten. Man musste immer der sein, der am meisten Geld hatte, auch wenn es hinter den Kulissen ganz anders aussah. Wir fuhren zusammen den kleinen Weg zur Eingangstür vor. Als die Kutsche vor der Tür zum stehen kam, beschleunigte mein Herz sich automatisch um ein paar Schläge. Mr Menningen war bereits vom Kutschbock heruntergesprungen und holte nun die Kiste. Ich war noch nicht in der Lage mich zu bewegen. Innerlich redete ich mir ein, dass ich nur einmal tief durchatmen musste. Mein Herz sollte sich beruhigen. Es ist ein neuer Abschnitt in meinem Leben, denn ich gehen werde. Außerdem ist Rebecca keine fremde Person, vor der ich angst haben muss. Sie ist meine engste Freundin. Das eigene Zureden half mir mein Herz zu beruhigen. Meine Nervosität war zwar immer noch da, doch ich beruhigte mich ein wenig. Es lag etwas Neues vor mir, doch auch dies würde ich meistern. "Sind Sie bereit?" fragte mich die Stimme von Mr Menningen. Mein Blick ging zu ihm nach unten. War ich bereit? Fragte ich mich selber. Ich musste bereit sein. Egal, was kommen würde. Kurz nickte ich und ergriff die Hand von Mr Menningen. Er half mir den Kutschbock herunter und lief dann vor zur Eingangstür. Noch einmal atmete ich tief durch, bevor ich ihm folgte. Vorsichtig trat ich in die große Eingangshalle ein. Sie war riesig. Ich erkannte sofort den Stil von Rebecca. Die Wände waren in einem hellen blau gehalten und an jeder Seite der Wand hing ein Bild. Da ich mich mit Kunst nicht auskannte, wusste ich nicht, ob dies Bilder von bekannten Künstlern waren, oder ob Rebecca sie selbst gemalt hatte. Der Eingangsbereich war langgezogen, sodass im hinteren Teil eine große Treppe thronte. Neben der Treppe war ein großer Spiegel mit einer Kommode zu erkennen. Alles an sich sehr hell und warm gehalten. Als mein Blick zur decke wanderte sah ich einen großen Kronleuchter. Dieser war riesig, wenn nicht sogar gigantisch. Zu meiner Überraschung brannten alle Kerzen. Dies hatte man von draußen nicht sehen können. Es bereitete mir weniger Unbehagen um diese Uhrzeit hier zu erscheinen. "Sie können mir Ihren Mantel und die Haube geben, Miss Hadley," sagte eine weibliche Stimme neben mir. Als ich mich zu ihr umdrehte, sah ich ein junges Mädchen in Dienstkleidung. Ich lächelte sie an und löste das Cape was ich trug. Vorsichtig legte ich es in ihre Hände. Meine Haube war mit zwei Nadeln befestigt, die ich erst herauszog und die Nadeln vorsichtige in meine Hand legte. Mit der anderen Hand nahm ich die Haube vorsichtig ab und gab sie ebenfalls dem Mädchen. "Vielen Dank," bedankte ich mich bei dem Mädchen, die knickste und sich dann zurückzog. "Ich werde Mrs Gardner sagen, dass Sie hier sind," sagte Mr Menningen und verließ den Eingangsbereich.

Der Weg der Miss Sophia Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt