-Logan-
"Hast du Toni oder Lucas erreicht?" Fragte ich hoffnungsvoll. Corinne schüttelte den Kopf.
Verzweifelt schlug ich mit der Faust gegen die Wand. Corinne zuckte zusammen, doch sie sagte nichts. Ich wollte den Schmerz spüren. Nur für einen Moment wollte ich damit den anderen Schmerz, den meines Herzens, meiner Seele, vergessen. Seit Stunden suchte ich sie nun schon. Mittlerweile war es abends und bisher hatte ich noch keine Spur gefunden. Mehrere Stunden war ich in Sydney umher geirrt, ehe Corinne mich gefunden hatte. Es brachte nichts. Ihre Fährte hatte sich vor der Tür verloren. Das Gefühl, welches mich die letzten zwei Wochen in den Wahnsinn getrieben hatte, war wieder da. Als ich sie gefunden hatte und sie in meiner Nähe war, war es zu einer angenehmen, beruhigenden Präsenz in mir geworden. Doch jetzt schien es wieder seine Klauen in mir zu graben, mir den Verstand zu rauben und die Kontrolle über mich zu übernehmen. Ich musste Sarah finden. Ich musste sie in meinem Armen halten und wissen, dass es ihr gut ging. Dass sie bei mir war. Dass sie meine Gefühle erwiderte. Corinne war es schließlich, die meine sinnlose Suche stoppte. Sie hatte erwartet, dass Sarah und ich, gemeinsam zu dem Neujahrsessen kommen würde. Als König war es meine Pflicht, der ich normalerweise nur zu gern nach kam. Natürlich hätte ich Sarah mitgenommen. Wäre sie da gewesen. Corinne war es auch, die die Idee hatte, die Videos der Überwachungskameras anzusehen. Ich hätte niemals aufgehört durch jede einzelne Straße Sydneys zu jagen, hätte sie nicht eine bessere Idee gehabt. So wusste ich nun, dass Sarah gemeinsam mit Felix in einem Jeep unterwegs war und kannte das Nummernschild. Dumm war nur, dass ich damit momentan nicht viel anfangen konnten. Die Lykae waren alte und unsterbliche Wesen. Es gab nur wenig was uns wirklich umbringen konnte. Deshalb gab es verschiedene Regeln um zu verhindern, dass wir zu viele wurden. Eine davon war, dass nur Lykae mit ihren Gefährten Kinder bekommen durften. Es dauerte meist Jahrhunderte ehe ein Lykae, die ihm bestimmte Gefährtin fand. Es gab daher nur wenige Kinder. Die meisten von uns waren ziemlich alt. Ich schob es auf unser Alter, dass wir mit der neuen Technologie nicht so viel anfangen konnten wie die Menschen. Vielleicht lag es auch an unserer Rasse. Wir liebten die Freiheit und die Aktivität. Nur die wenigsten von uns würden sich freiwillig in irgendeinen Raum hocken und stundenlang eine flache Scheibe anstarren. Sicherlich, wir hatten alle gelernt mit der neuen Technik umzugehen. Zumindest die meisten. Doch wie sich nach dreistündiger Suche herausstellte, gab es tatsächlich nur zwei, die zu mehr in der Lage waren, als die alltags übliche Nutzung der Rechner. Und eben diese zwei suchten wir jetzt. Toni, oder sowie sie richtig hieß Antonia, war Lucas' Gefährtin. Beide hatten ein ungewöhnlich starkes Interesse an Computern, Programmieren und Hacken. Eben diese Fähigkeit, an der ich gerade am meisten interessiert war. Jedoch waren die beiden im Urlaub und scheinbar nicht erreichbar. Das würde Folgen haben.
Wieder schlug ich meine Faust in die Wand.
"Beruhig dich, Logan!" verlangte Corinne von mir. Knurrend fuhr ich zu ihr rum. Nur Sekunden von der Verwandlung entfernt. "Wie soll ich mich beruhigen, wenn ich jede einzelne Sekunde spüre, das sie sich immer weiter von mir entfernt?" Tatsächlich fühlte ich es. Ich fühlte jeden einzelnen Kilometer, der sich zwischen uns legte.
"Wir werden sie finden. Vielleicht nicht so einfach und schnell wie Toni oder Lucas. Aber das ändert doch nichts am Ergebnis."
"Und wie?" fragte ich. Mein ganzer Körper angespannt. Ich würde alles dafür machen um sie wieder in den Armen zu halten, ihre beruhigende Nähe zu spüren. Mit ihr zu reden und zu lachen, einfach nur um bei ihr zu sein.
"Die Frauen und ich werden in jeder Autovermietung in Sydney anrufen und nach dem Nummernschild fragen. In der Zeit kannst du zusammen mit den Männern nach ihr Suchen. Viele haben sie gestern Abend gesehen und ihren Duft gerochen. Es sollte kein Problem für sie darstellen sie zu finden..." Sie wurde von ihren jüngeren Bruder unterbrochen.
"Hast du sie markiert?" fragte Finn, der gemeinsam mit Kai zu uns trat.
Für einen kurzen Moment schlich sich ein kleines Lächeln auf mein Gesicht. Ich hatte gar nicht anders gekonnt, als sie als die meine zu kennzeichnen. Vielleicht war es nicht richtig gewesen, vielleicht hätte ich sie fragen sollen und ihr erst meine Welt erklären sollen, aber in dem Moment war es mir so richtig vorgekommen und ihr hatte es auch gefallen. Ich war mir fast sicher, dass sie auf einer instinktiven Ebene gespürt hatte, was ich tat als ich sie als die meine markierte. Ich bereute es nicht. Besonders jetzt nicht, wo sie nicht bei mir war. Mein Mal würde jeden anderen Lykae abschrecken und sie als vergeben kennzeichnen. Auch menschliche Männer reagierten darauf, obwohl sie es nicht sehen konnten. Es würde sie schützen.
"Sehr gut." riss Finns Stimme mich aus meinen Gedanken. "Dadurch werden auch die, die heute Nacht nicht dabei waren, sie als deine Gefährtin erkennen."
"Wir werden sie finden, Logan!" versicherte Kai mir.
Sie alle waren wild entschlossen. Wir teilten die Suchtrupps ein. Ich selbst suchte natürlich auch mit. Schlief gerade so viel wie unbedingt nötig. Corinne und die anderen Frauen telefonierten mit sämtlichen Autovermietungen. Trotzdem änderte es nichts am Ergebnis. Fünf Tage später hatte ich sie immer noch nicht gefunden. Ich konnte genau den Moment bestimmen, in dem sie Australien den Rücken zu kehrte. Ich hatte das Gefühl innerlich zu zerreißen. Für einen Moment sackten meine Schultern nach unten. Es war eine Sache, Sarah auf einen Kontinent zu Suchen, aber eine ganz andere sie auf der ganzen Welt zu suchen. Doch das war irrelevant, erinnerte ich mich und richtete mich entschlossen wieder auf. Sie war meine Gefährtin. Ich hatte über fünfhundert Jahre gewartete um sie zu finden und in meinem Armen zu halten. Sie würde nicht diejenige sein, die uns nun voneinander trennte, nur weil ihre menschliche Ansichten irgendwelche falschen Entscheidungen von ihr verlangten. Mittlerweile war ich mir zu hundert Prozent sicher. Sie hatte genauso wenig gehen wollen, wie ich sie hätte gehen lassen wollen. Unendliche Male hatte ich mir die Überwachungsvideos angesehen. Ich hatte gesehen wie sie kurz zögerte bevor sie die Tür schloss, wie sie weinend auf die verschlossene Tür starrte und immer wieder zog ich den kleinen Zettel, den sie mir hinterlassen hatte, hervor. Auch auf ihn war eine Träne gefallen. Sie hatte alles andere als gehen wollen. Sie hatte nicht nur mir das Herz gebrochen, sondern auch sich selbst. Ich mochte sie dafür schütteln, dass sie uns beiden das antat. Viel schlimmer noch sich selbst und ich konnte sie nicht einmal in die Arme nehmen und sie trösten. Es zerriss etwas in mir, zu wissen, dass es ihr schlecht ging und das ich nicht bei ihr sein konnte. Dass ich nicht für sie da sein konnte. Aber das würde sich ändern. Ich würde nicht ehr Ruhen ehe sie wieder bei mir war.
In drei Tagen würden Toni und Lucas wiederkommen und ich hoffte für die beiden, dass sie Wunder vollbringen konnten. Wenn ich sie nicht so dringend brauchen würde, würde ich ihnen vermutlich sofort den Hals umdrehen. Eine gute Erklärung warum sie nicht erreichbar waren, sollten sie trotzdem haben. Sonst würde ich das erledigen, sobald ich Sarah wieder bei mir hatte.
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[02] Silvester
WerewolfEinmal Silvester in Sydney zu verbringen ist Sarahs größter Traum. Gemeinsam mit ihrem besten Freund verwirklicht sie diesen. Dabei lernt sie den charmanten Logan kennen und verbringt eine atemberaubende Nacht mit ihm. Am nächsten Morgen ist sie v...