Das erste Mal - Teil 1

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Zum letzten Mal. Heute war der Tag, an dem vieles zum letzten Mal passieren würde. Zum Beispiel zum letzten Mal Pommes mit Mayo bei Erna's Imbiss.

Ich hatte eigentlich keinen Hunger. Aber man hatte mir geraten, vorher was zu essen.

Es war so scheiße heiß. Seit Wochen. Klimawandel. Der Mais vertrocknete auf den Feldern. Schon morgens war es unerträglich, nachts kühlte es nicht ab. Ich konnte verdammt noch mal nicht schlafen. Jetzt zur Mittagszeit war es nicht auszuhalten.

Ich hatte das kürzeste Kleid in meinem Schrank angezogen. Hauchdünn. Traute ich mich normalerweise nicht. Die kleinste Briese könnte es hochwehen. Aber es ging nicht das geringste Lüftchen. Dünne Träger. Rücken richtig tief ausgeschnitten. Vorne ging es. Den BH hatte ich mir gespart. Kleid und Höschen. Mehr Stoff konnte ich nicht ertragen. Der gute schwarze Slip. Ohne Firlefanz. Aber schön knapp geschnitten. Man konnte ihn definitiv unter dem Kleid sehen, wenn man genau hinsah. Er betonte meinen Hintern. Sollte er auch. An scharfen Teilen hatte ich nur das. Und heute musste es scharf sein, denn:

Das erste Mal stand an.

Unter anderem . . . . . . . .

Trotzdem lief der Schweiß mir den Rücken hinunter. Meine Haut schien zu glänzen. Als ich zu Ernas ging, sah ich mich mein Spiegelbild in der Scheibe. Ich sah verdammt scharf aus. Wie ich mich normalerweise nicht traute. Aber morgen wäre ich aus dem Dreckskaff verschwunden, und ich würde nur noch zu Besuch wiederkommen. Was kümmerte es mich da, was die Leute über mich dachten?

Fuck die Leute!

Natürlich war der Imbiss leer. Nur Farid saß auf einem Hocker und hörte über sein Handy afghanische Popmusik.

Als ich reinkam, stand er auf und machte sie leise.

„Lass an!"

Er nickte und machte die Musik wieder an. Hier im Dorf musste man aufpassen. Er hatte schon mal die Fresse vollgekriegt, als die Jungschützen um zwei Uhr nachts besoffen noch ein Bier und Pommes wollten und das Gedudel hörten. Scheiß Nazis!

Mir ging die Musik auch auf die Nerven, und sie passte definitiv nicht in Erna's Imbiss. Aber es war eben die Musik seiner Heimat.

„Wie immer?"

„Jo. Kleine Pommes mit Mayo. Und ne Cola. Heute nehm ich ne richtige!"

Er nickte zum Kühlschrank und drehte sich um, um die Fritteuse anzuschmeißen.

„Dauert aber!"

Ich öffnete die Tür des Kühlschranks. Die Kälte kroch mir entgegen. Ich trat einen Schritt näher. Verdammt, war das gut! Ein bisschen Kühle! Ich schob die Diet-Coke beiseite und griff nach der richtigen roten.

Das Metall war kalt und beschlagen. Ich presste mir die Dose an die Stirn.

Die Kälte zog mir alles zusammen. Ich seufzte. Dann rollte ich sie meinen Hals runter.

Sie kühlte mein Blut. Ich spürte es im ganzen Körper.

Aus den Augenwinkeln bemerkte ich, wie Farid mich beobachtete.

War mir egal. Im Gegenteil. Ich zog eine kleine Show ab. Rollte die Dose über meinen Hals, drückte das Rückgrat durch, dann über mein Dekolletee, bis an den Saum meines Kleids.

Lasziv.

Der arme Kerl sollte auch ein bisschen Spaß haben. Er hatte ja sonst nichts. Flüchtling halt. Seine Familie Tausende von Kilometern entfernt. Es hatte ihn verschlagen in die Provinz. Wo die meisten ihn hasten und für einen Terroristen hielten. Scheiß Nazis!

Ich rollte die Dose meine Arme rauf und runter und seufzte, als würde ich's mit der verdammten Cola treiben. Und so ein bisschen war's auch so. Die Kälte bereitete mir eine Gänsehaut, und meine Nippel stellten sich auf. Jetzt rächte es sich, dass ich keinen BH trug.

Aber fuck it!

Hatte Farid was zu gucken!

Egal.

Im Gegenteil.

Ich schloss die Augen, nahm den Kopf zurück, dass meine Haare meinen Rücken runterfielen und drehte mich zu ihm. Er sollte meine harten Nippel sehen! War er es auch?

Farid starrte mich mit offenem Mund an. Ich tat, als bemerkte ich es nicht.

Schob die Beine auseinander, als würde ich die Kälte zwischen meine Schenkel lassen. Mir war nicht nur heiß, ich war es auch. Zum ersten Mal so unverkrampft, und zum letzten Mal hier in dem Kaff.

Wie man es sehen wollte.

Wär doch was, wenn ich ihm was mitgeben würde, an das er sich noch lange erinnerte. Wenn ich schon längst weg wäre, würde er noch an mich denken und sich einen runterholen.

Er verlagerte seinen Schritt, drehte sich zur Fritteuse, als müsste er in seiner Hose was richten.

Wenn meine Nippel hart wie Diamanten waren, dann sollte er es auch sein. Ich gönnte ihm, dass er, nachdem ich verschwunden war, sich mal eben in die Toilette verziehen würde.

Ich würde ihn vermissen. Wir waren nach der Schule oft hierhingekommen und hatten unsere Nachmittage hier verbracht oder auf den Zug gewartet. Die wenigen von uns, die okay waren, und von denen jetzt eine Menge die Eifel verließen. Es gab nur zwei Richtungen mit der Bahn. Links nach Köln. Rechts nach Trier. Farid ging nach rechts. Ich nach links. Aber alle Himmelsrichtungen waren besser als das hier.

Das erste MalWo Geschichten leben. Entdecke jetzt