Ich öffnete die Zimmertür meines besten Freundes. Der schwere Geruch von Weihrauch lag in der Luft und er hatte den Raum abgedunkelt, sodass er wirkte wie eine Gruft.
Ich wusste nicht, ob ich das wirklich wollte, ob ich mich wirklich traute.
Ja, ich wollte meine große Schwester zurück, aber war das hier der richtige Weg?
Die Vorstellung, sie mit ihren langen gelockten Haaren in unserem hübschen Haus wiederzusehen, ließ mich meine Zweifel vergessen.
Meine Vorfreude verleitete mich, endlich einen Schritt in das unangenehm riechende Zimmer zu wagen.
Ich ließ die Tür leise ins Schloss fallen. Fast so, als hätten wir etwas Verbotenes vor.
Anton kam mir entgegen und schloss mich in seine Arme. Er versicherte mir, dass ich Freya bald wiedersähe und ich glaubte ihm.
Bevor wir mit dem von ihm geplanten Ritual anfingen, überreichte er mir eine Tasse Tee. Er schmeckte bitter. So bitter wie das Leben manch eines Menschen.
Da Anton nur das Nötigste redete und meinem Blick auswich, wenn ich etwas über das Bevorstehende wissen wollte, hatte ich die Möglichkeit ihn näher betrachten zu können.
Seine schwarzen Haare lagen glatt und fettig an, seine Haut war von Aknenarben übersät, seine Hände waren rissig. Genauso seine schmalen Lippen. Seine schwarzen Klamotten hingen lose an ihm herunter wie Stofffetzen frisch aus dem Müllcontainer, der neben seinem Haus stand. Er war nicht attraktiv, aber er konnte durch seinen aufrechten Gang und die hohen Wangenknochen durchaus den Anschein erwecken.
Übelkeit stieg in mir auf, aber ich war mir sicher, dass es nur die Aufregung war.
„Wir sollten langsam anfangen.", bemerkte Anton und richtete seine in diesem Dunkel tot wirkenden Augen auf mich.
Ich antwortete mit einem knappen Nicken, woraufhin er sich ein Stück weißer Kreide nahm und ein kreisförmiges Pentagramm auf die dunklen Dielen zeichnete. An jeden Zacken des Sterns hatte er eine schwarze Kerze gestellt und angezündet.
Er bedeutete mir meine Hände auf den äußeren Rand zu legen.
„Amate spiritus obscure, te quaeriums. Te oramus, nobiscum colloquere, apud nos circita.", murmelte er vor sich hin.
Ich hatte absolut keinen Schimmer, was hier passierte, aber das war mir auch egal. Ich wollte einfach nur meine Schwester zurück.
Die Kerzen flackerten, als wehe ein Luftzug durch das Zimmer.
Mir wurde heiß und kalt zugleich und mir perlte der Schweiß die Stirn hinab, während sich all meine Härchen aufstellten.
Meine Hände fingen an zu kribbeln. Ich erinnerte mich daran, dass unsere alte Nachbarin Selma immer gesagt hatte, man verspürte vor einem Herzinfarkt ein Kribbeln im Arm. Nur wusste ich nicht mehr in welchem. Was im Grunde auch egal war, denn dieses unangenehme Gefühl breitete sich nun langsam in meinem ganzen Körper aus, was meine Übelkeit nur noch verstärkte und mir das Gefühl gab, mich gleich übergeben zu müssen.
Tausende Fragen schwirrten in meinem Kopf herum, aber ich traute mich nicht, meinen besten Freund anzusprechen, da er immer noch leise vor sich hin nuschelte.
Seine Stimme dröhnte in meinem Kopf und das Kribbeln wurde von Sekunde zu Sekunde stärker, bis mir schwindelig wurde und ich alles nur noch verschwommen sah.
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Freya
Short Story[Abgeschlossen] Meine Schwester starb vor einem halben Jahr. Ich vermisse sie sehr. Anton ist schon seit ich denken kann mein bester Freund. Er vermisst sie auch. Er kam auf eine Idee, die irgendetwas in mir brechen ließ...