Kapitel 8

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"...und das war ich. Du hast mich geopfert, für dich."

Als sie nickt lasse ich ihre Schultern los, so als ob ich mich verbrannt hätte. Anna tritt einen Schritt auf mich zu, doch ich weiche zurück.
"WIE KONNTEST DU NUR?", schreie ich sie an. "Ich... Ich..." "Ach halt deine Klappe. Du bist einfach nur ein egoistisches Miststück." Ich sehe, wie sie hart schluckt und normalerweise hätte ich sie in den Arm genommen, doch jetzt nicht. Nicht nach allem was sie mir angetan hat und was ich wegen ihr noch durchstehen muss. Nie wieder werde ich sie in de Arm nehmen, trösten oder mit ihr lachen.

"Du hast die ganze Zeit nur an dich gedacht." "Und an meinen Bruder und meine Eltern. Ich konnte sie einfach nicht alleine lassen. Sie brauchen mich", unterbricht sie mich leise, doch das ist ein großer Fehler.
"NA UND? Sie sind zu dritt und meine Mutter ist ALLEINE. Sie hat NUR mich. Ist dir klar, dass du somit nicht nur mein Leben, sondern auch das meiner Mom zerstört hast? Aber das war dir vermutlich egal. Hauptsache dir und deiner Familie ging es gut." "I- Ich wollte das doch gar nicht. Ich hab nicht n-nachgedacht und...", stottert sie leicht hilflos. "Halts Maul. Du wusstest es genau. Du kennst mich schon seit der Grundschule und kanntest mich am besten."
"I-Ich w-", setzt sie wieder an, doch ich unterbreche sie mit einer Handbewegung.

"Verschwinde. Sobald ich hier rauskomme, und das werde ich, glaub mir, will ich dich nie wieder sehen. Sollte ich dich je wieder treffen werde ich dir das Leben zur Hölle machen, so wie du es mit dieser einen Entscheidung mit meinem Leben getan hast." Ihre Schultern beben und mir geht es nicht anders. Doch ich empfinde keineswegs sowas wie Mitgefühl. Sie hat es sich selbst zuzuschreiben.
"Weißt du, mit dir muss man echt Mitleid haben." Sie hebt den Blick und sieht mich mit Augen voller Schmerz an. Das hat sie sich selbst zuzuschreiben. "Es ist doch echt traurig, wenn man so egoistisch ist. Irgendwann kommt eine Situation, in der du sogar deine Familie in so eine Situation bringen würdest und zwar nur, weil du es nicht ertragen kannst selbst in dieser scheiß Lage zu sein." "Das stimmt nicht. Meine Familie würde ich niemals ausliefern", unterbricht sie mich aufgebracht und das ist wie ein Schlag in den Magen. Ich keuche.

"Deine Familie?", frage ich schrill. "Du würdest deine Familie niemals ausliefern? Und was ist mit mir? Hast du nicht immer gesagt, dass ich zu deiner Familie gehöre? Dass ich sowas wie eine Schwester wäre, die du nie hattest?" Ertappt blickt sie wieder auf ihre Schuhe und ich kann wieder nur schnauben. In dem Moment kommt Ice rein. Perfektes Timing. Ich gehe ihm freiwillig entgegen. Äußerlich wirke ich vermutlich gefasst, aber innerlich zerbricht gerade meine Welt. Meine beste Freundin und Schwester hat mich ausgeliefert. 

Im Türrahmen drehe ich mich noch einmal zu ihr um. Ihre Haare wirken kaputt und genauso sieht ihr Körper aus, welcher immer noch bebt.
"Weißt du," Sie schaut auf. "Ich hätte mich immer für dich geopfert. Ich wäre vielleicht sogar freiwillig hier her gekommen, nur damit du das nicht ertragen musst. Und das Gleiche hatte ich auch von dir erwartet. Allerdings hätte ich diese Aktion echt nie von dir erwartet. Aber keine Sorge, ich bin nicht wütend. Ich bin nur enttäuscht. Sollte ich dich jemals wieder sehen werde ich voller Hass sein und das wirst du spüren." "Es tut mir l-", probiert sie es noch ein letztes Mal, doch ich drehe mich einfach um und verlasse den Raum.

"Geht es dir gut?", fragt Ice, nachdem wir eine Weile nebenher gegangen sind. Er hat nicht wie auf dem Hinweg meinen Arm gepackt, sodass ich keine Möglichkeit zum Fliehen habe. Man sieht mir wohl an, dass ich keinen Widerstand leisten werde.
Überrascht schaue ich zu ihm auf. Die Frage kommt überraschend. Er hat zwar etwas Einsicht gezeigt, indem er mich nicht wie sonst hinter sich her schleift, aber dennoch habe ich nicht mit einer so netten Frage gerechnet. "Sehe ich denn so aus?", frage ich angepisst. Überrascht von meinem Tonfall hebt er die Augenbrauen. Schnell entschuldige ich mich, da ich nicht will, dass er wieder der 100% kalte Ice wird, sondern ein Fünkchen Wärme in ihm bestehen bleibt. "Wie würdest du dich denn fühlen, wenn man von dem zweitliebsten Menschen auf der Welt ausgeliefert wird?", stelle ich ihm deshalb die Gegenfrage. "Ich- Ich weiß nicht." "Naja, zumindest nicht wie nach einem Lottogewinn", sage ich ironisch und bemerke, wie sich sein rechter Mundwinkel leicht anhebt. 

My hot hijacker *pausiert*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt