U N K N O W N
Unter meinen Fingern bildet sich ein feiner Riss im Eis. Noch war er winzig - aber er würde wachsen.
Und nicht zuletzt ihr Leben verändern.
Ich hatte lange mit mir gerungen. Ob ich sie einweihen sollte.
Ob ich sie in das verwandeln sollte, was ich bin. In einen Andersblüter.
Mir schaudert es vor dem Gedanken, dass sie mich hassen würde. Wenn sie herausfindet, dass ich ihr das angetan habe... Oder besser antun werde. Aber sie kennt mich nicht. Noch nicht.
Ich starre sie an, lausche ihren Schritten im Schnee. Sie sind leicht, federnd - wahrscheinlich ist sie glücklich...
Nein, denk nicht daran! Denk an deine Schwester!
Ich schüttel den Gedanken an meine Schwester ab. Sie ist... verschollen. Aber die Stimme in meinem Kopf hat Recht.
Ich kneife die Augen fest zusammen, hoffe, das ist alles nicht echt.
Hoffe, ich muss nicht gleich das tun, was ich tun werde.
Aber es ist alles real. Und ich kann nichts daran ändern.
Es tut mir leid, Avery...
Zitternd lege ich meine Hand vollständig auf das Eis, wobei es leise zu zischen anfängt. Der aufsteigende Wasserdampf versperrt mir kurz die Sicht.
Zuerst langsam, dann immer schneller schlängelt sich der Riss unter meinen Fingern in ihre Richtung.
Mit einem nervtötenden Geräusch spaltet sich das Eis plötzlich komplett.
Ich ziehe erschrocken meine Hände zurück - auch wenn das das ist, was ich erreichen wollte. Oder eher das, was ich tun musste.
Das Mädchen schaut sich hilfesuchend um, also drücke ich mich rücklings an den Felsen, der das Ufer markiert.
Es tut mir so leid...
Ich wende den Blick ab und schließe die Augen.
Dann höre ich ihren Schrei, gefolgt von einem Platschen.
Das war's... Jetzt gibt es kein Zurück... Nie wieder.
Was habe ich da gerade getan!?
Ich lasse mich an der Wand auf den Boden rutschen bevor ich die Arme über dem Kopf zusammenschlage. Was hab ich nur getan...?A V E R Y
Das eiskalte Wasser umschließt mich wie eine Decke aus Blei und die Dunkelheit verschlingt jegliches Licht. Innerhalb von Sekunden ist meine Kleidung durchnässt.
Alles ist schwarz.
Wo ist Oben? Wo ist die Wasseroberfläche?!
Ich strample verzweifelt, aber mein schwerer Anorak zieht mich runter. Nein, Nein, Nein!
Die Kälte durchdringt mich bis in die Knochen und ich spüre wie meine Finger taub werden.
Ich hätte nicht hierher kommen sollen...
Meine Mum hatte immer gesagt, der zugefrorene See sei gefährlich.
Und jetzt bin ich hier. Allein. In dieser stechenden Kälte.
Das sprudelnde Wasser brennt in meinen Augen, während ich in die Dunkelheit starre.
Ich spüre meinen Körper nicht mehr. Alles ist taub vor Kälte, alles ist unbeweglich und steif.
Ich spüre wie sich meine Lunge mit eiskaltem Wasser füllt und habe unwillkürlich den Drang zu Brechen.
Könnte ich weinen, würde ich vermutlich. Oder schreien.
Da ist nichts als Angst.
Angst und Finsternis.
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Lifeblood - Frozen Heart
Fantasy› Ich spüre wie sich meine Lunge mit eiskaltem Wasser füllt und habe unwillkürlich den Drang zu brechen. Könnte ich weinen, würde ich vermutlich. Oder schreien. Da ist nichts als Angst. Angst und Finsternis. ‹ Muu Veri, Andersblüter, der Inbegriff...