Oliver lag stumm auf seinem Bett und starrte an die Decke. Er tat das in letzter Zeit vermutlich etwas zu oft oder zumindest oft genug, dass die anderen aus seinem Schlafsaal es mitbekamen. "Hey, Oliver, was ist los mit dir? Was ist das Problem?" Oliver konnte die Stimme beinahe sofort Percy zuordnen, obwohl dieser klang, als hätte er zu wenig getrunken oder zu viel geschrien - irgendwie heiser eben. Er kang weder genervt, noch anklagend, eher müde und gleichzeitig ehrlich interessiert. "Das Problem?", fragte Oliver, "keine Ahnung." Er zögerte. "Naja... vielleicht bin ich verliebt." Der Quidditchkapitän biss sich angespannt auf die Unterlippe. "Bitte?", fragte sein Gegenüber ein wenig verwirrt. "Ach, egal", murmelte Oliver und rollte sich auf die Seite, sodass er Percy den Rücken zudrehte. Er wollte jetzt nicht reden. Eigentlich wollte er überhaupt nicht reden. Klar wusste Oliver, dass er trotzig reagierte, aber er wollte doch nur, dass es aufhörte. Er wollte nicht so fühlen.
Verdammt, wie lange würde es dauern, bis das hier aufhörte? Wie lange, bis es geheilt war? Bis er geheilt war? Ignorieren brachte nichts, wenn die Bücher nicht logen. Liebe konnte man nicht ignorieren. Aber war das überhaupt Liebe? Das Gefühl, sich sich selbst stellen zu wollen? Sich gegen das zu stellen, von dem er bisher immer geglaubt hatte, dass er es war? Oliver hatte keine Ahnung. Er war noch nie verliebt gewesen. Wann auch? Er war 15.
Der junge Hüter dreht sich erneut. Er konnte jetzt nicht schlafen. Er hatte doch keine Ahnung von Liebe und machte sich jetzt schon seit Wochen Gedanken darüber.
Jeder dachte, er könnte gar nicht lieben. Alle anderen konnten das, aber nicht Oliver Wood. Alle anderen jagten der Liebe, dem Gefühl hinterher und Oliver Wood nur dem Quaffel. Er konnte nicht verliebt sein, er durfte einfach nicht verliebt sein.
Oliver drehte sich erneut. Er würde - wie immer in letzter Zeit - erst spät einschlafen und am nächsten Morgen völlig übermüdet sein. Es störte ihn schon länger nicht mehr.Das einzige Problem war, dass Samstag war und dazu ausgerechnet ein Hogsmeade-Wochenende. Oliver hatte nicht hingehen wollen, aber Percy hatte ihn gefragt und Oliver hatte nicht nein gesagt. Warum auch? Percy war sein bester Freund. Und vielleicht hatte Oliver auch nicht nein gesagt, weil es eben Percy war, der gefragt hatte.
Der Hüter zog seinen Umhang fester um sich und kämpfte sich krampfhaft durch den tiefen Schnee. Er bereute seine Entscheidung schon, bevor sie das Dorf überhaupt erreicht hatten. Percys Lachen neben ihm machte es trotzdem irgendwie wieder wett. Oliver hatte schon längst aufgehört dem anderen zuzuhören, er genoss es einfach, gemeinsam durch den Schnee zu stapfen. Als er Percy über irgendetwas schimpfen hörte, vermutlich die Erstklässler, weil es immer die Erstklässler waren, kam ihm die Kälte plötzlich nicht mehr so schlimm und der Schnee nicht mehr so tief vor.
Und für einen Moment wünschte Oliver sich, dass diese blöde Liebe im Frühling schmilzen und mit den Flüssen fortgerissen werden würde, weil er diese kleinen Percy-Momente wieder normal genießen wollte, ohne Kribbeln und ohne Hitze und ohne Verlegenheit und ohne Liebe. Weil Percy nur sein bester Freund war und auch nie mehr werden würde, weil er Penelope mochte und Oliver wusste das.Der Quidditchkapitän gab den Kampf gegen seine Gefühle auf, als Percy ihn zum Eisessen überredete, Erdbeereis, weil Percy immer Erdbeereis aß. Für Percy ging Eisessen immer, auch wenn es fürchtbar kalt war und Oliver seine Finger längst nicht mehr spürte. Bei Percy konnte Oliver nicht nein sagen. Er hatte das nie geplant, aber es gab eben kein Entkommen, nicht wenn Percy wegen seinem Ja zu dem Eis strahlte und nicht, wenn seine Augen so leuchteten, weil er in einem Aufsatz für Verwandlung ein Ohnegleichen geschafft hatte, wie auch immer er zu diesem Thema gekommen war.
Oliver fluchte leise, weil es angefangen hatte zu stürmen, als sie zurück gehen wollten. Er wusste, dass er selbst Schuld war, weil Percy ihm das vorrausgesagt hatte, er aber unbedingt noch mal zu 'Qualität für Quidditch' gewollt hatte. Aber als er spürte, wie Percy nach seiner Hand griff, weil sie kaum einen Meter sehen konnten, wusste er, dass er nicht allein war.
Und als er eine Ewigkeit später bei Madam Pomfrey im Krankenflügel saß und sich etwas gegen das Fieber geben ließ, wünschte er sich, Percy wäre hier und er könnte ihn aus dem Nachbarbett flüstern hören, weil er sich nicht sicher war, ob Oliver nicht doch schon schlief.
In diesem Moment war sich Oliver sicher, dass er nur aus Versehen verliebt war und dass er gar nicht Schuld war.Den gleichen Gedanken hatte er ein paar Tage später erneut, als er abends allein auf der Tribüne des Quidditchfeldes saß. Es war nicht seine Schuld und er könnte irgendwie geheilt werden.
"Hier bist du, ich hab dich schon gesucht." Percy ließ sich neben Oliver nieder. Es hätte nur Percy sein können, weil die anderen ihn nicht draußen suchen würden und weil Percy immer der Erste war, der ihn fand. "Mhm", machte er und konnte prompt nicht sagen, ob es zustimmend gemeint war oder er einfach nicht gewusst hatte, was er sagen sollte. Percy sah ihn von der Seite an und Oliver richtete seinen Blick starr auf die Torringe, weil er nicht wusste, wie er mit der Sorge im Blick des Rothaarigen umgehen sollte. Weil sich das Kribbeln in Olivers Bauch dann in Grenzen hielt und weil er weniger Angst hatte, irgendwas dummes zu machen, weil Oliver immer irgendwas dummes machte, wenn Percy da war.
Er zuckte zusammen, als er Percys Hand auf seiner spürte und wie der Gleichaltrige sie schließlich in seine nahm. Mit dieser Intänsität des Gefühls konnte Oliver nicht umgehen. Vielleicht konnte Oliver aber generell nicht gut mit Gefühlen umgehen. Er musste Percy ansehen, er musste ihm sagen, dass er das hier nicht konnte und dass er nicht schwul war, aber sobald sein Blick den des Rothaarigen traf, blieben die Worte in seinem Hals stecken und verkrampfen sich zu einem Kloß, von dem Oliver nicht wusste, ob er in besser runterschlucken sollte oder nicht.
Später konnte er nicht genau sagen, wer den Schritt gemacht hatte, obwohl er sich sicher war, dass er es nicht gewesen war. Das Einzige, was er sicher wusste, war, dass er Percys Lippen auf den seinen spürte und dass das Kribbeln in seinem Bauch längst kein Kribbeln mehr war.
Vielleicht war er aus Versehen verliebt, aber aus Versehen hieß noch lange nicht, dass das schlecht war. Percy ließ seine Welt leuchten, denn verdammt, ja, er, Oliver Wood, war verliebt.
DU LIEST GERADE
Accidentally in Love
FanfictionJeder dachte, er könnte gar nicht lieben. Alle anderen konnten das, aber nicht Oliver Wood. Alle anderen jagten der Liebe, dem Gefühl hinterher und Oliver Wood nur dem Quaffel. Er konnte nicht verliebt sein, er durfte einfach nicht verliebt sein. [A...