𝙺𝚊𝚙𝚒𝚝𝚎𝚕 𝟶𝟸 |

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Miguel legte seine gereinigte Waffe auf den Tisch und griff nach einem Stück der kalten Tortilla, die Mariella vorbei gebracht hatte. Seine Schwester machte sich ständig Sorgen um den hochrangigen Drogenfahnder der Federal Police.

Miguel führte seit zwei Jahren seine eigene Einsatztruppe, bestehend aus sechs der best ausgebildeten Militärs von Mexico Stadt. Seither gab es keinen Einsatz der schief gegangen war. Der junge General wusste wie und wo er ansetzen musste, um ans Ziel zu kommen.

Er galt als unbestechlich. Etwas, das nicht gern gesehen war, in dieser Stadt, die vor Korruption zum Himmel stank.

»Hast du wieder nichts besseres zu tun, als deine Lieblinge zu polieren, Hermano?« Domenico kam herein und schloss die Verandatür hinter sich. Miguels jüngerer Bruder hatte noch nie viel vom Anklopfen, oder zur Vordertür hereinkommen, gehalten.

»Was tust du so spät noch hier?« Miguel verstaute gewissenhaft die Reinigungsutensilien in einem kleinen, schwarzen Koffer. Er rutschte mit dem Stuhl über den alten, zerkratzten Holzboden der Hazienda, die sein Vater ihm hinterlassen hatte und stand auf.

»Ich war in der Nähe und wollte mal nach dem Rechten schauen.«

Miguel nahm den Koffer, verstaute ihn in einem der Hochschränke, der landestypischen Küche.

»Sag Mariella ich habe ihre Tortilla im Kühlschrank gefunden und ich lebe noch«, kam es ziemlich gleichgültig von dem großen Schwarzhaarigen. Dabei nahm er seine Waffe, zog den Schlitten auf und sah prüfend hinein.

»Du kannst ihr ihre Fürsorge nicht zum Vorwurf machen, Miguelito.«

»Tue ich nicht, Dom.« Ohne seinen Bruder anzuschauen ging er an ihm vorbei, um seine Waffen in die Holster zu schieben, die ihn morgen zu einem lange geplanten Einsatz begleiten würden.

»Hast du morgen wieder einen deiner gefährlichen Einsätze? Wie lange willst du das noch tun, Hermano? Du gefährdest damit nicht nur dich. Auch uns. Du weißt zu was diese Menschen fähig sind. Und damit meine ich nicht nur die Drogenhändler.«

In diesem Land waren manche der Polizisten genauso kriminell wie die Kriminellen selbst. Miguel unterschied sich empfindlich von ihnen. Allein sein hoher Rang, sein gnadenloser Ruf und die engen Beziehungen zum Polizeipräsidenten, gaben ihm Immunität und ein gewisses Maß an Schutz.

Nicht selten hörte man von getöteten Beamten oder von entführten Familienmitgliedern von Beamten. Nicht nur die Machenschaften von Kriminellen und Drogenbanden. Von den meisten hörte man nie wieder etwas. Sie verschwanden spurlos in der Wüste, weshalb Miguel peinlich genau darauf achtete, dass seine Familie genügend Abstand zu ihm hatte, um nicht ins Visier solcher Menschen zu geraten.

»Warum bist du so verbissen darauf, Miguel? Irgendwann muss es doch auch dir klar werden, das es ein Fass ohne Boden ist. Es wird sich niemals etwas in diesem Land ändern.« Domenico folgte seinem Bruder durch das Haus, das etwas abseits vom Stadtrand stand und einen neutralen Rückzugsort für Miguel darstellte.

»Wenn niemand versucht etwas zu verändern, wird es das auch nie.«

Miguel ging in seinen Trainigsraum und zog sich dabei Trainingshandschuhe an.

»Wir haben Angst um dich, seit das mit Emanuel passiert ist.« Doms Worte erreichen seinen älteren Bruder nicht. Dieser hatte begonnen den frei schwingenden Sandsack zu bearbeiten. Immer wieder donnerten Miguels harte Schläge gegen das alte Leder, gefolgt von genau kalkulierten Kniestößen und Schienbeintritten.

Domenico näherte sich ihm, stellte sich hinter den Sandsack, um ihn für seinen Bruder in Position zu halten.

Domenico machte sich nicht umsonst Sorgen um Miguel. Sein Bruder wurde nicht jünger. Morgen würde sein siebenundzwanzigster Geburtstag sein und durch seine Arbeit, würde er nicht einmal dazu kommen, ihn zu feiern. Er würde Nachts in irgendeiner verwahrlosten Cantina im historischen Altstadtkern sitzen und mit seiner Truppe anstoßen.

My Last EnemyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt