Kapitel 11

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Das Gefühl des heißen Wassers auf ihrer Hand sorgte dafür, dass ihr ein heißer Schauer über den Rücken lief. Nach dem, was in dieser Nacht geschehen war, war das etwas, was sie dringend gebraucht hatte. Das Blut des Mannes, der sie auf der Straße belagert hatte, war ein angenehmes Gefühl und langsam begann sie sich wieder sauber zu fühlen, obwohl auf ihren Körper schon lange keine Reste mehr zu sehen waren. 

Nach ein paar Minuten stellte sie das Wasser ab und stieg aus der Dusche hinaus. Der Badezimmer war beschlagen und sie fuhr mit ihrer Handfläche darüber, um einen Blick auf ihr eigenes Abbild erhaschen zu können. Es war lange her, dass sie zuletzt in James Wohnung gewesen war, doch erst jetzt realisierte sie, wie viel Zeit vergangen war, seit sie sich zuletzt gesehen hatten, bevor er im Club aufgetaucht war. Allerdings wirkte es so, als hätte er in der Zeit nicht aufgehört an sie zu denken. Obwohl sie sich nicht erklären konnte weshalb. Immerhin hatte er sie betrogen und diese Tatsache nagte noch immer an ihr.

Sie griff nach einem Handtuch und schlang es um ihren Körper, bevor sie durch die Tür zurück in den Flur trat. James hatte ihr angeboten, dass sie heute Abend bei ihm bleiben könnte und sie hatte angenommen. Normalerweise hätte sie vermutlich sofort abgelehnt, doch ihre momentane Situation sah anders aus und sie musste zugeben, dass James' Nähe ihr noch immer ein Gefühl der Sicherheit gab. Auch wenn sie selbst auf sich aufpassen konnte, fühlte sie sich sicherere, wenn sie in dieser Nacht nicht alleine war. Außerdem hatte er recht gehabt, als er gesagt hatte, dass sie sich vermutlich zwei neue Feinde gemacht hatte. Der eine von ihnen wirkte zwar nicht unbedingt streitlustig, sondern machte eher den Anschein, als wäre er bloß ein Mitläufer, doch der andere, dem sie das Genick gebrochen hatte, machte da einen ganz anderen Eindruck. Er hatte es darauf abgesehen sie zu verletzen und sie konnte sich lebhaft vorstellen, wie stark seine Rachegelüste sein würden, wenn er wieder zu sich kam.

Noch immer kannte sie die Wohnung, in der sie früher mit ihm gelebt hatte, gut genug, um den Weg ins Wohnzimmer zu finden. Dort fand sie James vor, der sich wieder auf dem Sofa niedergelassen hatte. In den Händen hielt der Vampir die Karte, die sie in ihre Finger hatte bekommen können, und starrte darauf, als würde sie anfangen zu sprechen, wenn er sie nur lange genug ansah.

„Das wird dir auch nicht sagen, was wir tun sollen", brach sie die Stille und machte ein paar Schritte auf ihn zu. Mit ihren Worten brachte sie ihn dazu seinen Kopf zu heben und sie anzusehen. Seine Stirn legte sich in Falten, während er sie musterte: "Wir?"
Ihr war nicht direkt aufgefallen, dass sie es so gesagt hatte, doch es entsprach dem, was sie dachte. Dadurch, dass er ihr davon erzählt hatte, hatte er sie in diese Sache ebenfalls hinein gezogen.
„Ja, wir", nickte sie deshalb zustimmend.

Auf James Lippen erschien ein kleines Lächeln, doch er war sich nicht sicher, was er davon halten sollte. Einerseits war es ein gutes Gefühl sie wieder in seiner Nähe zu haben und vielleicht konnte er sie endlich dazu bringen ihm zu verzeihen. Zumindest ignorierte sie ihn nicht mehr. Eine Veränderung, die ihm mehr als nur recht war. Andererseits hatte er sie in diese Sache hinein gezogen und der Gedanke, dass ihr deshalb etwas passieren könnte, bedrückte ihn.

Delilah kniff ihre Augen leicht zusammen und stützte sich mit den Händen auf die Rückenlehne des Sofas. Es fiel ihr leicht durch sein Lächeln hindurch zu sehen und sich denken zu können, was er in diesem Moment dachte.
„Was ist los?", hakte sie mit fragendem Gesichtsausdruck nach. Er lehnte sich zurück und ließ seinen Blick erneut über sie wandern. Noch immer kannte sie ihn gut genug, um zu wissen, wenn ihn etwas beschäftigte.
„Willst du nicht, dass wir zusammen arbeiten?", fragte sie weiter und hob eine Augenbraue: "Das betrifft mich jetzt auch."

Immerhin hatte er bereits selbst erkannt, dass sie in dieser Sache nun ebenfalls mit drinnen steckte und sich Feinde gemacht hatte. Aufhören und einfach alles vergessen konnte sie nun also nicht mehr so einfach. Außerdem würden Kingsleys Pläne alle Vampire betreffen, wenn alles, was sie gehört hatten, wahr sein sollte und spätestens, wenn er versuchte sie in die Realität umzusetzen, würde es schwer sein sich da raus zu halten.

„Doch, will ich", sagte er nach einigen Sekunden: "Ich mache mir nur Sorgen, dass dir nichts passieren könnte."
Sie öffnete ihren Mund und er wusste genau, dass sie darauf erwidern würde, dass sie das auch alleine schaffte. Allerdings ließ er sie nicht aussprechen: "Und ja, ich weiß, dass du auf dich allein aufpassen kannst und mich dafür nicht brauchst."

Sie musste sich ein leichtes Seufzen verkneifen. In der Vergangenheit hatten sie oft darüber gesprochen und auch darüber gestritten, doch mit der Zeit hatte er es eigentlich gelernt. Nun, da sie ihn erneut sah, schien er jedoch einen Schritt in die falsche Richtung zu machen. So könnte man aber auch seinen Betrug bezeichnen. Bei diesem Gedanken verspürte sie einen leichten Stich im Herzen, versuchte sich davon äußerlich aber nichts anmerken zu lassen. Davon brauchte er nichts zu wissen. Nicht dass er noch auf die Idee kam etwas hinein zu interpretieren, denn da war rein gar nichts. Oder zumindest versuchte sie sich das selbst zu sagen.

„Hierbei geht es aber um Preston Kingsley und man hört von allen Seiten, dass er nicht nur machthungrig ist, sondern auch gefährlich werden kann, wenn es um etwas geht was er will", fuhr er mit seiner Erklärung fort, in der Hoffnung sie könnte seine Sorge so besser verstehen: "Und auch wenn ich nicht daran zweifle, dass du keinen Beschützer brauchst, frage ich mich, was passiert, wenn du dann plötzlich doch mal auf dem falschen Fuß erwischt wirst und ich dann nicht da bin, um im Notfall an deiner Seite zu sein."

Bei dem Gedanken wurde sein Herz schwer und war wie ein Gewicht in seiner Brust, das auf seine Lungen drückte und ihm das Atmen erschwerte. Obwohl er sie bereits einmal aus eigener Dummheit verloren hatte, war das noch immer deutlich besser, als zu wissen, dass sie tot war. Als sie ihn nicht hatte sehen wollen – und vermutlich wollte sie das gerade noch immer nicht unbedingt -, hatte er zumindest gewusst, dass sie noch immer da draußen war und ein gutes Leben hatte. Auch wenn es ein Leben ohne ihn war. Denn er wollte einfach nur, dass sie glücklich war. Immerhin war er selbst nicht unschuldig daran, dass sie ein Leben als Vampirin führte, nachdem er sie verwandelt hatte. Auch wenn sie es sich gewünscht hatte. Wenn sie starb, würde sie jedoch einfach weg sein und er wusste, dass ihr jede Chance auf eine glückliche Zukunft verwehrt bleiben würde. Da war es ihm deutlich lieber, wenn sie ihn ignorierte und nichts mehr von ihm wissen wollte. Das konnte er, auch wenn es ihm wahnsinnig schwerfiel, aushalten.

Delilah musste sich beherrschen, um sich nicht auf die Unterlippe zu beißen und ihm damit zu signalisieren, dass sie deshalb nicht sauer auf ihn war. Denn das war sie noch immer. Auch, wenn seine Worte sie für einen Moment schwach werden ließen.
„Wie wäre es, wenn wir morgen zusammen darüber nachdenken, was wir wegen dieser Sache machen", schlug sie nach einigen Sekunden vor, um ein neues Thema anzuschneiden. Dass sie in dieser Nacht zu einem Ergebnis kamen, bezweifelte sie nämlich stark und langsam spürte sie, wie die Müdigkeit sie zu übermannen begann. Deshalb würde es vonnöten sein, dass sie zumindest eine kleine Mütze Schlaf bekam, wenn sie ihm danach helfen wollte mehr darüber herauszufinden und letztendlich einen idiotensicheren Plan zu schmieden.

Auch er schien einsichtig zu sein, da er nach einigen Sekunden, in denen er zwischen der Karte und ihr hin und her geblickt hatte, nickte: "In Ordnung. Dann machen wir es so. Vielleicht hat Tyler bis dahin dann auch eingesehen, dass ich die ganze Zeit recht hatte und entscheidet sich uns ebenfalls zu treffen."

Besagter Vampir war verschwunden, nachdem Delilah aufgetaucht und die Situation erklärt hatte. Während ihrer Erklärungen hatte James seinem besten Freund allerdings ansehen können, dass seine ablehnende Haltung bezüglich des Themas langsam nachließ und ihre Worte auch auf ihn eine Wirkung hatten. Deshalb hoffte er darauf, dass sein Freund bald endlich ebenfalls so weit sehen würde, dass er es zumindest in Betracht zog, dass die Gerüchte stimmen könnten und ihnen half. Denn obwohl er auch nichts dagegen einzuwenden hatte alleine Zeit mit Delilah zu verbringen und zumindest zu probieren seine Fehler wieder gutzumachen, würden sie zu Dritt mit Sicherheit mehr herausfinden können. Außerdem würden sie auch noch weitere Vampire, die nicht auf Kingsleys Seite stand, überzeugen müssen ihnen zu glauben und zu helfen, weshalb es bereits ein Fortschritt war, wenn Tyler es bereits tat. Fürs Erste war er jedoch froh, dass zumindest Delilah nun zumindest in dieser Sache auf seiner Seite zu stehen schien. So musste er sich keine Sorgen darum machen, dass Kingsley sie überzeugen würde.

„Du kannst in meinem Zimmer schlafen", fügte er dann hinzu und erhob sich von seinem eingenommenen Platz: "Ich bleibe hier im Wohnzimmer."
Ihre Sachen lagen sowieso noch in einem Schlafzimmer und er wusste, dass er nur einen Fehler damit machen konnte, wenn er eine andere Lösung vorschlug. Denn obwohl sie gerade hier war, wusste er selbst, dass sie ihm noch nicht verziehen hatte und dass er nur Schaden anrichten würde, wenn er davon ausging, dass ihre, von ihm verursachten, Wunden bereits verheilt waren und sich ihr aufdrängte.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jun 24, 2020 ⏰

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