Über den Wolken (Kurzgeschichte)

1. Kapitel

Ein Schritt nach vorne. Die Schlange vor mir hat sich wieder um eine Person verkürzt. Nun sind es nur noch fünf Personen vor mir, ehe ich mir das heiß geliebte Tomate-Mozzarella Baguette kaufen kann. Seit ich an der kleinen Bäckerei im Flughafengebäude gegangen bin, bin ich darauf konzentriert und mit jeder Person vor mir betete ich, dass niemand mir das letzte Baguette, welches noch hinter der Essensausgabe liegt, wegkaufen wird.

Ein weiterer Schritt nach vorn. Nur noch vier Personen vor mir und ich komme meinem Ziel immer näher. Ein weiterer Schritt, nur noch drei Personen. Schritt, zwei Personen. Schritt, eine Person. Und...

„Entschuldige dürfte ich kurz." Eine Person drückte sich vor mich in die Reihe. Dunkelblauer maßgeschneiderter Anzug mit drei gelben Streifen an den Armen, weißer Hemdkragen, eine Pilotenmütze unter dem Arm, dunkelblondes kurz geschnittenes Haar. Eindeutig ein Pilot. Von hinten recht ansehnlich, definitiv größer als ich und eine schlanke, sportlich trainierte Figur. Aber das kam mir in diesem Moment gar nicht in den Sinn ihn anzuschmachten. Was bildete sich dieser arrogante Hornochse eigentlich ein sich vor zu drängeln. Ich musste mich auch in der Schlange hinten anstellen und das machte ich ihm jetzt auch mal klar. „Verzeihung, aber die Schlange beginnt da hinten. Sie müssen sich genauso anstellen." Der Fremde drehte sich auf meine Worte hin um und sah mich mit hochgezogener Augenbraue an. Nachdem er die lange Schlange hinter mir begutachtet hatte entgegnete er jedoch nur „Vielen Dank für den Tipp Mam. Das ist mir sehr wohl bewusst." und drehte sich wieder um, als ihn die Verkäuferin mit einstudiertem „Der Nächste bitte!" aufforderte seinen Wunsch zu äußern. „Guten Tag, ich hätte gerne einen schwarzen Kaffee und das Tomate-Mozzarella-Baguette" gab er von sich. Mir fiel wahrlich die Kinnlade herunter als ich seine Bestellung hörte. Das war doch jetzt nicht sein Ernst. Erst drängelte er sich vor und schnappte mir nun das Essen weg, weshalb ich mich überhaupt angestellt habe. ‚Das ist doch nicht fair' dachte ich mir. Die Wut auf diesen Mensch schwappte in diesem Moment über. Hässlich rote Flecken haben sich auf mein Dekolleté gelegt und gepresst atmete ich ein und aus. Mir platzte gleich der Kragen. Die Verkäuferin jedoch packte das Baguette in eine Tüte und drückte es im in die Hand nachdem er bezahlt hatte. Der Fremde schien meinen wütenden Blick zu spüren, der sich in sein Innerstes bohrte, da er sich mit samt seiner Bestellung zu mir umdrehte und mich frech grinsend fragte: „Und so schlimm war es doch nicht, noch eine weitere Person abzuwarten, Süße." Mir qualmte die Wut über und ich konnte beinahe spüren wie mir der Dampf aus den Ohren kam, so erhitzt war ich. Ehe ich mich versehen konnte, hatte ich seinen doch recht durchtrainierten Oberarm gepackt und hatte mich seinem Ohr genähert, ehe ich ihm meine Wut zeigend zu zischte: „Jetzt hör mir mal zu Freundchen. Ich weiß nicht woher du Deine Frechheit nimmst sowas zu äußern, aber so eine Unverschämtheit habe ich noch nicht erlebt. Erst drängelst du dich vor weil du anscheinend der Auffassung bist das du der Kaiser von China bist und dann kaufst du mir auch noch vor der Nase MEIN Tomaten-Mozzarella Baguette weg. Ja genau du hörst richtig, es ist MEINS. Das war der Grund weshalb ich mich überhaupt in diese verdammte Schlange gestellt habe." Während ich ihn mit meinen Worten attackierte, hatte ich meine Krallen ausgefahren und drückte ihn meine Fingernägel in den trainierten Oberarm. Ich bemerkte wie er den Atem anhielt und vor Schmerz den Kiefer zusammen presste. Jedoch fasste er sich schnell wieder und blickte mir in die Augen. „Es heißt Sie. Ich kann mich nicht daran erinnern Ihnen das Du angeboten zu haben Mam. Wenn Sie mich nun entschuldigen, ich habe meinen nächsten Flug vorzubereiten. Einen schönen Tag noch, Verehrteste." Sein Grinsen kam zurück, ehe er sich von meinen Augen abwand, sich umdrehte und ging. Und ich? Ich stand dort an der Bäckerei, ohne mein Tomate-Mozzarella Baguette, und schaute dem Proletten hinterher, der sich zusehends von mir entfernte.