Kapitel 1 - Der Anfang

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Früher habe ich die Bälle im Schloss geliebt. Der Ballsaal war erleuchtet von Kerzen und den riesigen Kronleuchtern die von der Decke hingen. Die Tische bogen sich unter den feinsten Speisen und Getränken die es nur gab und jeder Gast zeigte sich von seiner besten Seite. Die Damen trugen aufwendige Kleider mit mehreren Lagen Tüll und schmückten sich mit so viel Schmuck wie möglich. Die Männer trugen schicke Anzüge und baten ihre Herzensdame um einen Tanz. Es wurde gelacht, getrunken und geredet. So war es schon so lange nicht mehr. Selbst heute, beim Ball zur Feier meiner Verlobung, kam mir das ganze glanzlos vor. Es wurde weniger gelacht und die Leute zogen es meist vor übereinander und nicht miteinander zu reden. Es kam einem so vor, als würden die Adeligen die zu diesem Fest eingeladen wurden nur kommen um zu sehen und gesehen zu werden. Der Spaß der früher bei einem solchen Fest allgegenwärtig war, war kaum mehr zu spüren. "Davina ich habe mit dir geredet." Ich zuckte kurz innerlich zusammen und sah zu meinem Onkel. König Kasimir Willard, der jüngere Bruder des einstigen Königs der nach dessen Tod unter eiserner Faust über das Land regierte. Selbst bei einem solchen Fest ließ er es sich nicht nehmen mich missbilligend mit seinem kühlen Blick zu mustern. "Verzeiht Onkel. Ich war kurz unaufmerksam. Wovon habt Ihr gesprochen?", gab ich zurück. Mein Onkel zog sich die kunstvoll gearbeitete Löwenmaske vom Gesicht und wiederholte seine Frage: "Wieso musste es unbedingt ein Maskenball sein Kind?" Ich antwortete, "Wieso nicht? So etwas extravagantes wie ein Maskenball erscheint mir doch recht passend für die Verlobung einer Prinzessin. Meint Ihr nicht?" Mein Onkel verdrehte nur die Augen und setzte sich die Maske wieder auf. Es war in der königlichen Familie so üblich, dass sich die Prinzessinnen zu ihrem Verlobungsball etwas wünschen durften. Ich hatte Geschichten über den Verlobungsball meiner Mutter gehört. Es soll ein rauschendes Fest im Schlossgarten gewesen sein so wie es ihr Wunsch war. Mein Wunsch hingegen waren die Masken. Dabei ging es mir in Wirklichkeit nicht um die Extravaganz eines Maskenballes. Mir war dieser Ball genau so gleichgültig wie die anderen vor denen ich mich mit Vorliebe drückte. Es ging mir eher darum, dass ich nicht in der Laune war den ganzen Abend lang die scheinheiligen Gesichter des Adels zu sehen. Ich kann mich noch genau erinnern wann ich einen Großteil dieser Leute das letzte Mal gesehen hatte. Bei dem Begräbnis meiner Eltern vor zwei Jahren. Alle hatten sie geweint, um meine Eltern getrauert und mir Unterstützung und Hilfe angeboten. Dieses Versprechen hatten sie alle allerdings schnell vergessen. Dies wurde mir spätestens klar, als ich mich verzweifelt an den Adelsrat, einer Vereinigung der sechs einflussreichsten Familien in ganz Partago, wendete. Ich flehte sie an den Paragraphen des Gesetzes zu ändern welches mich Zwang vor meinem 18. Lebensjahr zu heiraten um den Thron besteigen zu dürfen, doch der Adelsrat lehnte ab. Es sei ohnehin schon wagemutig einer Frau zu erlauben das Land zu regieren. Einer unverheirateten Frau dies zu gestatten sei hingegen unmöglich da sie die Lenkung eines starken Mannes benötige. Selbst jetzt, wo ich den alten Männern die über mein Leben entschieden nicht gegenüber stand, machten mich deren Worte unsagbar wütend. Ich war in der Lage mein Land zu regieren. Ob mit oder ohne Mann, doch der Adelsrat ließ sich nicht erweichen. Daher dieser ganze Trubel um meine Verlobung. Ich musste heiraten. Und das so schnell wie möglich um in zwei Monaten, an meinem 18. Geburtstag, endlich den Thron besteigen und mein Land wieder in die richtigen Bahnen lenken zu können. Wenn ich dafür den Sohn irgendeines Adeligen heiraten müsste, dann sei es eben so. Gelangweilt ließ ich meinen Blick über die tanzende Menge gleiten. Ich selbst hatte an diesem Abend nicht die Gelegenheit zu Tanzen. Mein werter Verlobter, Leander von Avidan, wurde in seiner Grafschaft aufgehalten und würde wenn überhaupt erst sehr spät eintreffen. Einem anderen war es nicht gestattet mich zum Tanzen aufzufordern. Die Prinzessin durfte bei ihrem Verlobungsball nur mit ihrem Verlobten tanzen. Eine weitere unnütze Regel an die ich mich zu halten hatte. Ich sah zu meinem Onkel der grade mit dem Kommandanten der königlichen Armee Allister Riley sprach. Der Kommandant wirkte ziemlich aufgebracht, sprach aber so leise mit meinem Onkel, dass ich kein Wort verstand. Mein Onkel sprach zu mir, "Verzeih Davina. Es gibt Probleme in der Hauptstadt die meiner Aufmerksamkeit bedürfen." Ohne eine Antwort von mir abzuwarten ging er gemeinsam mit Kommandant Riley und seinen beiden Leibwächtern aus dem Ballsaal. Es war nicht schwer sich auszumalen was die Probleme in der Hauptstadt waren. Onkel Kasimir hatte nach dem Antritt seiner Regentschaft immer höhere Steuern und Abgaben verhängt. Er steckte jeden einzigen Groschen in die Armee. Er hatte es sich nicht nur zur Aufgabe gemacht alle Hexen die sich in Partago versteckt hielten zu finden und auszumerzen, sondern er wollte ebenso das Land der Hexen und Magier jenseits der Bergkette Azola in seinen Besitz nehmen. Beides bisher ohne nennenswerten Erfolg. Die Armee steckte seit Monaten in der Bergkette fest und kam nicht voran und in die Hexen und Hexer in unserem Land hielten sich so versteckt, dass sie kaum auffindbar waren. "Du ziehst ja ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter." Ich sah lächelnd zu der Person die mich angesprochen hatte. Alana zog eine kleine Fuchsmaske von ihrem Gesicht und lächelte mich an. Sie war die Frau eines Grafen der ganz in der Nähe des Schlosses wohnte und die einzige Person die ich als Freund bezeichnen würde. Naja. Beinah die einzige Person.  "Oh der schein trügt.", gab ich sarkastisch zurück, "Ich bin hocherfreut. Ich muss den ganzen Abend hier stehen. Langweilige Gespräche mit langweiligen Leuten führen und darf nicht einmal tanzen. Ein sehr schöner Abend." Alana ließ den Blick über die Masse an Menschen schweifen. "Nun. Wenigstens Lydia scheint bester Laune zu sein.", meinte sie und zeigte auf meine Cousine. Ich sah ebenfalls zu ihr. Lydia tanzte mit einem mir unbekannten Mann und lächelte ihn kokett an. Meine Cousine hatte schon immer eine Vorliebe für solche Feste. Sie verstand sich gut darin sich unter den Adel zu mischen während mir hierbei mein loses Mundwerk oft zum Problem wurde. Ich unterdrückte ein seufzen und sagte, "Wenigstens hat sie Spaß." Ich beneidete Lydia oft darüber wie leicht es ihr fiel sich in diese Welt wo alles mehr Schein als Sein ist einzufügen. Alana nahm meine Hand und lächelte. "Na komm schon. Du stehst hier den ganzen Abend nur am Rand. Hol dir etwas zu trinken und misch dich etwas unter die anderen." Bevor ich etwas antworten konnte, hatte Alana mich schon mit sich gezogen. Sie drückte mir ein Glas Wein in die Hand. Ich nahm einen großen Schluck und verzog gleich das Gesicht. Mir hatte Wein noch nie wirklich geschmeckt, aber vielleicht wurde durch ihn der Abend etwas erträglicher. Ich unterhielt mich mit ihr. Sie erzählte von einigen Teegesellschaften bei welchen sie zu Gast war und ich hörte ihr lächelnd zu. Mit einem Mal ging Geflüster durch den Raum. Die Gäste des Balles sahen zur großen Flügeltür die scheinbar geöffnet worden war. Alana streckte sich genau so wie die anderen Gäste um zu sehen wer der unerwartete Gast war. "Und? Siehst du was?", fragte ich sie amüsiert schmunzelnd. "Ja...schon...aber wegen der blöden Maske erkenne ich ihn nicht.", gab sie frustriert zurück. Der mysteriöse Mann machte sich seinen Weg durch die Masse. Er wurde begleitet von neugierigen Blicken und Getuschel unter den Gästen. Selbst ich wurde neugierig wer mit so viel Verspätung der Einladung zum Ball gefolgt war. Ich betrachtete ihn unauffällig als er in mein Blickfeld kam. Er war komplett in weiß gekleidet und trug eine schlichte, weiße Schnabelmaske. Der Mann kam direkt auf mich zu, verneigte sich und küsste meine Hand. "Ich hoffe Ihr könnt mir meine Verspätung verzeihen Prinzessin.", sprach er zu mir. Seine Stimme war tief und klang doch weich und freundlich. Ich räusperte mich kurz. "Nun...ich denke diesen Frevel kann ich euch verzeihen.", antwortete ich ihm. Doch bevor ich ihn nach seinem Namen fragen konnte, ergriff er meine Hand und fragte, "Erlaubt Ihr mir mit Euch zu tanzen?" Ich sah ihn überrascht an. Es war allseits bekannt, dass es den Männern des Balls nicht erlaubt war mich zum Tanzen aufzufordern. Als ich den Mann darauf hinwies, schenkte er mir nur ein lächeln. "Verzeiht, aber ich bin weit gereist für diesen Ball und hatte sehr auf einen Tanz mit euch gehofft." Ich war mir unsicher was ich tun sollte. Da Alana mich allerdings mehr oder weniger in die Arme des Fremden stieß, blieb mir nicht wirklich eine Wahl. Das würde sie mir später büßen. Der Mann mit der Schnabelmaske zog mich auf die Tanzfläche. Er war ein guter Tänzer. Das musste ich ihm lassen. Dennoch musste ich ihn einfach fragen, ob er sich keine Sorgen mache, was die anderen Leute sagen würden wenn gesehen würde, dass er unerlaubter Weise mit mir tanzte. "Wisst ihr Prinzessin," setzte er zur Antwort an, "manche Regeln sind nun einmal da um gebrochen zu werden." Ich lächelte und tanzte weiter mit ihm. Diese Antwort gefiel mir. Sehr sogar. Wir unterhielten uns lächelnd beim Tanzen. Ich konnte herausfinden, dass er aus dem Norden kam und beinah drei Tage lang Reisen musste um am Schloss anzukommen. Ich mochte es ihm zuzuhören. Seine Stimme lud regelrecht dazu ein. Wir tanzten Tanz um Tanz. Bis mein Blick auf seinen Arm fiel. Sein Ärmel war nach oben gerutscht und man konnte feine, schwarze Linien auf seiner Haut erkennen. Schockiert blieb ich stehen. Der Fremde sah, worauf mein Blick gefallen war. Ich war versucht seinen Ärmel ein Stück weiter nach oben zu ziehen, doch er hielt meine Hand fest. "Ihr...ihr seid ein Hexer!", flüsterte ich empört. Hexen und Hexer bekamen allesamt sobald ihre Fähigkeiten entwickelt waren eine Tätowierung am Unterarm. Für sie war es ein Zeichen der Zusammengehörigkeit, für alle anderen ein Zeichen sich fern zu halten. Ich versuchte mich von ihm loszureißen, doch er hielt mich weiter fest. "Bitte lasst mich erklären!", bat der Fremde mich. Doch ich tat das einzige was mir in den Sinn kam. Ich rief nach den Wachen. Eh der Mann mit der Schnabelmaske sich versah, hatte man mich aus seinem Arm gerissen und ihn mit Schwertern umsingelt. Einer der Wachen rief, "Hexer haben in Partago nichts zu suchen! Ab in den Kerker mit ihm." Jeder andere wäre bei diesen Worten in Panik ausgebrochen, hätte geweint oder versucht sich zu währen, doch der Fremde blieb ganz ruhig und lächelte sogar. "Es war mir eine Freude Euch kennen zu lernen Prinzessin. Ich hoffe wir sehen uns bald wieder.", sagte er mit einem Lächeln. Eine der Wachen versuchte den Fremden festzuhalten, doch dieser wedelte nur kurz mit der Hand. Eine Rauchwolke entstand und an der Stelle wo eben noch der Mann mit der Schnabelmaske stand, war niemand mehr zu sehen.

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