Teil 2
Ich spürte das Sausen in meinem Kopf, noch bevor ich vermochte meine Augen zu öffnen. Kaum dass ich wieder bei Bewusstsein war, wollte ich mich aufsetzen. Das war allerdings nicht so einfach, wie ich mir gedacht hatte.
Langsam öffnete ich die Augen, doch mein rechtes Auge war so geschwollen, dass ich es kaum öffnen konnte. Ich lag immer noch auf dem Rücken. Streifen von Sonnenlicht drangen durch die Dachspalten in den Raum wie magische Laserstrahlen. Scharf zerschnitten sie die Dunkelheit in der schmutzigen Hütte. Im Kopf versuchte ich, die Bruchstücke meiner Erinnerung an die vergangenen Stunden zusammenzusetzen. Ich wollte glauben, dass das, was mir im Gedächtnis geblieben war, nur ein schlechter Traum war und nicht die grausame Realität.
Mit der Hand berührte ich die schmerzende Stelle über meinem Auge. Glücklicherweise war ich ganz allein in der Hütte. Um mich aufzusetzen, musste ich meine ganze Kraft zusammen nehmen. Sobald ich mich bewegte, fühlte ich einen brennenden Schmerz und eine kühle Feuchtigkeit in meinem Schoß. Ich langte mit der Hand in meinen Schritt, an meinen Fingern fand sich eine klebrige, mit Blut vermischte Flüssigkeit. Als ich dann auf der Matratze eine Lache frischen Blutes entdeckte, begannen meine Hände unkontrollierbar zu zittern. Ich begann zu weinen.
Ich fragte mich, warum Arvin mir so weh getan hatte und warum er so grob gewesen war. Was hatte ich irgendwem getan? Mir war jedoch in jeder Sekunde bewusst, dass ich auf keine meiner Fragen eine Antwort erhalten würde. Meine Handgelenke waren rundum mit blauen Flecken übersät. Ich versuchte, meine Gedanken zu verdrängen und nicht über das Geschehene nachzudenken. Ich musste so schnell wie möglich von hier weg, bevor Arvin auftauchte, der ja jeden Augenblick hierher zurückkehren konnte.
Meine Kleider waren von Arvins Angriffslust vollständig zerstört. Trotzdem nahm ich die zerrissenen Reste mit, damit nichts von mir hier bliebe. Nackt und immer noch unter Schock stehend trat ich aus der Hütte. Ich schaue mich um. Mit den Augen suchte ich irgendetwas, worin ich meinen erbärmlichen, missbrauchten und blutigen Körper verpacken konnte. Schließlich fertigte ich mir aus einigen Plastiktüten behelfsmäßige Kleider.
Barfuß und fast nackt lief ich durch das Unterholz und den Müll zurück zu dem Ort, wo Arvins Jungs Danilo verprügelt hatten. Es dauerte nicht lange bis ich mich an einer Lache voll Blut wiederfand – doch ohne Danilo. Aus der Pfütze führte eine blutige Spur in Richtung der Straße. Ich hoffte, dass Danilo sich hatte retten können. Die Spur sah aus, als hätte jemand Danilo weggezogen, als hätte ihm jemand geholfen. Ich drehte mich um und lief auf einer Abkürzung nachhause. Ich entschied mich, Danilo später zu suchen. Ich wollte meinem Vater berichten, was Arvin mir angetan hatte.
Ich hatte niemanden auf der Welt als meinen alkoholabhängigen Vater und drei ältere Brüder, die sich für mich, ihre jüngere Schwester, nicht interessierten. Unsere Mutter starb drei Tage nach meiner Geburt. Ich glaubte, dass dies der Grund war, aus dem mein Vater mich hasste. Er sagte immer, dass ich an allem schuld sei. Ich hatte mich schon an seine Worte gewöhnt und schrieb dem kein großes Gewicht zu. Er konnte mir mit seinen absurden Anschuldigungen nicht mehr weh tun.
Als ich zuhause ankam, wollte ich weinen, doch vorher noch musste ich mich übergeben. Zuhause war niemand, der mich in den Arm nehmen würde. Niemand, der mich liebevoll streicheln und mir sagen würde, dass alles gut wird. Im Hof hinter dem Haus begann ich, mir den Schmutz, das Blut und den Schmerz mit dem kalten, in einem blauen Kunststofffass aufgefangenen Regenwasser abzuwaschen. Mit Seifenresten, die ich regelmäßig auf der Müllhalde gefunden hatte, rubbelte ich jeden Millimeter meiner Haut bis er rot war und spülte mich mit einem Plastikbecher ab. Ich wiederholte diese Prozedur mindestens vier Mal, doch ich hatte immer noch das Gefühl, ich sei „schmutzig". Ich konnte Arvins süßlichen Geruch nicht aus der Nase bekommen. Mich ergriff Panik bei der Erinnerung daran, wie er brutal in mich gedrungen war und wie all das, was er mit mir angestellt hatte, schmerzte. Ein bloßes Aufblitzen der Erinnerung zwang mich, erneut in der Ecke des Gartens zu erbrechen. Am liebsten hätte ich mich noch einmal gewaschen, aber im Fass war kein einziger Wassertropfen mehr übrig.
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Die Tränen der verkauften Mädchen
RomanceDas scheinbar friedliche Leben der armen Halbwaise Malaya aus der philippinischen Stadt Manila wird auf den Kopf gestellt, als ihr das Schicksal innerhalb kürzester Zeit mehrere tiefe Wunden zufügt. Der alkoholabhängige Vater verkauft seine eigene T...