1. Die Hölle im Himmel

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Pov Gabriel
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Blinzelnd schlug ich meine Augen auf und ächzte bereits jetzt schon genervt. Nicht nur die Tatsache, dass heute Montag war nervte mich gewaltig, sondern auch, dass Gott für heute eine Krisensitzung einberufen hatte. Na das konnte ja was werden.

Brummend schwang ich mich also aus meinem Bett und tappste augenreibend in mein anliegendes Badezimmer. Müde betrachtete ich mein verschlafenes Ich im großen Spiegel, welcher sich über dem Waschtisch befand. Der Himmel bestand nämlich nicht nur aus Wolken und einem großen Tor, so wie die Menschen es sich immer vorstellten, sondern beinhaltete ebenfalls ein riesiges Schloss, in welchem die Angestellten Gottes wohnten. Der Rest lebte in kleinen Hütten rund um das große Anwesen verteilt.

Leise seufzend betätigte ich den Wasserhahn, um mir kaltes Wasser ins Gesicht zu werfen. Ich war ein richtiger Morgenmuffel. Morgens war nämlich nicht mit mir zu spaßen, denn meine Laune befand sich im Keller, konnte sich jedoch auch ruckartig bessern. Ich benahm mich etwas, als hätte ein Mädchen ihre Tage. Mit einem Brummen machte ich mich fertig - ging schnell duschen, putzte meine Zähne und wuschelte mir einmal durch die Haare. Schnellen Schrittes eilte ich dann durch die Korridore zum Versammlungsraum.

Dort angekommen sah ich bereits Gott, wie er durch den riesigen Spiegel in die Menschenwelt schaute und sich sichtlich amüsierte. Oh nein, was hatte er nun wieder verzapft? Beunruhigt trat ich an seine Seite und schielte ihm über die Schulter.
"Was siehst du?", wollte ich möglichst beiläufig von ihm wissen und suchte nach dem Auslöser der Belustigung des alten Mannes. Jener bedachte mich mit einem kurzen Blick, wendete diesen dann jedoch wieder dem Spiegel zu.
"Schön dass du jetzt da bist, Gabriel. Fehlt nur noch Michael, dann können wir mit der Krisensitzung beginnen", berichtete Gott mit ruhiger Stimme und deutete dann schmunzelnd auf das Bild, welches sich gerade im Spiegel vor uns bot.
"Unser Allergienupdate ist einfach fantastisch, meinst du nicht auch? Sieh dir die Menschen nur an. Wie schön sie sich doch quälen!", lachte er vollkommen amüsiert, wobei er verstörte Blicke von mir erntete. Gott war vollkommen irre, dem stiegen die Wolken definitiv zu Kopf.
"Aber-", setzte ich zum Widersprechen an, als ich Schritte hörte, die den Raum betraten.

Japsend stand Michael in der Tür, hielt sich seine Seiten mit den Händen. Man könnte meinen er wäre einen Marathon gelaufen.
"Ich...ich bin da", brachte er stoßweise und vollkommen außer Atem hervor und grinste leicht dümmlich. Er war echt nicht die hellste Kerze auf der Torte.

Ich rollte also mit den Augen und beobachtete Michael kritisch.
"Dann beginnen wir die Krisensitzung jetzt", erschrak mich Gotts Stimme und ich zuckte kaum merklich zusammen. So brachte ich ein leichtes Nicken zustande und ließ mich auf einen der vier Stühle fallen. Moment, warum vier? Es waren doch nur Gott, Michael und ich...wozu dann ein Weiterer?

Völlig in Gedanken versunken bekam ich gar nicht mit, dass Gott mich angesprochen hatte.
"Gabriel? Gabriel! Wo bist du nur mit deinen Gedanken? Und was macht dieser vierte Stuhl hier, Michael? Kannst du etwa nicht mehr zählen?", wies Gott uns herrisch zurecht und bedachte uns beide abwechselnd streng.

Michaels Blick gefiel mir daraufhin überhaupt nicht. Er sah etwas unsicher drein, schluckte schwer und starrte auf seine Hände. Das waren definitiv keine guten Zeichen. Was hatte er nur wieder angestellt?
"Nun...uhm. D-Du hattest doch gesagt, dass wir unsere Kreativität anregen sollten, oder Gott?", druckste er etwas zerknirscht und sah nicht auf. Gott hingegen nickte langsam und sah Michael äußerst verwundert an, fügte jedoch noch ein beiläufiges 'Ja, richtig' hinzu. Ich beobachtete das Schauspiel nun mittlerweile misstrauisch. Da konnte nichts Gutes bei rauskommen.

"Naja...", fing Michael nun an und schluckte erneut. Konnte er nicht einfach mit der Sprache herausrücken, anstatt um den heißen Brei herumzureden?
"Ich...Ich-", stammelte er vor sich hin, ehe ihn ein höhnisches Lachen unterbrach. Mir gefroren das Blut in den Adern, denn ich wusste ganz genau, wem es gehörte.
"Luzifer...", hauchte ich erschrocken und sah ängstlich und mit geweiteten Augen zur großen Tür der Versammlungshalle, in welcher nun der Neuankömmling stand. Luzifer war groß und bis auf den letzten Muskel durchtrainiert. Seine Haare waren schwarz und er trug eine hochgegelte Kurzhaarfrisur.

Seine bernsteinfarbenen Augen funkelten mir voller Spott entgegen, denn er wusste genau, dass ich Angst vor ihm hatte. Immerhin war ich im Gegensatz zu ihm nur ein schwaches, mickriges Würmchen.

Ich besaß schon immer eine recht schlaksige Statur. Gegen Luzifer war ich also Nichts. Zudem war ich mindestens einen halben Kopf kleiner. Meine blonden Locken waren relativ kurz, jedoch stylte ich sie nie wirklich, weshalb ich meistens aussah, als würde ich frisch aus dem Bett kommen. Da brachte auch das Durchwuscheln nicht viel.

Unsicher glänzten meine grasgrünen Augen, als er mit einem selbstgefälligen Grinsen näher kam. Das durfte doch nicht wahr sein! Was hatte Michael sich nur gedacht? Mein Herz schlug unruhig in meiner Brust, schien kleine Hüpfer zu machen. Als ich eine warme, große Hand auf meiner Schulter spürte, schluckte ich. Luzifer stand direkt neben mir, verfestigte den Griff nun und knuffte meine Schulter leicht.
"L-Lass das...", widersprach ich schwach, was ihn jedoch nur zum Lachen brachte. Ich verspannte mich immer und immer mehr. Seine Anwesenheit gefiel mir nicht und das sah man mir an.

Was Luzifer dann als nächstes tat, ließ mich erschrocken aufquieken. Er war doch tatsächlich hinter mich gehuscht und massierte mich breit grinsend.
"Gabe, entspann dich doch mal. Michi hat mich hergeholt, damit ich euch helfen kann", erklärte er schließlich völlig unschuldig. Ist klar, er und helfen. Das letzte Mal hatte er fast das halbe Schloss abgefackelt! Seine Stimme klang rauchig und war tief, nicht so wie meine. Ich hatte für einen Mann eine relativ helle, hohe Stimme. Zudem war sie zart und nicht wirklich kräftig. Langsam fand ich mein Selbstvertrauen wieder und erhob mich schließlich knurrend, um den Größeren vor mir mit Blicken zu erdolchen. Was bildete er sich eigentlich ein?

Plötzlich meldete sich Gott zu Wort, hatte sich scheinbar endlich gefangen.
"Michael, diese Entscheidung hättest du auf keinen Fall ohne mich treffen dürfen. Das wird definitiv Konsequenzen haben", ermahnte er Michael streng und sah ihn enttäuscht an. Dieser zog nur den Kopf ein, nickte jedoch langsam und murmelte ein leises 'Tut mir leid'. Dann fiel Gotts Blick auf Luzifer. Er wirkte ziemlich förmlich, während der Teufel nur spöttisch grinste.
"Da Michael jedoch nicht ganz Unrecht hatte und du uns wirklich helfen könntest, kannst du erstmal hier bleiben. Solltest du jedoch nur einmal irgendwelche Schwierigkeiten machen, schicke ich dich sofort zurück in die Hölle", stellte Gott kühl klar. Luzifer nickte langsam, grinste jedoch süffisant vor sich her.
"Geht klar", erwiderte er gelassen und warf mir einen kurzen Blick zu.

Völlig perplex sah ich Gott an. Das konnte doch nicht sein Ernst sein, oder? Schwer schluckte ich.
𝘏𝘪𝘭𝘧𝘦, stieß ich ein stummes Gebet in den Himmel. Wobei...dort befanden wir uns ja momentan. Hatte der Himmel sich gerade also zu meiner persönlichen Hölle verwandelt?

Und plötzlich war er wieder da...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt