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"Okay Olive, wie hast du DAS bitte hinbekommen?", fragte mich Fred, als wir auf dem Weg zur großen Halle zum Essen waren.

"Was meinst du?", fragte ich geistesabwesend.

Okay...zwanzig Minuten vor dem Essen muss ich zu Paps...Das heißt, ich muss 25 Minuten vor dem Essen oben losgehen...Wie kriege ich dann die drei abgeschüttelt...Vielleicht indem ich ihnen sage, dass ich zu Bibliothek müsse..., dachte ich nach und sah dabei nicht aufmerksam nach vorne, sodass ich plötzlich in jemanden rein lief.

Er war etwas großer als ich, hatte schwarzes Haar, die Augen meiner Mutter, meine Augen, und eine kreisrunde Brille auf der Nase.

Ich taumelte, doch mein Halbbruder packte mich an den Armen und verhinderte somit ernsthafte Verletzungen.

"Entschuldige", sagte ich an ihn gewandt und sah hoch.

Seine Augen erschienen mir, als könnte er durch meine Tarnung hindurch sehen.

"Ist schon in Ordnung", sagte er und lächelte.

Das war mein Harry Potter, mein Halbbruder.

"Danke", sagte ich und versuchte zu lächeln.

"Hallo Harry, weißt du, wer das ist?", mischte sich Fred auf einmal in unser Gespräch mit ein.

Nein, bitte nicht, dachte ich nur und betete in Gedanken, dass ich nie wieder mit ihm reden musste.

Er war zwar mein Bruder, aber er war auch der jenige, den die Leute als den Auserwählten bezeichneten. Er wurde ständig überwacht. Alle redeten über ihn.

Wenn ich öfter als ein einziges Mal mit ihm reden würde, würde ich sicherlich schon auffallen, wenn ich nicht sogar schon jetzt auffallen würde.

Harry schüttelte seinen Kopf, um Freds Frage zu verneinen.

"Das ist Olive Snavans! Sie hat Snape gerade zwanzig Punkte für unser Haus abgeknöpft! Snape hat Gryffindor zwanzig Punkte gegeben", sagte George, der sich jetzt auch noch mit einmischen musste.

Bei Merlin, ich habe kein Interesse daran, mich gut mit meinem Halbbruder zu verstehen...Ich will ihm nicht im Wege stehen und schon gar nicht will ich, dass er auf meinen Vater losgeht...Schließlich weiß er nichts davon, dass Paps ihn immer beschützt und seine Mutter immer noch liebt und niemals damit aufhören wird...in Snape sieht er doch schon immer nur den Bösen, der ihn seit seinem ersten Jahr schikaniert, dachte ich aufgebracht.

"Wie hast du das denn hinbekommen", fragte mein Halbbruder begeistert.

Ach weißt du, ich bin seine Tochter...und deine Halbschwester, weil Snape und Lily Potter miteinander geschlafen haben, dachte ich immer noch aufgebracht.

"Ähm...ich denke mal...er dachte...ich wüsste es nicht...vielleicht war er so überrascht, dass er uns Punkte gegeben hat", sagte ich und versuchte wieder zu lächeln.

Ich bin tot, mein Vater ist tot, meine Familie ist tot, dachte ich und spürte kalte Angst in meinem Körper.

"Aha...", sagte Harry nur und musterte mich interessiert.

Hör auf damit, dachte ich und ging an ihm vorbei zur großen Halle.

Abhauen ist immer die beste Lösung, dachte ich und ließ mich ganz schnell an meinem Tisch nieder.

In den Massen der Gryffindors ging ich unter, worüber ich ausgesprochen froh war.

"Also, wie hast du das gemacht, Oli?", hörte ich schon die fragende Stimme von Fred an meinem Ohr.

"Verwechslungszauber", flüsterte ich, weil es mir irgendwie als erstes einfiel.

Keine Ahnung, was das ist, aber manchmal beschützt mich mein Gehirn vor Gefahrensituationen. Ich denke da nie drüber nach, es passiert einfach.

"Was? Du hast Professor Snape mit einem Verwechslungszauber belegt?", flüsterte er begeistert.

"Ähm...ja", sagte ich und runzelte meine Stirn.

Ich hatte kein einziges Mal über diese Ausrede nachgedacht. Sie war einfach aus meinem Mund gekommen, ohne dass ich in jeglicher Hinsicht gewusst hatte, dass es sie gibt.

"Bei Merlin, da ist sehr viel kriminelle Energie in dir", sagte Fred belustigt und schüttelte seinen Kopf.

"Sag es bitte niemandem...Ich will nicht, dass uns die zwanzig Punkte wieder abgezogen werden", spann ich meine Lüge weiter.

"Sicher nicht", sagte er und sah mich aufmerksam an.

"Wo ist der Rest?", fragte ich und sah mich nach George und Lee um.

"Welcher Rest?", fragte Fred und sah sich ertappt um.

Es schien, als wäre er gerade aufgewacht.

"Na der Rest vom Schützenfest", sagte ich ironisch.

"Welches Schützenfest? Was ist das überhaupt?", fragte er verwirrt.

"Boah...Wo sind George und Lee?", fragte ich genervt.

"Die reden noch mit Ron, Hermine und Harry", sagte Fred und zuckte mit den Schultern.

Bei seinem Namen versteifte ich mich wieder. Ich wollte nichts mit Harry zu tun haben. Ich durfte gar nichts mit ihm zu tun haben.

Rita Kimmkorn würde das gnadenlos ausschlachten und erstmal alles über meine Herkunft in Erfahrung bringen, so wie sie es auch bei Hermine Granger und Ronald Weasley getan hatte.

"Was haben wir morgen für Unterricht?", fragte ich, um vom Thema abzulenken.

"Musst du auf deinem Stundenplan schauen", sagte Fred und wies auf meine Robentasche.

"Klar", sagte ich und schlug mir gegen den Kopf.

"Okay...Dienstag...Zwei Stunden Wahrsagen...zwei Stunden Verteidigung gegen die dunklen Künste und...Verwandlung...", las ich in Gedanken laut vor.

"Cool...wir haben morgen wieder vier Stunden zusammen...Außer Wahrsagen...das machen George und Lee...Ich habe dafür Arithmantik...Ist sowas ähnliches...", sagte Fred und sah etwas traurig aus.

"Arithmantik...Ist das nicht irgendetwas mit Zahlen?", fragte ich und dachte an Mathematik.

Dieses Fach hatte ich schon in der Grundschule gehasst.

Ja, ich war in der Grundschule. In einer Muggelgrundschule, weil Paps wollte, dass ich Schreiben und Rechnen kann.

"Joah...aber es geht eigentlich...Hast du Muggelkunde belegt?", fragte er mich interessiert.

"Ja! Paps wollte das ich das belege, wegen meiner Mutter", antwortete ich schneller, als ich nachdenken konnte.

Fuck, jetzt weiß er, dass mein Vater mit einer Muggelstämmigen zusammen war und dass er also rein theoretisch ein Zauberer gewesen sein muss, dachte ich und sah mich panisch um.

"Dann haben wir am Mittwoch zusammen Unterricht in Muggelkunde", sagte er fröhlich.

"Mein Vater wollte auch, dass wir unbedingt Muggelkunde belegen, weil er so fasziniert davon ist...", erzählt mir Fred.

"Aha", sagte ich nur und wäre am liebsten abgehauen, aber ich hatte mächtigen Hunger.

No one knows - die Tochter des PrinzenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt