A diary...

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Eine Sache tröstete mich etwas. - Mutter wollte wahrscheinlich sowieso nicht nach Australien, denn das letzte Mal war sie dort mit meinem Dad gewesen... vor über 20 Jahren... Mein Vater hatte früher, noch bevor er meine Mum kennengelernt hatte, eine Zeit lang dort gelebt. Meine Eltern hatten sich dort kennengelernt, als meine Mum eine Reise dorthin machte... Dad liebte dieses Land, hat seinen Traum vom Leben dort nur für meine Mum aufgegeben und immer gehofft, einmal dort seine letzten Tage zu verbringen... Er hat mir immer gesagt, dass Australien ein Geheimnis hat. - Ich war nie dort gewesen. Bisher.

Meine Mama hatte mir eine Packliste gegeben und ich war daran, alles in meinen Koffer zu packen... Bald würde diese tolle Reise in das Land mit dem Geheimnis beginnen...

Nachdem mein Koffer fertig gepackt war und ich bestimmt 100 Mal überprüft hatte, ob ich auch ganz sicher nichts vergessen hatte, schlief ich erschöpft auf dem Schlafsofa ein.

Am nächsten Morgen wurde ich bereits um fünf Uhr wach. Wenn ich aufwachte war ich nicht ansprechbar, da ich während ich schlief immer alles vergaß. 'Dad ist tot!', war wie immer mein erster Gedanke und eine Träne kullerte unwillkürlich über meine Wange. Ich fühlte Aufregung. Warte. Aufregung? - War es nicht normalerweise todestrauer, seelischer Schmerz? Ich zog meine Stirn in Falten, um nochmal genau nachzudenken. 'Australien!', ja, das war es! - Ich würde nach Australien fliegen. Heute. Deswegen auch die Aufregung. Ich machte mich fertig und bereitete das Frühstück für mich und Mum zu. - Um acht stand auch sie auf und um neun Uhr machten wir uns zusamnen auf den Weg zum Flughafen.

Nach dem Check-In begleitete mich meine Mum noch soweit sie durfte. Dann war es Zeit, sich zu verabschieden.

"Gib auf dich acht, meine Kleine.", sie weinte, "Und komm gesund wieder zurück. - Versprich mir das!"

Mit Tränen in den Augen versicherte ich meiner Mutter, dass alles gut gehen würde und es keinen Grund zur Sorge gab.

"Noch etwas!", sie wischte sich die Tränen weg und kramte ein Buch mit abgenutzten und teilweise gewellten Seiten aus ihrer Handtasche, "Dein Vater wollte, dass du das liest, wenn du mal nach Australien kommst..."

Ich schlug meine Hände vor den Mund und schluchzte laut. Tränen überströmten mein Gesicht... Ich nahm das Buch, tat es in meine Tasche und fiel meiner Mama um den Hals. Natürlich weinte auch sie...

"Ich hab dich so lieb, Mum...", heulte ich und gab ihr einen Kuss auf die Wange.

"Ich dich auch!", sie zwang sich zu einem Lächeln, das allerdings sehr schwach war, "Du musst jetzt los!"

Ich löste mich von meiner Mutter, ging durch die Sicherheitskontrolle und winkte ihr noch solange ich sie sehen konnte.

Ich fand den Weg zu meinem Gate. - Ich war schon öfters ohne meine Eltern geflogen... Mir blieb nicht viel Zeit, bis alle Passagiere zum Boarding aufgerufen wurden und ich nur einige Momente später an einem Fensterplatz im Flugzeug saß.

Während die Sicherheitsanweisungen bekanntgegeben wurden und das Flugzeug anschließend startete, entspannte ich mich, versuchte das Gefühl der Trauer und der Tränen los zu werden und schlug das Buch, das mir meine Mutter gegeben hatte auf.

6.Mai.1992, Mittwoch

Wenn es mir hier an etwas mangelt, dann ist es Liebe, aber auch das würde ich nicht so sagen, denn ich bin in Australien. Vor genau zwei Jahren, meinem 21. Geburtstag, bin ich in Perth gelandet und seit dem kämpfe ich mich irgendwie durch. Genug Geld habe ich nicht wirklich, aber imner so viel, das ich irgendwie leben kann. Das Land ist toll. Momentan bin ich bei Greg am Segelboot. - Ich habe ihn in einem Pub am Hafen kennengelernt, er ist ein echter Kumpel und ich genieße es mich auf diesem Boot frei zu fühlen. - Wir haben in Küstennähe den Anker ausgeworfen und werden hier bleiben. Zumindest für ein paar Tage.

Ich schlug das Buch zu. Es war ein Tagebuch. Ein Reisetagebuch meines Vaters. Tränen. - Ich will nicht wissen, wieviele davon ich heute schon verschüttet hatte... Falls jemand etwas ähnliches wie: 'Ich war noch immer tieftraurig, doch ich hatte keine Tränen mehr. - Alle waren verschüttet.', sagt, ist das nicht wahr. - Klar, man kann traurig sein ohne zu weinen, aber keine Tränen mehr zu haben, das gab es nicht, ich spreche aus Erfahrung... Es könnte natürlich sein, dass ich eine Limited-Edition mit einem unendlichen Tränenvorrat war... Oh ja, wahrscheinlich war es das!

Schnell trocknete ich meine Tränen, bevor mich noch jemand darauf ansprach... Diese Menschen mit ihrem gespielten Mitleid waren schrecklich. 'Dein Vater ist gestorben? - Ach, du Arme! - Ich kann dich verstehen.' - Ähm, nein, kannst du nicht! 'Aber das Leben geht weiter!' *Kotz* Vielleicht ist es jetzt verständlich, warum ich keinen meiner Kollegen in der Schule je davon erzählt hatte, dass mein Vater gestorben war und den Kontakt zu meinen Freunden von Früher, die es wussten, abgebrochen hatte... Mitleid ist etwas, das einem irgendwann beim Hals raushängt. - Ich leide einfach an einer Überdosis an Mitleid, tut mir leid!

Australia's SecretWo Geschichten leben. Entdecke jetzt