Furcht vor der Sühne

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Wenn deine Familie einst unbefleckt scheint, makellos, sei dir gewiss,dass das Schicksal nur das Leid aufschiebt, um dich umso härter zutreffen. Du wirst leiden um derer Willen, die du am meisten liebtest. Jener wird immer leiden, der sich belügt, damit er andere hassen kann. Und am Ende wird man erkennen oder zugrunde gehen."

Ein junger Mann stand am Grabe seiner Eltern, mit den Tränen in den Augen und spürte den Wind, der an diesem Abend über den Friedhof blies. Trotz der Tatsache, dass er keine warme Kleidung anhatte,spürte er die Kälte nicht. Ebenso wenig die kühle Luft, die er durch die Nase einatmete, die langsam versuchte, die innere Hitze zu bannen. Doch dieses Feuer, das er bei sich trug, vermochte durch nichts in der Welt gestillt zu werden. Diese Welt hatte ihm Wunden zugefügt, die ihn wie ein schwarzer Malstrom aus Gebeinen immer wieder erdrückten.

Er hatte damals den Worten keinen Glauben geschenkt, er war zu blind oder naiv gewesen. Er konnte sie aber auch nicht vollkommen verstehen.

Das einzige einigermaßen Warme, was er trug, war eine schwarze Jacke un dein Gegenstand, der nun als Einziges von seinen Eltern übrig blieb.Das Einzige, was er an sich nehmen wollte.

Eine Halskette aus reinem Silber, mit einem roten Stein in einer Fassung,in der er die Wärme in seiner Hand fühlen konnte. Als er diese Hand öffnete, sah er im Stein die feinen Linien, die ein flammenartiges Muster bildeten. Es war, als würde ein Feuer im Inneren brennen,aber anders als das Feuer in seinem Herzen wurde diese nicht von Wut und Zorn am Leben gehalten.

Es fing schleichend an, kaum wahrnehmbar. Die kalte Asche in Form einer schwarzen Hand versuchte, sein Herz zu zerbrechen, bis wieder das schmerzende Feuer ausbrach.

Was genau wollte er? Würde seine Wut schwinden, wenn er weiter anderen die Schuld gab? Er hatte schon einmal gesehen, was das aus einem Menschen machen konnte, wie sehr der Schmerz wie Absatz in einem Wasserglas zu Boden sank und wieder aufgerüttelt wurde. Immer wieder und wieder, bis sich schließlich der Dreck immer weiter sammelte und anhäufte. Bis das Wasser schwarz wurde. Wie die Seele, die sich in Dunkelheit hüllte. Es wurde immer wieder aufgewühlt, sei es nun durch verletzende Bemerkungen oder durch ermahnende Worte, die man nicht wahrhaben wollte.

Stets nur den anderen als Abschaum zu betrachten, weil er oder sie seine Worte als nichtig erachteten und sich schließlich abwandten? Warum war er nun selbst von denen verlassen worden, die ihm nahe standen?

Sein Blick schweifte über den Friedhof und darüber hinaus, wo die Äste der Bäume sich im Wind bewegten. Wie schwarze Arme, am Ende die Hände mit Krallen versehen. Lass doch los, es ist nicht so schwer.

Aber er wollte nicht loslassen von seinem Hass, er konnte nicht vergeben,wollte nicht vergeben. All jene, die über ihn gespottet hatten,würde er auf ewig hassen, auch wenn ihn die Flamme in seinem Inneren quälen würde. Wieder kamen die Gedanken. Wie Krähen, die um seinen Kopf umherschwirrten. Es waren doch nur Worte, ähnlich wie die deinen.

Der junge Mann spürte, wie sein Puls raste und wie die schwarze Hand erneut nach seinem Herzen griff. Er machte seine ersten Schritte in die eine Richtung, dort wo sein Zuhause lag. Der Wind pfiff weiterhin sein beängstigendes Lied und die Bäume schienen ihn weiterhin klagend anzustarren. Der junge Mann versuchte, sie nicht zu beachten,die Fratzen im schwarzen Holz.

Ein grausamer Scherz, der immer weiter sein Herz zerfressen sollte. Als er den Rand des Friedhofs erreichte, fingen die Wolken an, sich zu einer grauen und dunklen Masse zu sammeln. Immer weiter machte er seine Schritte, als die ersten Regentropfen zu Boden fielen. Als er die ersten Tränen auf seinem Gesicht spürte, flackerten wieder die Gefühle in ihm auf. Lass doch los, es ist nicht so schwer.

Gebrochene SeelenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt