P3

3 0 0
                                    


Nervös legte ich meine Finger auf die weiße Klingel. Ich hatte mir vorgenommen ganz cool zu wirken, ihm die kalte Schulter zu zeigen nachdem was gestern passiert war, aber das zittern meiner Hände konnte ich einfach nicht abstellen, so sehr ich es auch versuchte. Den ganzen Weg über zu seinem Haus hatte ich mir alle möglichen Ausreden einfallen lassen, die ich allesamt gleich wieder über Bord geworfen hatte. Es hatte alles keinen Zweck und schließlich, das versuchte ich mir zumindest einzureden, war es nur ein Abend. Ein paar Stunden musste ich mich zusammen reißen, das würde doch möglich sein oder? 

Mein Geschichtsprofessor hatte uns heute Vormittag eine Hausarbeit aufgebrummt. Was grundsätzlich nichts schlimmes war, wäre es nicht eine Gruppenarbeit gewesen und mein Partner der selbstverliebteste und arroganteste Typ in der ganzen Stadt. Matt.

Ausgerechnet er. Wir hatten nicht mehr geredet seit dem Zwischenfall vor der Bibliothek, bei dem er mich ausdrücklich gewarnt hatte ihm aus dem Weg zu gehen. Ich hatte nur sein genervtes Stöhnen neben mir gehört als unser Professor die Liste der Zweiergruppen vorgetragen hatte. 

Und nun stand ich, verloren und ängstlich was mich an diesem Abend noch erwarten sollte. Würde er mir wieder drohen? Mich einschüchtern? 

Ich holte noch einmal tief Luft bevor ich die Klingel nach unten drückte. Sogleich ertönte ein leises Summen und das Gartentor öffnete sich. Mir blieb fast die Spucke weg als ich das riesige, altmodische Gelände betrat. Es war einfach nur gewaltig. Vor mir erstreckte sich ein kleiner Schotterweg der sich in der Mitte um einen großen Marmorbrunnen schlang um dann zu einen modernen Haus zu führen. Alle paar Schritte säumten Laternen den Weg. So etwas hatte ich noch nie zuvor gesehen. Ich war fast ein bisschen dankbar, dass Matt gleich vorgeschlagen hatte die Arbeit bei ihm zu machen. Was hätte er sich nur gedacht wenn er die kleine, schäbige Wohnung gesehen hätte in der ich lebte.

Die Haustüre öffnete sich und Matt winkte mich zu sich. Selbst in seinem einfachen schwarzen  Poloshirt und der braunen Stoffhose sah er umwerfend aus. 

"Komm rein" er wartet nicht einmal drauf dass ich die Tür erreicht hatte. Kein "Hallo", kein "wie gehts dir" oder "schön dass du da bist". 

Zögernd trat ich ein. Das Innerer des Hauses war genauso stilvoll wie das Haus selbst. Alte Möbel, kombiniert mit modernen Gemälden und Skulpturen. 

Ich folgte dem Licht am Ende des Flurs und betrat einen riesigen Raum, bis oben hin voll mit Büchern. In der Mitte des Raumes befand sich ein großer Tisch mit Stühlen, alle mit schwarzen Samt überzogen. 

"Willst du was trinken?" Dem Ton seiner Stimme zu urteilen fragte er aus reiner Höflichkeit. 

"Nur Wasser. Danke." 

Während er verschwand um mir ein Glas zu holen ließ ich meinen Blick über die unzähligen Bücher streifen. 

"Hast du die alle gelesen?" verblüfft drehte ich mich zu ihm. 

Matt nickte abwesend und ließ sich auf einen der Stühle fallen. 

"Wie viele Sprachen sprichst du denn?" fragte ich weiter. Es waren bestimmt über fünf verschiedene Sprachen, wie war das nur möglich. 

"Ein paar..." er ließ den Satz in der Luft hängen. "Können wir es jetzt hinter uns bringen?" 

Stumm ließ ich mich auf den Sessel gegenüber fallen. "Klar." seufzte ich. 


Während der gesamten Recherche ertappte ich mich dabei, wie mein Blick immer wieder zu ihm glitt. Ich konnte mich einfach nicht konzentrieren. Wie konnte jemand so gut aussehen, und noch dazu so reich sein? 

"Kannst wohl nicht genug von mir bekommen was?" Matts Lippen zogen sich zu einem süffisantes Grinsen.

Ich merkte wie meine Wangen anfingen zu glühen. 

"Das hättest du wohl gern, was?" Beschämt versuchte ich seinem Blick auszuweichen. 

Das war da aller erste Mal dass Matt mal keine schlechte Laune in meiner Nähe hatte. Er lächelte sogar, was es mir nur noch erschwerte meinen Blick von seinem Gesicht abzuwenden. 

"Ähm...kann ich mal auf die Toilette?" Warum stotterte ich denn so?

"Klar, ich zeige dir." Ganz gentleman-like leitete er mich zum anderen Ende des Flures zur Badezimmertür. 

Seine Hand griff den Türgriff, hielt die Türe aber noch geschlossen. Fragend drehte ich mich um. Matt stand nur wenige Zentimeter von mir entfernt. Ich spürte wie sein Atem an meiner Haut abprallte. 

"Mach ich dich nervös?" Seine raue Stimme war nur ein Flüstern.

"Ne-ei-n." keuchte ich. 

"Wirklich kein kleines bisschen?" Seine Lippen nährten sich den meinen. Für einen kurzen Moment dachte ich wirklich er würde mich küssen.

Bevor er sich abrupt abwandte und anfing zu lachen.

"Als ob ich dich geküsst hätte."

Seine Abfuhr fühlte sich an als hätte mir jemand ins Gesicht geschlagen. Verletzt wandte ich mich ab. Ich spürte wie sich meine Augen mit Tränen füllten, auf keinen Fall würde ich mir jetzt auch noch die bloße geben, vor ihm zu weinen. 

"Ich... ich muss los." stieß ich zwischen meine Zähnen hervor und stürmte Richtung Bibliothek um meine Sachen aufzusammeln. Das war mir wirklich einfach zu viel. Wie konnte ich tatsächlich glauben er würde Interesse an mir haben? Matt war doch ganz offensichtlich nicht meine Liga. 

"Was? Aber wir sind doch noch gar nicht fertig" witzelte er weiter. Der zweideutige Unterton in seiner Stimme war kaum zu überhören. 

"Nein, ich...es ist schon so spät..." Hastig packte ich meinen Rucksack.

"Warte! Hey! Ich fahr dich!" seine Hand versuchte die meine zu greifen. 

"Nicht nötig." Stieß ich hervor und schüttelte seine Hand ab. 

Ich bemerkte Matts Blick auf mir, der mir folgte als ich den ganzen Weg zum Gartentor lief und im Dunkeln der Nacht verschwand. 




Du hast das Ende der veröffentlichten Teile erreicht.

⏰ Letzte Aktualisierung: Jul 20, 2020 ⏰

Füge diese Geschichte zu deiner Bibliothek hinzu, um über neue Kapitel informiert zu werden!

LifeLongWo Geschichten leben. Entdecke jetzt