Prolog

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Es ist zum Verrücktwerden. Seit einer Stunde sitze ich nun schon vor meinem Laptop und das Word-Doklument ist auch noch fast leer. Da steht nur: Schüleraustausch Italien. Erfahrungsbericht Julia Denk. Klasse 10b.

Wenn die Sauer, meine Direktoribn, Mama nicht den Brief mit Betreff Versetzungsgefährdung ihrer Tocher geschrieben hätte, hätte ich den dämlichen Bericht total vergessen. Er war die Bedingung, unter der mir Frau Sauer erlaubt hat das vergagnene halbe Schuljahr in Italien zu verbringen. Nur wenn ich nach meiner Rükkehr mindestend 30 Seiten schreibe und termingemäß abgebe, darf ich in die 11. KLasse vorrücken, hat sie Mama und mir mitgeteilt, sowohl mündlich als auch schriftlich. Typisch deutsch, dazu kann ich nur sagen: bürokratisch bis zum Gehtnichtmehr.

Am liebsten würde ich jetzt schnurstraks zurück nach Italien fahren, zurück zu Niall, jetzt sofort. Aber daraus wird nichts, solange nicht, bis ich meine 30 Seiten im Kasten habe.

Mama hat fast einen Herzinfarkt erlitten, als sie gelesen hat, dass ich die 10. Klasse wiederholen muss, wenn mein Bericht nicht bis übermogen in Frau Sauers Posteingang liegt. Natürlich hat sie mich sofort an den Laptop gescheucht. Und da sitze ich nun. In einer Stunde habe ich gerade mal 6 Wörter, eine Zahl und einen Buchstaben zu Papier gebracht. Wenn ich so wietermache brauche ich noch die ganzen Sommerferien dafür.

Und was bitteschön, gehen die alte Sauer eigentlich meine persönlichen Erfahrungen an? Wozu soll ich alles, was ich in Italien erlebt habe, für sie aufschreiben? Im Merkblatt, das dem zuckersüßen Erinnerungsschreiben beiliegt, heißt es nur: Durch das Verfassen des Erfahrungsberichts wird sich der/die Schüler/in der Unterschiede der eigenen und der fremden Kultur bewusst, reflektiert und verarbeitet positive und negative Eindrücke und Erlebnisse und gibt die während des Auslandsaufenthalt erworbene interkulturelle Kompetenz an seine/ihre Mitschüler/innen weiter. Der/die Schüler/in soll in seinen/ihren Ausführungen auf möglichst viele der im Anhang zusammengestellten Fragen eingehen.

Was für ein Schwachsinn. Grimmig hämmerte ich in die Tasten und schreibe: ICH HASSE FRAU SAUER!!!

Warum ich sie hasse? Dafür gibt es mehr als genug Gründe. Zum Beispiel, weil sie vor 2 Jahren, als es darum ging, den Schwerpunktfür die Mittel- und Oberstufe zu wählen, mit allen Mitteln versucht hat, mich auf eine Schule abzuschieben, die ein besonderes Programm für mathematisch hochbegabte anbietet. Ich und hochbegabt? Dass ich nicht lache. Ja, es stimmt, mein Vater ist Professor für theoretische Mathematik und ich hatte das Glück, dass mir Mathe leichter fällt als den meisten anderen. Aber ich bin nicht so wie mein Vater und ich will auch niemals so werden wie er. Deshalb bin ich vor 2 Jahren aus der Schach-AG aus- und in die Fußball-AG eingetreten und deshalb habe ich Sprachen und nicht Naturwissenschaft als Schwerpunkt gewählt.

ES klopft. Mama steckt den Kopf zur Tür herein. Sie will wissen, wie weit ich schon bin. Bevor ich es verhindern kann, schaut sie mir über die Schulter. Als sie sieht, dass ich immernoch nichts geschrieben habe, außer ICH HASSE FRAU SAUER!!!, wird sie energisch. Sie sagt, wenn ich den Bericht nicht bis heute Abend fertig habe, dann fahren wir mogen auch nicht an den Gardasee - zu Niall und Alessandro. Ich bin mir nicht sicher, ob sie es wirklich ernst meint, schließlich hat sie es mindestens genauso eilig wie ich. Aber ganz ehrlich: Ich lasse es lieber nicht darauf ankommen! Ich glaube ich sterbe, wenn ich auch nur einen Tag länger als versprochen auf das Wiedersehen mit Niall warten muss.

Also her mit dem blöden Merkblatt. Mal sehen, was die gute Frau Sauer alles von mir wissen will. Ich zähle die Fragen und stöhnte genervt. 18 Stück. Will sie auf all das wirklich eine ehrliche Antwort haben? Na dann kann sie sich auf etwas gefasst machen. Ich wette, so einen Erfahrungsbericht hat sie noch nie gelesen.

Ti Amo sagt man nicht (Niall Horan)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt