Kapitel 1

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Frage 1

Wie bist du auf die Idee gekommen, an einem Schüleraustausch teilzunehmen?

Wie ICH auf die Idee gekommen bin? Ehrlich gesagt: Es war garnicht meine Idee. Mama hat die ganze Sachen angeleiert und mich dann mehr oder weniger vor vollendete Tatsachen gestellt und zwar genau übermorgen vor einem Jahr, an meinem 15. Geburtstag.

7. August, 08:49 Uhr sagt der Funkwecker. Wenn er meint. Ich liege im Bett und starre an die Decke und hülle mich ein in das Gefühl, dass mir alles egal ist. Egal, dass ich heute 15 werde. Egal, dass alle, mit denen ich gerne gefeiert hätte verreist sind. Egal, dass Zayn mich nicht wie sonst Punkt Mitternacht angerufen hat, um mir alles Gute zu wünschen. Egal, dass es draußen regnet und stürmt wie im Oktober.

7. August, 09:05 Uhr. Wenn der Flieger pünktlich ist, landet Zayn jetzt gerade in London Heathrow. Mama hat vorgeschlagen, dass wir zum Flughafen fahren um uns zu verabschieden. Ich habe es ihr ausgeredet. Mit Mama am Flughafen, das hat mir gerade noch gefehlt. Ich kenne Mama: Zayn ist so etwas wie ein 2. Kind für sie, sie würde in Tränen ausbrechen, wenn er durch die Sperre geht und ich müsste sie trösten. Das packe ich einfach nicht.

Mama hat es nur gut gemeint. Sie weiß ja nicht, dass zwischen Zayn und mir nichts mehr so ist wie es mal war. Zayn ist mein bester Freund gewesen, solange ich denken konnte. Jetzt ist er garnichts mehr für mich. Nur Luft. Und alles nur, weil wir uns geküsst hatten. Es war Zayns Idee gewesen. Er war es der mich geküsst hat. Er war es, der gesagt hat: "Wir sind perfekt füreinander." und es sich dann anders überlegt hat. Er war es, der alles kaputt gemacht hat.

Es passierte an einem Freitagabend vor 5 Wochen. Auf der Freilichtbühne im Schulhof hat gerade die Premiere des neuen Stücks unserer Theater-AG stattgefunden. Ich bin mit Zayn und ein paar anderen hingegangen. Nach der Aufführung hat Zayn mich nach Hause gebracht, so wie immer, wenn wir abends zusammen unterwegs waren.

Es ist kurz nach 9 Uhr. Mama ist noch nicht zu Hause. Sie ist bei einer Kollegin zu einer Grillparty eingeladen. Im Kühlschrank steht noch ein Krug Eistee für uns. Wir setzten und mit 2 großen Gläsern auf den Balkon und redeten über das Stück. Und dann, ganz plötzlich beugt Zayn sich vor und küsst mich. Einfach so, ohne Vorwahrnung. Seine Lippen liegen sanft aber zugleich herausfordernd auf meinen und sie bringen mich föllig aus der Fassung, weil ich nicht weiß, was ich davon halten soll, davon, dass sich zwischen Zayn und mir etwas nicht vertraut anfühlt, sondern fremd - verwirrend fremd, aufregend fremd.

Der erste klare Gedanke, der mir durch den Kopf schießt ist: Verdammt, Bea hatte doch recht gehabt.

Bea ist das hübscheste Mädchen der ganzen KLasse, wahrscheinlich auch der ganzen Schule, Typ Manga-Prinzessin. Sie kann sich vor Verehrern kaum retten und beansprucht für sich die oberste Autorität in Liebesangelegenheiten - vor allem in denen anderer Leute. Und seit wochen wiederhole ich immer ein und denselben Satz: "Wir sind nur Freunde, Zayn und ich..." Und jetzt das.

Wie um himmels Willen kommt Zayn dazu, mich zu küssen? Er weiß doch ganz genau, dass ich vom küssen nichts halte. Wenn man sich küsst, verliebt man sich. Und wenn man sich verliebt, hat man ein Problem. Jedenfalls dann, wenn es der Falsche ist. So wie bei Mama. Als Papa sie vor 2 Jahren verlassen hat, hat sie gelitten wie ein Schwein. Darauf habe ich keine Lust. Und ich habe schon genug Probleme, auch ohne dass ich mich verliebe.

"So wie du aussiehst, bin ich ein ganz mieserabler Küsser." stellt Zayn fest; er grinst, als ob er sich nichts daraus macht, aber ich weiß genau, dass er nur den Gleichgültigen spielt. Er will immer der Beste sein, in der Schule, im Sport - ganz egal worum es geht. Er kann nichts dafür. Seine Eltern haben ihn so erzogen.

Ti Amo sagt man nicht (Niall Horan)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt