Ein Schatten der Vergangenheit

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Kakashi:

Tora kniete vor Tsunade. Dass es ein wenig widerwillig war, war jedem hier im Raum klar. Und die einzige Person, mit der die silberäugige bisher einen Blick gewechselt hatte, war Shizune. Tsunades Freundin stand mit Tonton in den Armen, neben dem Tisch der Hokage. Den Blick hielt sie meist gesenkt und sah nur auf, wenn Tora in ihre Richtung blickte. Zu gerne hätte ich ihren Gesichtsausdruck gesehen.

Vor drei Tagen hatten wir Shikamaru beauftragt der Shiranui auszurichten, dass die nächste Mission auf sie wartete. Diese Frist hatten wir ihr gelassen, damit sie sich vorbereiten konnte. Und das war geschehen. Nicht nur innerlich. Zwar hatte sich nichts an ihrem kühlen Verhältnis zu uns geändert, aber immerhin kooperierte sie. Vielleicht schon ein kleiner Fortschritt.

Statt der gewohnten schwarzgrünen Kleidung, wurde das dunkle grün nun von einem tiefen rot abgelöst. Jacke und Hose waren komplett gleich, nur in anderer Farbe. Die Farbe, die ihre Mutter getragen hatte. Vielleicht war das Toras Art, die Geschehnisse zu verarbeiten. Denn das Stirnband hatte sie sich so gebunden, dass das Zeichen von Konoha nach hinten zeigte. Wie Genma.

Ich hatte es Shizune ansehen können, als die Shiranui vor einigen Minuten den Raum betreten hatte. Die Medic-Nin fühlte sich an zwei Personen gleichzeitig erinnert. Ihre ehemals beste Freundin und den Geliebten. Menschen die ihr fast noch nähergestanden hatten, als Tsunade selbst. Mit denen sie aufgewachsen war...

Ein wenig fühlte ich mich dabei an Obito und Rin erinnert. Wenngleich ich die beiden ziemlich kurz nacheinander verloren hatte, konnte ich den Schmerz der Schwarzhaarigen durchaus sehr gut nachvollziehen.

„Eigentlich hatte ich geplant gehabt, dich nach Sunagakure zu schicken, doch wie wir vorgestern erfahren haben, hat Gaara dort das Problem schon aus der Welt geschafft", setzte Tsunade an und ich meinte eine Bewegung von Tora zu vernehmen.

Sie verlagerte ihr Gewicht ein wenig mehr auf das linke Bein, hielt den Blick starr gen Boden gerichtet. Vielleicht hatte ich mich auch nur getäuscht und es war einfach nur eine normale Bewegung gewesen. Und dennoch war es mir nicht verborgen geblieben, dass sich in ihrem Leben etwas getan hatte. Vor allem seit der Mission in Sunagakure.

Allein die Tatsache, wie sie auf Gaaras Tod reagiert hatte...

Es gab wirklich einige Dinge mit ihr zu besprechen, doch die würden warten müssen. Erst einmal galt es, dass sie aus ihrer Trauerphase wieder herauskam. Und das konnte nur gelingen durch einen Tapetenwechsel. Da waren wir uns alle einig. Sie musste dringend aus der gewohnten Umgebung raus. Denn jeder noch so kleine Platz in Konoha konnte mit Genma in Verbindung gebracht werden.

„Ich bin sicher, dass du diese trotzdem genauso zuverlässig erfüllen wirst."

Zugegeben war die Sache mit Gaara halb gelogen. Hatten ihm doch ein paar Konoha-Nins ausgeholfen. Das letzte, was wir wollten war ein erneuter Ausbruch von Tora. Oder vielmehr Zusammenbruch. Denn dann würde ihr Haus womöglich vollends in Trümmern liegen...

Die Shiranui nickte steif und erhob sich langsam, straffte die Schultern. Richtete sich vollends auf. Keine Schwäche. Keine Gefühle. Aber wie lange würde sie das wohl durchhalten?

Nach einem kurzem Nicken von Tsunade verschwand sie auch letztendlich aus dem Raum. Tora würde sofort zur Mission aufbrechen. Wir hatten ihr ein Zeitlimit von zehn Tagen gegeben. Durchaus machbar. Denn danach würden wir sie für eine weitere Mission brauchen.

Spionage.

Vor ein paar Tagen hatte mich Tsunade darauf angesprochen, dass Akatsuki sich wieder zu regen begann. Sie sich erneut auf die Suche nach weiteren Jinjuuriki machten. Und dem musste Einhalt geboten werden. Tora war durch die Fähigkeit sich selbst und das Chakra unsichtbar zu machen, die perfekte Person für diese Aufgabe.

Niemand würde sie bemerken, solange sie vorsichtig war und sich nicht von ihren Gefühlen lenken ließ. Doch das würde vorerst nicht mehr der Fall sein.

Es sei denn Naruto oder Fu würden zwischen die Fronten geraten, dann konnte es sein, dass sich das silberne Chakra wieder zu zeigen begann. Bei Hikari war es stärker gewesen. Akaya war in einer Familie aufgewachsen, die in Kirigakure gelebt hatte. In Frieden. Bis zu einem schicksalhaften, blutigen Tag...

Gedankenverloren blickte ich aus dem Fenster. Die Geschichte von Toras Eltern war beidseitig überschatten von Leid, Verrat, Hass und Neid. Eine Vergangenheit, die ich nicht einmal Akaya gewünscht hatte. Niemanden. Vor allem da er zu diesem Zeitpunkt keine zehn Jahre alt gewesen war. Soetwas prägte ein Leben lang.

„Was beschäftigt dich Kakashi?", riss mich die Stimme der Hokage aus den Gedanken.

„Die Vergangenheit."

Tora:

Drei Tage war ich nun schon unterwegs. Mein Schritt war schnell und zügig. So dass meine Beine nicht müde wurden und die Kehle nicht zu schnell nach Wasser schrie. Meine Rationen hatte ich mir gut einzuteilen.

Schließlich war ich bisher nur ein einziges Mal in dieser Region gewesen und somit auch auf beinahe unbekannten Terrain. Mein agieren in dem anderen Land, war vom zugehörigen Kage abgesegnet. Wenn auch mit einigem Ringen, wie es mir erschienen war. Er sollte ein ziemlicher Dickschädel sein und stark noch dazu.

Meine Umgebung wechselte von einem dichten, grünen Wald, zu einer trockenen Steppe, bis hin zu einem ausgedörrten Tal. Staub wirbelte unter meinen Füßen auf, als ich es durchwanderte. Geier zogen über meinem Kopf ihre Kreise und ich bemühte mich den starken Strahlen der Sonne zu trotzen.

Die Spur meines Zieles hatte ich schon beim Betreten des Blitz Reiches aufgenommen. Er schien zu spüren, dass ihm jemand auf den Fersen war, weshalb sollte er sonst derart schnell laufen. Ein ehemaliger Konoha-Nin, der mithilfe einiger anderer einen Anschlag auf Tsunade geplant hatte. Angeblich. Doch irgendwie erschien mir diese Begründung zu oberflächlich, zu seicht. Etwas tief in mir wollte das nicht so ganz glauben.

Gegen Abend gelang es mir einen Hasen zu schießen. Das Tier war fast knochendürr. Kein Wunder bei dieser kargen Gegend. Unter einem Felsvorsprung schlug ich mein kleines Lager auf, umwickelte mich mit einem dicken Mantel, der sich in meinem Rucksack befunden hatte. Hier im Schatten der riesigen kargen Berge konnte es nachts ziemlich kalt werden. Ähnlich wie in der Wüste. Außerdem war doppelte Vorsicht geboten, denn hier war man niemals allein.

Die letzten zwei Nächte hatte ich mich mit zwei Berglöwen herumschlagen müssen, die mir mein Abendbrot hatten klauen wollen und anscheinend hinterher mich als leichte Beute ansahen. Nach ein paar Raitonkunais hatten sie sich es dann doch anders überlegt.

Schlaf gönnte ich mir nicht viel, schließlich galt es mein Ziel zu erreichen. Der Nuke-Nin versuchte eine Täuschung nach der anderen um mich abzuschütteln. Ich musste zugeben, dass so manche gar nicht so schlecht waren. Doch Tsunade hatte sich schon etwas dabei gedacht eine ehemalige Diebin auf ihn anzusetzen. Bis mich jemand einmal hereinlegen konnte, brauchte es schon einiges. Besonders beim Spurenlesen.

Er lief Schlangenlinien. Watete durch kleine Flüsse, verwischte die Fußspuren, täuschte mit Doppelgängern an. Nichts half. Unerbittlich kam ich ihm näher. Und eines Tages war es dann soweit. Ich saß auf einem erhöhten Felsvorsprung. Direkt hinter dem Mann mittleren Alters. Seine braunen Haare waren schon von einigen grauen Strähnen durchzogen.

Meine Augen hefteten sich in den seinen fest. Er sah mich nicht, spürte aber dennoch, dass ich hier war. Die Unsichtbarkeit war wieder einmal mein bester Freund und Verbündeter. Nach einer kurzen Analyse der Umgebung, sprang ich hinunter.

Staub wirbelte auf als meine Füße den Boden berührten. Dies war das einzige was der Gegner von mir vernehmen konnte.

Der Nuke-Nin begann zu grinsen und entblößte ein paar ungepflegte Zähne. Dennoch schien es nicht, als hätte ich es mit einem schwachen Gegner zu tun. Allein die Menge seines Chakras war schon beachtlich. Ein Katana blitzte an seiner Seite auf. Und schon wenige Sekunden später prallte Stahl auf Stahl.

„Ich wusste, dass sie dich schicken. Und jetzt wird auch noch die letzte von euch vernichtet werden."

Etwas schlang sich um mein Handgelenk hielt den Körper an Ort und Stelle. Auch meine Beine wurden festgehalten. Aus dem Augenwinkel erkannte ich dünne Drahtseile, gespickt mit unzähligen Briefbomben.

„Sag auf Wiedersehen."

Und alles explodierte.

Dann stemmte ich mich von dem Felsen ab, flog durch den Rauch hindurch und bohrte dem gegnerischen Ninja mein Katana ins Herz. Der Doppelgänger verpuffte. Doch der andere lächelte. Kalt, grausam und triumphierend, hielt meine Hand fest, die noch immer um den Griff des Schwertes lag, während die Hand versuchte meine silbernen Augen zu erreichen.

„Mal sehen wer dich aufsammeln kommt. Oder vielmehr diese schönen Augen."

Unter seiner Jacke blitzte etwas hervor. Der Körper des Nuke-Nin war mit Briefbomben gespickt. Ähnlich wie die Seile zuvor. Mit zittrigen Fingern formte er ein paar Zeichen, ehe schon das furchtbare Zischen in meinen Ohren widerhallte.

„Bis später in der Hölle, Shiranui."

Dann flog mir alles um den Kopf. Mit Müh und Not gelang es mir den Schild hochzuziehen, um der Explosion ein zweites Mal zu entgehen.

Schwer atmend über und über mit Blut bedeckt, stand ich da, betrachtete die jämmerlichen Überreste meines Gegners. Ob Tsunade das gewusst hatte? Dass der Nuke-Nin meine Familie kannte oder anscheinend sogar deren Ursprünge. Wenn das wahr war, dann lagen sie anscheinend hier im Blitz-Reich.

Und es lag nicht in meiner Art, jetzt einfach nach Hause zurückzukehren, als wäre nichts passiert. Zu wichtig war mir dieses Thema. Die Wurzeln meiner Mutter. Vielleicht hatte ich ja sogar noch Familie...oder es gab Leute, die sie gekannt hatten.

Ein kleiner Hoffnungsfunke glomm in meinem Herzen und ich wischte mir mit dem Handrücken über das Gesicht. Jetzt würde ich erst einmal den nächsten Fluss aufsuchen und mich kräftig baden, denn in dem Aufzug konnte ich keine Nachforschungen anstellen. Die Leute würden schreiend davonlaufen. Wenn ich mich recht erinnerte, gab es nicht weit von hier einen kleinen See...innerhalb von zwei Tagen war der bestimmt nicht ausgetrocknet...Hoffentlich.

Erleichtert wusch ich mir das Blut vom Körper, spritzte das kühle Wasser ins Gesicht. Ein paar Minuten später stand ich vollends angezogen wieder an Land. Doch etwas ließ mich innehalten. Ein Geräusch. Eine Stimme. Weiblich der Klangfarbe nach zu urteilen. Gepaart mit einem Schnauben.

Vorsichtig lugte ich um die Ecke und entdeckte eine ältere Frau, die dort keine fünf Meter entfernt ihr Maultier tränkte. Währenddessen versuchte die Dame vergeblich eine schwere Kiste auf den Rücken des Tieres zu hieven.

Ihr Inhalt klirrte leise.

Sie wischte sich den Schweiß von der Stirn, stemmte die Hände in die Hüften und sah das Tier vorwurfsvoll an. Unbeirrt trank es weiter.

„Mari, du bist wirklich der sturste Esel, den ich mir hätte zulegen können. Jetzt versuch doch wenigstens dich hinzuknien."

Und seit langem schlich sich wieder ein Lächeln auf mein Gesicht, war die Situation doch zu komisch. Der Esel machte seinem Ruf alle Ehre und die alte Frau gab mir dann den Rest.

„Vielleicht kann ich euch helfen", erhob ich die Stimme und die Dame zuckte erschrocken zusammen und drehte sich langsam um. Angst stand in ihrem Augen geschrieben. Doch als sie erkannte, dass ich keine Gefahr darzustellen schien, nickte sie.

Langsam tragt ich näher, begegnete ihrem hellen Blick und die grauen Iriden begannen sich zu weiten. Verwirrt musterte ich sie.

„Diese Augen. Das ist unmöglich."

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